"Ukraine könnte bis 2030 EU-Mitglied sein"

Die EU-Flagge wird in Kiew entrollt. Der scheidende österreichische Wirtschaftsdelegierte hält ein „bilaterales Weiterwursteln“ für nicht länger möglich.
Brüssel agiere im Umgang mit der Ukraine zu zaghaft, sagt Handelsdelegierter Postl.

Beim EU-Gipfel in Vilnius Ende November geht es für die Ukraine um eine historische Weichenstellung: Mit der geplanten Unterzeichnung des Assozierungs- und Freihandelsabkommens mit der Europäischen Union rückt die ehemalige Sowjetrepublik ein ganzes Stück in den Westen. Ende September gab die Regierung in Kiew grünes Licht für das Abkommen. Nach Ratifizierung in allen Mitgliedsländern könnte es mit einer zehnjährigen Übergangsfrist in Kraft treten und erstmals einen freien Warenverkehr zwischen der EU und der Ukraine ermöglichen. Die Option auf einen EU-Beitritt wird das Assozierungsabkommen ausdrücklich nicht enthalten.

„Ein Fehler“, meint der scheidende österreichische Wirtschaftsdelegierte in Kiew, Gregor Postl: „Dass den Ukrainern keine Beitrittsperspektive geboten wird, ist von der EU schwach und zaghaft“, kritisiert er. Aus Angst, den Handelspartner Russland zu vergraulen, sage Brüssel weder Ja noch Nein zur Ukraine. „Das ist ein gefährliches Spiel und könnte die Ukraine erst recht wieder Richtung Russland treiben.“ Nach nötigen Wirtschafts- und Demokratiereformen (etwa der Fall Julia Timoschenko) sei bis 2030 ein EU-Beitritt möglich, glaubt Postl.

Davon ist das Land aber noch weit entfernt. In der Bevölkerung gibt es ebenso viele Befürworter für ein EU-Abkommen wie für eine Zollunion mit Russland, Weißrussland und Kasachstan. Ein „bilaterales Weiterwursteln“ werde aber nicht länger möglich sein, so Postl, die Ukraine müsse klar deklarieren, wohin sie wolle. Eine Reintegration mit Russland sei nach der Unterzeichnung des Assozierungsabkommens nicht mehr möglich. Russland droht aber bereits mit Einfuhrschikanen, sollte sich die Ukraine abwenden.

Nullwachstum

Wie schon im Vorjahr dürfte die Wirtschaft auch heuer stagnieren. Zudem kämpft das Land mit einem Bevölkerungsrückgang durch Abwanderung. „Vor allem die gut ausgebildeten Jungen gehen weg“, sagt Postl, der sieben Jahre in Kiew verbrachte. Österreichs Handelsbilanz war im ersten Halbjahr 2013 mit rund 17 Mio. Euro positiv, die Exporte stiegen um knapp elf Prozent auf 342 Mio. Euro. Das Land liegt bei den Exporten nur an 27. Stelle.

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