WU-Professor: "Haben zu wenige Start-ups"

"Unternehmertum ist keine Erbkrankheit", meint Experte
Nikolaus Franke vom Institut für Entrepreneurship über die Start-up-Szene, neue Geschäftsmodelle und aus welchem Holz Gründer sein sollten.

Nikolaus Franke ist vor 16 Jahren an die WU Wien gekommen, um mit den Institut Entrepreneurship und Innovation zu starten. Anfangs habe man ihm geraten, sich unauffällig zu verhalten. Dann würde niemand merken, wie überflüssig sein Institut ist, erzählt er. Das hat sich grundlegend geändert. Etwa die Hälfte seiner Studenten sind Kinder von Unternehmern. Im KURIER-Gespräch spricht er über das Unternehmer-Gen, die Start-up-Szene und die Konstitution, die Gründer brauchen.

KURIER: Gibt es in Österreich wirklich zu wenige Unternehmertypen? Wie stehen wir im internationalen Vergleich da?

Nikolaus Franke: Kommt drauf an, wie man rechnet. Etwa neun Prozent der Österreicher sind Unternehmer, rechnet man die Bauern dazu rund elf Prozent. Wir sind im europäischen Mittelfeld. Was viele gar nicht glauben – in den USA ist die Quote sogar niedriger.

Also gibt es doch genug Unternehmer im Land?

Vom Maronibrater bis zum High-Tech-Unternehmer gerechnet – ja. Aber wir haben zu wenige Start-ups, also Unternehmen mit Innovationen und klaren Wachstumszielen. Diese sind es aber, die für Fortschritt sorgen.

Das können die vielen mittelständischen Unternehmer im Land nicht mehr hören, die das Rückgrat der heimischen Wirtschaft sind. Auch als Arbeitgeber . . .

Man muss das Potenzial sehen. Start-ups schaffen neue Jobs, während die Großkonzerne ständig den Personalstand reduzieren. Das liegt schon allein am Geschäftsmodell.

Welchem Geschäftsmodell?

Früher hat sich der durchgesetzt, der die Kostenführerschaft hatte. Heute der, der innovativ ist. Dazu muss man nicht unbedingt groß sein. Im Gegenteil. Mit der Größe schwindet die Flexibilität. Deswegen gehen Konzerne wie Siemens jetzt in Richtung Dezentralisierung. Manche Branchen wird es in zehn Jahren vielleicht gar nicht mehr geben.

Zum Beispiel?

Die Banken sind sicher Kandidaten für so eine schöpferische Zerstörung. Sie haben Fintechs lange belächelt, jetzt merken sie, dass sie reagieren müssen und arbeiten mit ihnen zusammen. Die großen Innovationen sind nicht von den etablierten Firmen gekommen, sie kamen von den Googles, Amazons und Facebooks dieser Welt ...

. . . die jetzt selbst behäbige Riesenkonzerne sind . . .

Ja, aber das sind Firmen, die sich nach wie vor ständig neu erfinden. Amazon hat im Buchhandel begonnen, baut jetzt sein Video-on-Demand-Angebot aus und hat gerade eine Biomarkt-Kette übernommen. Alles völlig neue Bereiche. Die Dynamik in solchen Konzernen ist eine andere, als bei europäischen Banken oder Versicherungen.

WU-Professor: "Haben zu wenige Start-ups"

Apropos Amazon, der im Onlinehandel in einer eigenen Liga spielt. Führt die digitale Revolution in Richtung "the winner takes it all"?

Das ist ein falscher Eindruck. Die Angst, dass die Großen die Kleinen verdrängen, war bisher unberechtigt. Das zeigt die Statistik. Heute hat das durchschnittliche Unternehmen in den USA elf Mitarbeiter, vor 25 Jahren waren es noch 35.

Amazon-Gründer Jeff Bezos ist jedenfalls das Vorbild vieler. Wird man als Unternehmer geboren oder kann man Unternehmertum lernen?

Unternehmertum ist keine Erbkrankheit, die man in die Wiege gelegt bekommt. Aber natürlich nehmen Unternehmerkinder die Option Selbstständigkeit viel intensiver wahr als andere. Sie sind von ihren Eltern beeinflusst.

Was ist also wichtiger: Gene oder Umweltfaktoren?

Dazu wurden Zwillingsstudien gemacht, die den Vorteil haben, dass Umweltfaktoren weitgehend ausgeblendet werden. Sie zeigen, dass sich Erb- und Umweltfaktoren in etwa die Waage halten. Das zeigt sich auch bei anderen Berufsgruppen. Viele Lehrer kommen aus Lehrerfamilien, Ärzte aus Ärztefamilien ...

Was muss ein Unternehmer auf jeden Fall mitbringen?

Kreativität, Offenheit, Energie und analytische Intelligenz. Und natürlich Risikobereitschaft. Wer schnell nervös wird, wird auch nicht die Nerven haben, ein Unternehmen zu führen. Ihm fehlt die Konstitution dazu. Aus einem unsportlichen Menschen kann man ja auch keinen Profi-Kicker machen. Er wird es selbst auch gar nicht anstreben.

Sie leiten das Institut Entrepreneurship auf der WU-Wien. Was lehren Sie dort überhaupt?

Nicht nur graue Theorie, im Gegenteil. Wir haben viele Kooperationen mit Praxispartnern vom Start-up bis zum Multinational, die mit unseren Studenten ein Semester lang begleiten. Davon profitieren beide Seiten. Die Unternehmen bekommen neue Einblicke, die Studenten sehen, wie Innovation wirklich funktioniert

Ist es überhaupt sinnvoll, gleich nach der Uni ein Unternehmen zu gründen oder sollte man erstmal Erfahrung in einer Branche sammeln?

Das hat man früher so gesehen, aber durch die digitale Revolution hat sich das geändert. Die Branchenerfahrung ist nicht mehr so wichtig, wenn man eine neue App entwickelt. Wir haben aber auch einen MBA-Lehrgang, in dem der Altersdurchschnitt bei 35 Jahren liegt. Da sitzen viele Manager mit Technologiehintergrund, die jetzt ihre eigenen Ideen umsetzen wollen.

Der gebürtige Deutsche, geboren 1966, hat in München studiert und unter anderem am Massachusetts Institute of Technology (MIT) unterrichtet. Im Jahr 2001 hat Franke das Institut für Entrepreneurship und Innovation auf der Wirtschaftsuniversität Wien gegründet. Er ist Mitglied in verschiedenen internationalen Forschungsverbänden.

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