Wo die neue Super-Ministerin entscheiden muss
Nirgendwo sonst wurde unter der türkis-blauen Regierung so eifrig umgefärbt wie im Umfeld des Verkehrsministeriums. Der heutige FPÖ-Chef Norbert Hofer rührte als Minister in den Vorstandsetagen und Aufsichtsräten gewaltig um. Jetzt stellt sich die Frage nach der Halbwertszeit all der Blauen, die in den ÖBB, beim Autobahnbetreiber Asfinag und in der Flugsicherung Austro Control an den Schalthebeln der Macht sitzen.Wie wird Leonore Gewessler, die grüne Chefin im Super-Ministerium für Klimaschutz, Verkehr und Infrastruktur, damit umgehen?
Mehr als fünf Milliarden
Es wird nicht einfach für die Regentin über ein Ministerium, das ein Budget von mehr als fünf Milliarden Euro managen wird und über die größten Bauvorhaben des Landes bei ÖBB und Asfinag entscheidet. Einerseits stehen die Grünen für eine ganz andere Politik, andererseits muss Gewessler ihre Vertrauten in Stellung bringen, um nicht als Leichtgewicht zu gelten.
Vom KURIER dazu befragt, gibt sich Gewessler noch zurückhaltend. "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich mit allen Menschen gut und professionell im Sinne der Sache zusammenarbeiten kann." Sie sei gerade erst eine Woche im Amt, "und das sind alles gewichtige Entscheidungen, wo ich davor mit allen involvierten Personen ein gutes und ausführliches Gespräch führen möchte". Nachsatz: "Zuerst gilt es, sich ein Bild zu machen, dann zu entscheiden."
Neue Namen werden noch gar nicht kolportiert. Die Grünen haben im Gegensatz zu Türkis, Blau und Rot kaum parteitreue Personalressourcen in Wirtschaftskreisen. Gut möglich, dass Gewessler auf Top-Leute von NGOs und Experten in den Universitäten setzt.
ÖBB
Nur zur Klarstellung: Vorstände, die ihren Job halbwegs ordentlich gemacht haben, vorzeitig zu verabschieden, kann schnell in die Millionen Euro gehen. Das wissen die teilstaatlichen Casinos Austria (gehören zum Finanzministerium) derzeit am besten. Einfacher ist es mit Aufsichtsräten. Sie können auch vor Ablauf ihrer Funktionsperiode jederzeit und ohne Kosten von der Hauptversammlung abberufen werden.
Die ÖBB sind das wichtigste Mobilitätsunternehmen der Republik. Der Vertrag des SPÖ-nahen Bahn-Chefs Andreas Matthä läuft im Mai 2021 aus, doch über eine Verlängerung muss bis zum Sommer 2020 entschieden werden. Der blaue Finanzvorstand Arnold Schiefer ist bis 2023 bestellt.
In der ÖVP kann man sich gut vorstellen, das Duo zu belassen. Der türkise Verkehrssprecher Andreas Ottenschläger traut beiden zu, "dass sie die Vorgaben im Regierungsprogramm umsetzen können und wollen. Dafür brauchen sie aber auch die Rückendeckung der Politik. Nur weil ein Manager rot ist und einer blau, ist das kein Grund, Verträge aufzulösen."
Stichtage im April
Anders beim Aufsichtsrat, dessen Mandate alle im April auslaufen. Dass Gewessler den Vorsitz und die Mehrheit der Kapitalvertreter neu besetzt, wird allgemein erwartet. "Sonst hat die Ministerin bei uns nicht mehr zu melden als eine Frühstücksdirektorin", so der Tenor unter den Eisenbahnern.
Anzunehmen also, dass der blaue Aufsichtsrats-Chef Gilbert Trattner abgelöst wird. Selbiges droht den FPÖ-Aufsichtsrätinnen Barbara Kolm und der ehemaligen Verkehrsministerin Monika Forstinger. Der Wärmepumpen-Hersteller Karl Ochsner, Trauzeuge von Strache, wird zwar der FPÖ zugerechnet, hat aber die Industriellenvereinigung hinter sich und leistet im Aufsichtsrat gute Arbeit, hört man.
Die Verlängerung der beiden ÖVP-Vertrauten im Gremium, Vize-Aufsichtsratschef Kurt Weinberger (Chef der Hagelversicherung) und die Juristin Cattina Leitner, gilt wegen deren Expertise als fix.
Bei der SchiG (Schieneninfrastruktur-Dienstleistungen) hievte der blaue Übergangs-Minister Andreas Reichhardt im Dezember noch schnell den ehemaligen Kabinettskollegen Stefan Weiss in die Geschäftsführung. Die SchiG kam seit Jahren mit nur einem Leiter aus. Der Job des bisherigen Chefs Ulrich Puz (der SPÖ zuzurechnen) ist neu zu besetzen, die Ausschreibungsfrist endet demnächst.
Asfinag
Unklar ist derzeit, ob die Asfinag in der Verantwortung der Chefin bleibt oder zu ÖVP- Staatssekretär Magnus Brunner wandert. Bei den Autobahnbauern zogen im Vorjahr der frühere Vize-Kabinettschef von Hofer, Hartwig Hufnagl, und der ÖVP-nahe Josef Fiala in den Vorstand ein.
Den Aufsichtsrat leitet – noch – der blaue Welser Magistratschef Peter Franzmayr.
Der Aufsichtsratschef der Flugsicherung Austro Control, Werner Walch, verabschiedete sich, wie berichtet, mit Jahresbeginn von selbst. Anzunehmen, dass sein Vize, Flughafen-Vorstand Günter Ofner (ÖVP), der Einser wird. Ob sich Kathrin Glock, die zweite Ehefrau des Waffenindustriellen Gaston Glock, im Aufsichtsrat halten wird, darf bezweifelt werden. Dem unter Hofer installierten Geschäftsführer Axel Schwarz wird zwar hohe fachliche Kompetenz attestiert, bei den Managementfähigkeiten soll es jedoch hapern.
Kompetenzen weg
Damit Gewessler aber nicht allzu mächtig wird, wandern übrigens alle behördlichen Zuständigkeiten für Telekom und Post inklusive dem Regulator sowie der Breitband-Ausbau zu ÖVP-Ministerin Elisabeth Köstinger (Landwirtschaft, Regionen, Tourismus). Und das Bundesrechenzentrum (BRZ) kriegt ÖVP-Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck.
Reform der Bankenaufsicht hat sich erledigt
Ein ganz anderer Bereich, den Gewessler nicht zu verantworten hat, ist die Bankenaufsicht. Die höchst umstrittene Reform wurde nach dem Platzen der türkis-blauen Regierung vorläufig auf Eis gelegt.
Jetzt ist es fix: Der Status Quo für FMA (Finanzmarktaufsicht) und Nationalbank (OeNB) bleibt.
"In den Koalitionsverhandlungen wurde vereinbart, dass sowohl die FMA als auch die Nationalbank sich auf die operative Aufsicht konzentrieren können", bestätigt Josef Meichenitsch, engster Berater von Grünen-Chef Werner Kogler in Wirtschafts- und Finanzfragen sowie Mitarbeiter der FMA. Es sei wichtig, dass in beiden Institutionen wieder seriös gearbeitet werde.
Hinterabsicht der Reform war, den SPÖ-nahen FMA-Vorstand Helmut Ettl loszuwerden, obwohl dessen Vertrag erst heuer für weitere fünf Jahre verlängert worden war. "Es geht nicht an, ein eigenes Gesetz zu machen, um einen Vorstand rauszuwerfen. Das funktioniert mit den Grünen nicht", argumentiert Meichenitsch.
ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger hatte die Reform noch kurz vor dem Regierungsende in die Begutachtung geschickt. Geplant war, alle Aufsichtsaktivitäten unter dem Dach der FMA zu bündeln. Gleichzeitig wären rund 180 Mitarbeiter der Nationalbank zur FMA gewandert, die künftig von einem Alleinvorstand geleitet werden sollte.
Im Generalrat und im Direktorium der Notenbank wird sich mit der neuen Regierung personell nichts ändern. Mandatare können laut Nationalbankgesetz nur bei schweren Verfehlungen ausgetauscht werden.
Kommentare