Wut auf die Banken, Angst vor dem Abstieg

Wut auf die Banken, Angst vor dem Abstieg
Mehr und mehr Bürger aus der Mittelschicht schließen sich den Occupy-Wall-Street-Demonstrationen an.

Die Protestbewegung der 68er-Jahre kennt Connie Jo noch aus eigener Erfahrung. Damals eine arme Studentin ist sie heute Dekanin an einer Universität im Bundesstaat Wisconsin und fest im Mittelstand verankert.

Dennoch kampiert sie seit einigen Tagen aus Frust unter freiem Himmel im Zentrum Washingtons. Die 62-Jährige mit langen blonden Haaren und Che-Guevara-Hemd ist Teil einer Gruppe von einigen hundert Demonstranten. Seit Donnerstag halten sie die "Freedom Plaza" rund um die Uhr besetzt, um gegen soziale Ungerechtigkeit, die Macht der Banken und Großunternehmen sowie gegen die Kriege in Afghanistan und dem Irak zu protestieren.

Viele der Teilnehmer in Washington solidarisieren sich mit den "Occupy-Wall-Street"- Protesten in New York und im Rest der USA. Überall sind Plakate zu sehen mit Aufschriften wie "Wir sind Amerika!" und "Menschen gehen über Profit!" Abwechselnd mit den Reden leidenschaftlicher Aktivisten spielen auf einer Bühne Bands. Pizzas als auch Erste Hilfe werden an Ständen angeboten. In einer Ecke haben Protestteilnehmer Pappkarton Häuser als Symbole für gepfändete Eigenheime gebastelt, eine Erinnerung an die Hypothekenkrise am Beginn der Finanzmisere.

"Ich bin hier, weil es mir nicht immer so gut ging," sagte Jo dem KURIER . "Ich bin mit Sozialhilfe aufgewachsen und weiß, wie sich Leute fühlen, die nichts haben und eine Chance verdienen."

Enttäuschte Hoffnung

Wut auf die Banken, Angst vor dem Abstieg

Peter Sheedy, ein an sich zurückhaltender 30-Jähriger, der für die Wasserwerke in der Stadt Syracuse im Bundesstaat New York arbeitet, hat sich extra zwei Tage freigenommen, um zum ersten Mal in seinem Leben an einer Demonstration teilzunehmen. "Ich musste einfach herkommen und die Sache unterstützen," sagte er,
während Schaulustige sein Kostüm aus dem amerikanischen Unabhängigkeitskrieg fotografieren. "Obamas Wahlmotto war Hoffnung und Veränderung. Aber verändert hat sich nichts."

Phoebe Sorgen aus der liberalen kalifornischen Stadt Berkeley sieht das Problem ebenfalls bei den großen Unternehmen und Banken. "Wir haben keine wirkliche Demokratie mehr," klagt die 58-Jährige, während sie eine auf den Kopf gestellte US-Flagge mit Firmenlogos anstelle von Sternen in die Kameras hält. "Mittlerweile haben wir eine Regierung der Unternehmen, durch die Unternehmen und für die Unternehmen," sagt sie in Anspielung an eine berühmte Rede Lincolns. Dennoch sei sie voller Hoffnung, dass die Besetzungswelle etwas bewirken werde, so Sorgen.

Abzuwarten bleibt aber, wie groß das Durchhaltevermögen der Protestbewegung in der amerikanischen Hauptstadt ist. Legal dürfen die Demonstranten vorerst nur bis Sonntag auf der "Freedom Plaza" bleiben. Einige schwören, unter allen Umständen länger auszuharren.

Für den Großteil der Berufstätigen wie Connie Jo, Peter Sheedy and Phoebe Sorgen, wird das allerdings schwierig. Das Risiko arbeitslos zu werden, ist in Zeiten wie diesen einfach zu hoch.

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