„Die Welt verändert sich“

25hours Hotel in Wien: Sandra Baierl (KURIER) stellte die Fragen, Start-up Gründer Ali Mahlodji und ING-DiBa Chef-Ökonom Carsten Brzeski hatten die Theorien.
Gründer Ali Mahlodji und Ökonom Carsten Brzeski diskutieren über die Zukunft.

Die Welt ist komplex. Es gibt Krisen, Blasen, unsichere Märkte und undurchschaubare Finanzprodukte. In was soll man heute investieren? Was ist sicher, wenn nichts mehr sicher scheint? Schafft die Digitalisierung Jobs – oder vernichtet sie eher welche? Und wie stark hat uns die Finanzkrise tatsächlich getroffen? Zwei, die sich täglich mit diesen Fragen beschäftigen – ein Gründer und ein Ökonom – setzten sich an einen Tisch, um gemeinsam Lösungen zu diskutieren. Der KURIER hakte nach.

KURIER: Ist das Leben teurer geworden?

Ali Mahlodji: Seit meiner Kindheit höre ich, dass es tatsächlich teuer wird. Ich denke daher, diese Entwicklung ist ganz normal. In meinem eigenen Umfeld sehe ich aber, dass sich deshalb keiner begonnen hat, irgendwie einzuschränken.

Konsum ist ein wichtiger Faktor in der Volkswirtschaft. Wie geht es Österreich auf diesem Gebiet aktuell?

Carsten Brzeski: Die Menschen sind wieder konsumfreudiger geworden. Das ist wichtig für das Wachstum, wenn es aber überflüssiger Konsum wird, macht das niemanden glücklich – das schafft keine nachhaltige Wirtschaft. Man sieht: Etliche Preise sind deutlich gestiegen, aber vieles – wie etwa Fernseher oder Computer – ist auch günstiger geworden. Aktuell haben wir in allen europäischen Ländern jedenfalls kein Inflationsproblem. Wir sehen schon leicht steigende Preise, aber die Rohstoffpreise etwa sind extrem gesunken, das Benzin ist billiger geworden, ebenso wie Metalle und Nahrungsmittel.

Wo ist der Unterschied zwischen überflüssigem und nicht überflüssigem Konsum?

Ali Mahlodji: Es ist heute ganz normal geworden, jedes Jahr ein neues Handy zu kaufen und Dinge zu besitzen, die man überhaupt nicht braucht. Das ist ein totaler Luxus, man belohnt sich mit Konsumgütern. Es ist eine paradoxe und perverse Welt. Wir haben uns völlig von der Frage entfremdet: Was hab ich? Was brauche ich?

Unser Wirtschaftssystem ist aber auf Wachstum aufgebaut.

Carsten Brzeski: Und ohne dieses geht es auch nicht. Wir brauchen Arbeitsplätze, der Staat braucht die Einnahmen für Sozialversicherungssysteme, Arbeitslosenhilfe und Pensionssysteme. Die Politiker entscheiden aber über die Zukunft des Wirtschaftssystems. Sie trauen sich aber nicht, stark einschneidende Veränderungen zu machen. Man wird weitermachen, wie bisher.

Ali Mahlodji: Viele Unternehmer sagen heute, sie wollen nicht mehr so stark wachsen, nicht um jeden Preis. Es gibt auch in der Natur keinen Baum, der sich jedes Jahr verdoppelt.

Carsten Brzeski: Die Digitalisierung wird Konsumenten künftig viel mehr Macht geben. So könnte der Kunde schließlich eine Veränderung in der Wirtschaft bewirken.

Was hat die Krise bei Ihnen verändert?

Carsten Brzeski: Für den Einzelnen hat sie kaum was verändert. Österreich hat immer noch eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten von Europa. Wir erkennen nur mittlerweile: Vielleicht können wir nicht mehr so weitermachen, nicht mehr so schnell wachsen, wie vor der Krise. Vielleicht sollten wir uns auf eine längere Periode mit einer positiven Stagnation einstellen. Dann muss sich jeder Wirtschaftsakteur überlegen: Wie stelle ich mich neu auf? Und das fördert die Innovation. Die Krise war zu kurz und zu mild, um wirkliche Veränderungen herbeizurufen.

Ali Mahlodji: Das Schöne an der Krise war, dass die Menschen erkannt haben, dass nichts fix ist.

Sie haben die Digitalisierung angesprochen. Schafft sie oder vernichtet sie Jobs?

Ali Mahlodji: Es ist heute extrem einfach, Lösungen mit Menschen auf der ganzen Welt zu entwickeln – man braucht dazu nur einen Laptop. Innovation findet aber nicht statt, wenn es uns zu gut geht. Und der Mensch ist ein faules Wesen. Aber irgendwo auf der Welt arbeiten immer Menschen daran, schnellere und einfachere Technologie herzustellen. Dadurch werden die großen Betriebe herausgefordert. Ich sehe das als Chance, nicht als Gefahr.

Carsten Brzeski: Die Geschichte hat aber gezeigt, dass es in der technologischen Entwicklung auch immer Verlierer geben wird. Die Digitalisierung soll eigentlich helfen, Prozesse zu erleichtern, Kosten zu sparen, Zeit zu gewinnen. Roboter könnten so 50 Prozent der Jobs verschwinden lassen. Woher kommen dann die neuen Jobs? Niemand kann sagen, welchen wirtschaftlichen Mehrwert die Digitalisierung haben wird.

Reden wir über Geld. Sparen oder investieren Sie?

Ali Mahlodji: Ich habe alles in mein Unternehmen investiert. Ich investiere gerne in Dinge, die ich selbst steuern kann, wie mein oder andere Start-ups.

Carsten Brzeski: Ich habe ein Sparkonto für die Kinder. Aber mein Rat an Investoren ist: Sie sollten ihr Erspartes streuen. Aktien sind eine Option, aber man muss sich sehr genau mit dem System beschäftigen. Gewinne und Rendite gibt es nicht umsonst.

Die Niedrigzinsphase macht Sparbücher unattraktiv, andere Finanzprodukte scheinen dafür sehr kompliziert. Wohin noch mit seinem Ersparten?

Carsten Brzeski: Die Krise hat uns gezeigt, dass komplizierte Produkte kein Erfolg sind. Man muss sich immer überlegen: Was möchte ich mit dem Geld erreichen? Wann brauche ich es wieder?

Ali Mahlodji: Die beste Investition ist eine in sich selbst. Das fängt bei der Bildung an, man muss wissen, wie die Welt und die Finanzen funktionieren. Das ist die einzig sichere Basis, auf die ich setzen kann. Wenn ich in mir ein starkes Fundament trage, bin ich nicht zu anfällig für Krisen.

Wohin entwickelt sich die Wirtschaft im kommenden Jahr?

Carsten Brzeksi: Das Schlimmste liegt hinter uns, der Patient hat die Notaufnahme verlassen. Es geht uns ein bisschen besser, der schwache Euro ist jedenfalls gut für die Industrie. Wir spüren zudem eine starke Nachfrage aus den USA. Es wird spannend, ob Unternehmen nächsten Jahr wieder anfangen, zu investieren.

Ali Mahlodji: Wir hatten noch nie so viele Chancen und Möglichkeiten, wie heute. Und ich habe das Gefühl, dass die Menschen in Zukunft ihre Probleme selbst in die Hand nehmen werden. Wir werden uns selbst positiv überraschen.

INFO: Weitere Informationen und Videomaterial rund ums Thema Geld finden Sie im ING-DiBa Blog: www.ing-diba.at/blog.

Der GründerAli Mahlodji

Mahlodji ist ein erfolgreicher heimischer Start-up Gründer. 2012 hat er sein Unternehmen „Whatchado“ ins Leben gerufen, um Jugendlichen und auch Erwachsenen Orientierung in der Berufswelt zu geben und neue Impulse zu setzen. Die Video-Job-Plattform „Whatchado“ wurde vielfach ausgezeichnet, Mahlodji und sein Co-Gründer und CEO Jubin Honarfar beschäftigen heute 50 Mitarbeiter.

Der Chef-ÖkonomCarsten Brzeski

Seit 2013 ist Brzeski Chef-Volkswirt von ING-DiBa. Er ist seit Anfang 2008 Mitglied des Research Teams der ING Bank und anerkannter Experte für wirtschaftliche und politische Entwicklungen in Deutschland und Europa, einschließlich der Geldpolitik der EZB.

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