Zehn EU-Länder einig über Finanztransaktionssteuer

Frankfurt, Hotspot des Finanzmarktes
Abgabe auf Börsengeschäfte soll Spekulanten bremsen und an öffentlichen Kosten beteiligen. Idee scheint in relativ kleinem Kreis Gestalt anzunehmen.

Zehn EU-Länder wollen die seit langem debattierte europäische Finanzsteuer noch in diesem Jahr unter Dach und Fach bringen. Im Dezember könnte ein Gesetzentwurf gebilligt und die Abgabe womöglich ab 2018 erstmals erhoben werden, sagte Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble am Dienstag nach einem Treffen mit EU-Kollegen in Luxemburg.

Auch EU-Kommissar Pierre Moscovici betonte: "Wir hoffen, bis Ende des Jahres die Ziellinie zu erreichen."

Finale Entscheidung im Dezember

Die "finale Entscheidung" werde im Dezember fallen, erklärte Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) bereits am Montagabend nach einer Sitzung der zehn willigen Staaten. Er selbst werde Vorsitzender dieser Gruppe bleiben. Nun gehe es darum, die Details einer Regelung, die dann frühestens ab 2018 in Kraft treten könnte, auszuarbeiten. Für Österreich würden die Kosten einer Implementierung der Finanztransaktionssteuer gerade einmal eine Million Euro betragen. Jedenfalls sei heute "das Herzstück akzeptiert" worden, freute sich Schelling.

Die Abgabe auf den Handel mit Finanzprodukten wie Aktien und Derivaten ist vor allem seit der Weltfinanzkrise 2008 immer wieder Thema. Sie soll spekulative Geschäfte bremsen und gleichzeitig die öffentlichen Kassen füllen. Weil sich kein Rückhalt für eine welt-oder auch nur europaweite Einführung fand, wollen die zehn EU-Länder alleine beginnen. Allerdings fürchten sie Nachteile im Wettbewerb mit anderen Finanzstandorten und quälen sich seit Jahren mit den Details.

Schäuble sagte, Basis der Einigung seien Kompromissvorschläge Österreichs. Belgien und die Slowakei hätten ihre zuletzt noch geäußerten Bedenken zurückgestellt. Einige Länder wollten aber noch die Auswirkungen der Steuer auf ihre Rentensysteme prüfen.

"Wenn dann alles gut geht, können wir im Dezember ja oder nein sagen."

Die EU-Kommission erarbeite den Gesetzestext. "Wenn dann alles gut geht, können wir im Dezember ja oder nein sagen", erläuterte Schäuble. Gebraucht würden im Kreis der EU mindestens neun Staaten, die mitmachen, dann könne das Projekt starten. Derzeit sehe es danach aus, dass dies möglich sei.

Schäuble warnt vor überzogenen Erwartungen

EU-Währungskommissar Moscovici erklärte über den Kurznachrichtendienst Twitter, noch nie sei eine endgültige Einigung so nah gewesen wie jetzt. "Ich glaube, viele Menschen erwarten, dass der Finanzsektor zur Finanzierung wichtiger öffentlicher Güter beiträgt, zum Beispiel Entwicklung und Klimaschutz", sagte er in Luxemburg.

Schäuble warnte angesichts des langwierigen Werdegangs vor überzogenen Erwartungen. Zwar betonte er: "Deutschland ist Pionier in dieser Frage, immer gewesen." Doch verwies er auch auf seine Initiative im Kreis der 20 großen Industrie- und Schwellenländer, die Steuer möglichst global einzuführen. Die Befürchtung dahinter: Wenn nur ein kleiner Kreis mitmacht, weichen Spekulanten auf andere Finanzplätze aus. Einzelheiten der Steuer sind aber unklar, auch die zu erwartenden Einnahmen.

Die Befürworter der Steuer schöpften jedoch sofort neue Hoffnung. Der SPD-Europaabgeordnete Udo Bullmann forderte rasch einen Gesetzesvorschlag, um Spekulation einzudämmen. "Gelingt dies, wie wir nun hoffen dürfen, so ist dies ein Sieg für die Gerechtigkeit und die ökonomische Vernunft in Europa", betonte er.

Die Idee einer Steuer auf Börsengeschäfte geht auf den US-Ökonomen James Tobin zurück, der sie bereits 1972 ins Spiel brachte. Die Weltfinanzkrise ab 2008, ausgelöst auch von hochspekulativen und riskanten Finanzgeschäften, brachte neuen Schwung in die Debatte.

Nachdem eine globale Einführung nicht gelang, wollten Deutschland und Frankreich die Steuer auf europäischer Ebene durchsetzen. In der Europäischen Union (EU) blieben vor allem Großbritannien und Schweden dagegen.

Schließlich einigten sich 2014 elf EU-Staaten, die Finanztransaktionssteuer schrittweise ab 2016 einzuführen. Ende vergangenen Jahres sprang Estland ab, und der Zeitplan geriet ins Wanken. Die übrigen zehn EU-Länder mühten sich weiter, ein gemeinsames Konzept auf die Beine zu stellen.

Die geplante Abgabe funktioniert wie eine Mehrwertsteuer auf den Handel mit Bank- und Börsenprodukten, etwa Aktien und Derivate. Letztere sind Finanzinstrumente, deren Kurs sich aus anderen Werten wie Aktien oder Währungen ableitet. Mit ihr soll die Finanzbranche an den Kosten der Finanzkrise beteiligt werden. Gleichzeitig soll die Steuer überhitzte Spekulation bremsen. Verbraucher und Kleinanleger sollen möglichst geschont werden - etwa mittels Freibeträgen. Die Einzelheiten der europäischen Pläne sind aber unklar und auch zu den möglichen Einnahmen heißt es: Für Schätzungen ist es noch zu früh.

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