Ist da in den Schulen nach dem ersten Lockdown zu wenig passiert?
Man hätte sicher Augenmerk darauf legen sollen, welche Unterstützungsangebote es braucht. Man muss sich eine neue Art des Lernens und des Umgangs miteinander überlegen.
Wie sehen Sie die Diskussion über die Schulschließungen?
Als Wissenschafterin halte ich viel von Experteneinschätzungen. Der Schulbetrieb ist nicht nur Wissensvermittlung, sondern da spielen viele soziale Komponenten eine Rolle. Fehlende Teilhabe an Bildung wird sich einmal nachteilig auswirken.
Sehen Sie eine „verlorene Generation“, wie schon einige behaupten?
So drastisch sehe ich das nicht. Kinder und Jugendliche sind flexibel und können vieles aufholen. Aber dass uns das alles nicht nur wirtschaftlich sondern auch gesellschaftlich in eine Krise stürzen kann, davor können wir die Augen nicht mehr verschließen.
Für wen ist es im Unibetrieb derzeit besonders schwierig?
Sicher für viele Erstsemestrige. Die kommen ja mit einer grundsätzlich positiven Haltung zur Uni, wollen Uniflair erleben und jetzt erleben sie das Lernen in der Küche oder im Wohnzimmer. Gerade weil Wirtschaft kein eigenes Schulfach ist, haben viele keine konkrete Vorstellung von einem WU Studium und brauchen am Anfang mehr Orientierung.
Viele Unternehmen wurden im März von einem Tag auf den anderen in das kalte Wasser des digitalen Arbeitens gestoßen. Was kann man ihnen nun raten?
Digitalisierung geht nicht von einem Tag auf den anderen, das ist ein Prozess der Organisationsentwicklung, und der braucht normalerweise viel Zeit. Im März hatte man die aber nicht. Das heißt, man muss jetzt mit den bisherigen Erfahrungen eine Gesamtstrategie und Organisationskonzepte entwickeln und dann auch umsetzen. Wir haben an der WU zum Beispiel digitale Townhall-Meetings entwickelt, an denen alle teilnehmen und mitdiskutieren können. Das wäre mit körperlicher Präsenz gar nicht möglich gewesen.
Werden Frauen durch Corona und Lockdown im Unternehmen besonders gebremst?
In der Wissenschaft zeigt sich, dass es vor allem ein Ungleichgewicht zwischen Personen mit Betreuungsaufgaben und solche ohne gibt: für Männer und Frauen mit Betreuungsaufgaben ist es schwierig, weil sie ja nicht am Abend, wenn die Kinder schlafen, plötzlich ihre Kreativität anknipsen und publizieren können. Generell zeigen aber Forschungsarbeiten an der WU, dass es bei der Gestaltung zu Hause zu genderspezifischen Arbeitsteilungen kommt. Frauen werden zum Homeoffice auch schnell zuständig fürs Kochen und Kinderbetreuen, was eine hohe Belastung ist.
Die WU gilt in Uni-Rankings als zweitbeste Wirtschaftsuni im deutschsprachigen Raum. Was fehlt für Platz eins?
Wichtig wäre es das Betreuungsverhältnis zu verbessern. In Oxford kommen auf eine Lehrperson elf Studierende, an manchen Unis sogar nur vier. Da sind wir mit über 80 Studierenden pro habilitierte Person weit abgeschlagen. Ich hoffe, dieses Argument wird bei der nächsten Leistungsvereinbarung gehört.
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