Wirklich spannend wird’s nur in Wien

Wirtschaftskammer, WKÖ
Vom 23. bis 26. Februar entscheiden 486.000 Unternehmen über ihre Vertretung.

Der Wahlkampf war kurz und eher flau. Dies mag auch daran liegen, dass die herrschende Partei in der Wirtschaftskammer ziemlich fest im Sattel sitzt. Der ÖVP-Wirtschaftsbund unter dem seit 15 Jahren agierenden Kammerpräsidenten Christoph Leitl erzielte bei der letzten Wahl 2010 mehr als 70 Prozent der Stimmen und Mandate. In Tirol sogar über 80 Prozent.

Knappe Mehrheit

Heißes Pflaster dürfte diesmal Wien werden. Hier konnte der Wirtschaftsbund zuletzt nur hauchdünn die Absolute halten. Er kam auf 50,3 Prozent der Stimmen. Zudem tritt mit der Neos-Liste Unos eine neue Fraktion an, die sich besonders um die kreative urbane Wählerschicht bemüht. Wien ist auch deshalb "anders", weil es nirgendwo sonst so viele Ein-Personen-Unternehmen (EPU) gibt. Die Kleinsten werden daher von allen Fraktionen begehrt, wie der Wahl-Überblick des KURIER zeigt.

Bundesweit kandidieren die vier im Wirtschaftsparlament vertretenen Listen, die Unos in Kärnten und Burgenland nicht. Ferner gibt es Wahlbündnisse wie jenes von FreeMarkets.at in Wien, NÖ und Salzburg sowie zahlreiche Namenslisten. Insgesamt sind 486.000 Unternehmen wahlberechtigt. Die Mehrheit unter ihnen sind mit 57 Prozent EPU.

In Salzburg wird schon ab Montag gewählt werden, von Dienstag bis Donnerstag dann in allen übrigen Bundesländern. Das komplexe Wahlverfahren ist mehrstufig. Im Rahmen der Urwahlen in den jeweiligen Fachgruppen werden österreichweit 9000 Mandate vergeben.

Alle zehn Wirtschaftskammern (Bundes- und Länderebene) beschäftigen 3812 fest angestellte Mitarbeiter. Die Einnahmen beliefen sich zuletzt (2013) auf 654 Millionen Euro, wovon rund 500 Millionen auf die Kammerumlage entfielen und 154 Millionen auf sonstige Einnahmen. Das Ergebnis der Kammerwahl wird für 27. Februar abends erwartet.

WB: Wirtschaft durch Konjunkturimpulse ankurbeln

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Leitl: "Das bringt's ja nicht"

Für jedes neues Gesetz soll ein altes abgeschafft werden: Eines der zentralen Anliegen des Österreichischen Wirtschaftsbundes ist derBürokratieabbau. In schwierigen Zeiten müssten die Unternehmer entlastet werden, die Wirtschaft angekurbelt und viele Vorschriften vereinfacht werden. Konkret verweist der Wirtschaftsbund aufKonjunkturimpulsewie Handwerkerbonus, Schwellenwerteverordnung oder Thermische Sanierung. Die Fraktion setzt sich ferner für einmodernes Arbeitsrecht,flexible Arbeitszeitensowie die Anhebung der Grenze für geringfügige Wirtschaftsgüter ein. Auch dieSenkung von Lohnnebenkostenund dieAbschaffung von Bagatellsteuern stehen ganz oben auf der "To-do"-Liste.

Ein Anliegen ist dem Wirtschaftsbund die Sicherung von Fachkräften, daher soll die Lehrlingsausbildung weiter forciert werden. Auch die Unternehmensfinanzierung soll verbessert werden. Der Bankensektor soll zwar weiterhin ein wichtiger Partner der Betriebe bleiben, aber auch alternative Finanzierungsformen wie Crowdfunding sollen ausgebaut werden.

SWV: SVA-Selbstbehalt von 20 Prozent soll wegfallen

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Christoph Matznetter

Soziale Absicherungfür EPU und Kleinbetriebe ist das zentrale Thema des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbandes (SWV). Im Krankheitsfall verfügen kleine Betriebe mit wenigen bis gar keinen Mitarbeitern kaum über finanzielle und soziale Absicherungen. Um sie rechtzeitig auffangen zu können, fordert SWV-Spitzenkandidat Christoph Matznetter die Abschaffung des 20-prozentigen Selbstbehaltes und die Ausbezahlung des Krankengeldes schon ab dem vierten Tag.

Weiters treten die Sozialdemokraten für eine Einkommensteuerentlastung mit einer Senkung der Lohnnebenkosten ein, die durch eine vermögensbezogene Steuer gegenfinanziert werden soll und Betriebsvermögen nicht betrifft. Zusätzlich sollten die SVA-Beiträge für jene herabgesetzt werden, die derzeit eine zu hohe Mindestbeitragsgrundlage zahlen. Weiters soll es einen leichteren Zugang zu Unternehmensfinanzierung sowie alternative Finanzierungsformen wie Crowdfunding geben. Für die rund 70.000 Personenbetreuerinnen will Matznetter ein Mindesthonorar von 1200 Euro und faire Arbeitsbedingungen erreichen.

RfW: Gegen den Kammerzwang und Vorschriftswahn

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Gesinnungsgemeinschaft der FPK Kärnten, FPOE, Klagenfurt am Woerthersee. Bild zeigt Bgm Oleschko, Matthias Krenn, Bgm Veiter Foto: Daniel Raunig

Der Ring freiheitlicher Wirtschaftstreibender (RfW) will zwar nicht die Wirtschaftskammer als Interessensvertretung abschaffen, aber den in Österreich geltenden Kammerzwang. Ziel ist einefreiwillige, leistungsorientierteVertretung. Durch die rot-schwarze Verfassungsänderung sei die Kammer "pragmatisiert" worden. Dies habe dazu geführt, dass keinerlei Strukturreformen mehr stattgefunden hätten. Die Freiheitlichen treten auch für eineZusammenlegung der Krankenversicherungsträger ein, um Mehrfachversicherungen zu vermeiden sowie "komplizierte und lästige Sozialversicherungsbürokratie" zu verhindern.

Weiteres Anliegen ist die umgehende Senkung der Mindestbeitragsgrundlage zur Sozialversicherung (SVA). Eine SVA-Beitragsbefreiung während langer Arbeitsunfähigkeit soll es ebenso geben. Damit könnte ein aktiver Beitrag zur sozialen Absicherung der Unternehmer geleistet werden. Wichtige Forderung des RfW ist auch das Zurückdrängen des "Vorschrifts- und Bewilligungswahnsinns". In Wien heißt die offizielle blaue Liste „ FPÖ pro Mittelstand“. Spitzenkandidat ist Bundesrat Reinhard Pisec. Der RfW nennt sich „ Fachliste der gewerblichen Wirtschaft-RFW“.

Grüne: 100 Euro Kammerumlage für EPU sind genug

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Volker Plass, Bundessprecher der Gruenen Wirtschaft, spricht am Mittwoch (29.06.11) in Wien (Oesterreich) bei einer Pressekonferenz ueber die politische Verantwortung fuer angebliche 23 Millionen Spekulationsverlust der Wirtschaftskammer. Die Wirtschaftskammer Wien muss in Zusammenhang mit der Insolvenz der R-Quadrat-Gruppe mehrere Millionen Euro abschreiben. Foto: Ronald Zak/dapd

Eine grundlegendeKammerreformhaben sich auch die Grünen auf ihre Fahnen geheftet. Sie wollen die sinnlose Zehnfach-Strukturen abschaffen. Die Fraktion fordert dieStreichung der "Kammerumlage 2", um so die Lohnnebenkosten um 300 Millionen Euro pro Jahr zu senken. Mehrfachmitgliedschaften soll es nicht mehr geben und die Grundumlage für EPU soll mit 100 Euro pro Jahr gedeckelt werden. Derzeit seien neun von 10 Selbstständigen durch die Sozialversicherung stärker belastet als durch die Einkommensteuer. Daher fordert die Grüne Wirtschaft eine deutlicheSenkung der SVA-Beiträge und die Zusammenlegung aller Krankenkassen.

Um innovativen Unternehmen nicht länger durch Berufsverbote und bürokratische Schikanen zu behindern, soll die Gewerbeordnung entrümpelt und liberalisiert werden. Für die Grüne Wirtschaft sind auch Begriffe wie Fairness, Ethik und Nachhaltigkeit im Wirtschaftsleben wichtig. "Lebensgrundlagen und eine gesunde Umwelt darf nicht rücksichtslosem Profitstreben untergeordnet werden", heißt es im Programm.

Unos: Budgets offenlegen und WIFI teilprivatisieren

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Markus Ornig

Erstmals bei der WK-Wahl tritt die selbstständige Neos-Liste Unos ("Unternehmerisches Österreich") an. Die Wahlbewegung, die keine Partei sein will, kämpft gegen die "Trutzburg" Wirtschaftskammer, die sich nur noch selbst verwalte.Mitsprache, Transparenz und Servicewerde den Pflichtmitgliedern verweigert, heißt es. Der Wirtschaftsbund sei bisher nicht in der Lage gewesen,die Kammer zu einer modernen Organisation mit effizienten Strukturen umzubauen, noch wolle er das.

Das Programm der Unos zielt neben der Offenlegung aller Budgets auf den Umbau des Kammerapparates ab. Nicht eine geschützte Werkstätte für Funktionäre sei gefragt, sondern ein Angebot, das sich an den Bedürfnissen der Unternehmer, insbesondere der EPU und KMU orientiert. Die Unos fordern ein Ende der Pflichtmitgliedschaft und bis 2019 zumindest einen Erlass für EPUs. Sie wollen die versprochenen Reformen in der Gewerbeordnung anpacken und das Schulungsinstitut WIFI teilprivatisieren. Das WIFI konkurriere mit "firmeninternen Trainings" die eigenen Mitgliedsbetriebe.

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