Zu billige Aufsichtsräte

Zu billige Aufsichtsräte
Verdienen die Aufseher über Österreichs Unternehmen zu wenig? Ja, meinen Experten. Die Anforderungen werden immer anspruchsvoller. Doch die Gagen sind im internationalen Vergleich äußerst bescheiden.

Der überraschende Abgang von OMV-Aufsichtsratsboss Peter Oswald zeigt das grundsätzliche Problem des österreichischen Aufsichtsrats-Systems auf. Oswald, im Hauptjob als Chef des Papierkonzerns Mondi gut ausgelastet, hatte den zeitlichen Aufwand für die OMV – oft 20 Stunden pro Woche – einfach unterschätzt.

Das Anforderungsprofil für den Nachfolger ist hoch. Ein international herzeigbarer Manager mit viel Erfahrung soll’s wieder werden. Der genügend Zeit hat, um den Öl- und Gaskonzern durch seine schwere Krise zu steuern. Und der sich mit 70.000 Euro Jahresgage zufrieden gibt.

Man darf gespannt sein, wen das Nominierungskomitee auf der Hauptversammlung am 18. Mai präsentieren wird. Wird keine einfache Aufgabe für ÖVP-Staatssekretär Harald Mahrer, SPÖ-Kollegin Sonja Steßl, VIG- Aufsichtsratschef Günter Geyer und Andritz-Boss Wolfgang Leitner. Die vierköpfige Truppe sucht die Aufsichtsräte für die Unternehmen der Staatsholding ÖBIB.

Das Interesse am OMV-Mandat ist überschaubar. Einige potenzielle Kandidaten sollen von vornherein dankend abgelehnt haben. Nur wegen der Ehr’ will sich den Hasardjob keiner antun.

Als Faustregel für die Kontrollore kann gelten: Der Vorsitzende verdient doppelt so viel wie ein einfaches Mitglied. Österreichs bestbezahlter Aufsichtsrat ist mit 146.000 Euro Jahressalär der Wirtschaftsprüfer Friedrich Rödler an der Spitze der Erste Group. Für Anlegervertreter Wilhelm Rasinger gibt’s 80.000 Euro.

Ewald Kirschner, Spitzen-Manager der Stadt Wien, muss sich dagegen als Aufsichtsratschef der Flughafen Wien AG mit knapp 15.000 Euro zufrieden geben. Die oberste Post-Aufseherin, die renommierte Wirtschaftsanwältin Edith Hlawati, bekommt 22.700 Euro. Sie liegt damit gut im Durchschnitt von Österreichs Großunternehmen.

Deutsche Aufsichtsräte kosten solche Gagen nicht einmal ein müdes Lächeln. Die Chef-Kontrollore der im Frankfurter Leitindex DAX gelisteten Unternehmen bekommen im Durchschnitt 365.500 Euro, errechneten die Vergütungsprofis des Beraters Towers Watson.

Deutschlands bestverdienender Aufsichtsrat war jahrelang der 2015 abgetretene VW-Chef Ferdinand Piëch, der zuletzt 1,475 Millionen Euro kassierte. Der Oberösterreicher Paul Achleitner erhält als Aufsichtsratschef der krisengeschüttelten Deutschen Bank rund 808.000 Euro. Lufthansa-Aufsichtsratsvorsitzender Wolfgang Mayrhuber, ebenfalls ein Oberösterreicher, bringt es "nur" auf 300.000 Euro. Gerhard Cromme, Siemens-Vorsitzender, kam im Vorjahr auf rund 608.000.

Dabei sind Deutschlands Aufsichtsräte nicht einmal die Spitzenreiter in Europa. Schweizer und britische Konzerne zahlen oft noch wesentlich mehr.

"In der Vergangenheit galten Aufsichtsratsmandate eher als Ehrenamt ohne große Verantwortung", sagt Peter Malanik, Ex-AUA-Vorstand und heute beim Headhunter DHR International Neumann. Das habe sich radikal geändert, Aufsichtsräte würden immer stärker in die Verantwortung genommen. Mit vier (gesetzliche Mindestzahl) oder fünf Sitzungen ist es längst nicht mehr getan.

"Heute geht kein Aufsichtsrat mehr das Risiko ein, die Unterlagen auf dem Weg zur Sitzung durchzublättern. Ein Aufsichtsrat muss top informiert sein und alles auch verstehen. Schließlich muss er seine Entscheidung gut argumentieren können, wenn was schiefgeht", hält Malanik Aufsichtsratsmandate in Österreich für unterbezahlt. Mittlerweile würden viele Manager von sich aus keine Mandate mehr annehmen, "und etliche Firmen wollen außerdem nicht, dass sich ihre Leute mit den Problemen anderer Unternehmen beschäftigen". 30 bis 40 Tage im Jahr seien für ein einfaches Mandat mindestens notwendig, für den Vorsitz das Doppelte. Bei internationalen Positionen kommt die Reisezeit dazu.

Auch Geyer, einer der einflussreichsten Männer in der heimischen Finanzwelt, auf dessen Rat Bundeskanzler Werner Faymann hört, findet, dass Österreichs Aufsichtsräte "im Vergleich zu anderen Ländern zu nieder entlohnt sind. Für herausfordernde Funktionen und große Unternehmen sollte eine Anpassung an die Nachbarländer erfolgen".

Warum tut sich der 72-Jährige dann für 54.000 Euro Jahressalär den VIG-Aufsichtsratsvorsitz an? Das habe nicht nur damit zu tun, dass "ich seit 40 Jahren in der Gruppe tätig bin und dass ich das Glück hatte, erfolgreich gewesen zu sein". Er fühle sich "innerlich dem Unternehmen verbunden, da ist die Frage der Tantiemen nicht ausschlaggebend".

Eine Art "Berufsaufsichtsräte" sind die beiden Geschäftsführer der B&C-Industrieholding, der ehemalige KTM-Vorstand Patrik Prügger und der vormalige Palfinger-Manager Felix Strohbichler. Sie sitzen in den Aufsichtsräten der Holding-Beteiligungen Lenzing, Amag und Semperit. "Aufsichtsrat ist ein herausfordernder Job, der neben Erfahrung auch viel Zeiteinsatz erfordert. Das hat nichts mit Prestige und Ehrwürdigkeit zu tun", weiß Prügger.

Aufsichtsrat als Hauptberuf, in Deutschland durchaus üblich, wäre auch in Österreich keine schlechte Idee, meint Malanik. Aber dafür müssten die Vergütungen erst recht erhöht werden.

Wenn da nicht der typisch österreichische Neidkomplex wäre, der eine sachliche Diskussion höchstwahrscheinlich unmöglich macht. Der deutsche Personalberater Heiner Thorbog zitierte zur Aufsichtsrats-Debatte den alten Spruch von den Erdnüssen: "If you pay peanuts, you get monkeys."

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