Was heißt ...? Inflation / Deflation

Was heißt ...? Inflation / Deflation
Dreht sich die Preisspirale nach unten, wird es genauso ungemütlich wie bei galoppierenden Preisen.
Was heißt ...? Inflation / Deflation
Auf dem ersten Blick schaut eine Deflation richtig gemütlich aus: Die Preise sinken, dadurch können sich Konsumenten mehr für ihr Geld kaufen – ganz ohne Gehaltserhöhung oder Nebenjob. Klingt gut. Ist aber nur gut, wenn der Grund für die sinkenden Preise Produktivitätsfortschritte sind. Wie etwa bei den Flachbildschirmen, die in asiatischen Fabriken immer billiger produziert und immer günstiger in den Weltmarkt gepresst werden.

Dreht sich die Preisspirale aber auf breiter Front und immer weiter nach unten, wird es schnell ziemlich ungemütlich. Der Grund: Ist absehbar, dass das Auto, die Couch oder der Flachbildschirm nächstes Monat noch billiger werden, schieben Konsumenten die Anschaffungen erst einmal auf.

Das macht jene nervös, die die Waren verkaufen wollen, also die Unternehmen. In ihre Kassen fließt weniger Geld und deswegen geben sie bald auch weniger aus – etwa für neue Maschinen und Produktionsanlagen. Irgendwann drosseln sie die Produktion und reduzieren auch den Mitarbeiterstand. Wer noch einen Job hat, kann sich kollektivvertragliche Gehaltssprünge abschminken. Diese werden unter anderem auf Basis der Inflation und des Produktivitätsfortschrittes verhandelt. Keine Teuerung, keine Gehaltserhöhung. Die Spirale nach unten setzt sich fort.

Deflationsspirale

In einem solchen Teufelskreis von Konsumzurückhaltung, sinkenden Löhnen und Innovationen war auch Japan gefangen. Dabei hatte alles mit einer Inflation angefangen: Die Aktienkurse und Immobilienpreise in Tokio schossen ungebremst in die Höhe. In der Erwartung, das würde so weitergehen, investierten alle kräftig – von Haushalten über Unternehmen bis hin zu Banken. Da die wenigsten so viel Geld hatten, wie sie ausgeben wollten, liehen sie sich Geld aus. Dann platzte die Blase und das Preis-Pendel schlug in die entgegengesetzte Richtung aus. Die Aktien und Immobilien waren immer weniger wert. Was blieb, waren die Schulden bei den Banken, die Private und Unternehmer nicht mehr zurückzahlen konnten. Banken blieben auf den faulen Krediten sitzen und mussten vom Staat gerettet werden.

Die Bank of Japan pumpte Geld zum Nulltarif ins System. Die Geldschwemme sollte den Konsum und die Wirtschaft ankurbeln. Dadurch stieg die Staatsschuld und sank das Vertrauen in die Währung. Während sich die Preisspirale in Japan zu stark nach unten dreht, heben die Preise in anderen Teilen der Welt ab.

Was heißt ...? Inflation / Deflation

In Venezuela hat die Inflation von Mai 2014 bis Mai 2015 mit 108 Prozent den höchsten Stand seit 60 Jahren erreicht. Venezuela ist stark vom Erdölexport abhängig, viele Güter müssen importiert werden und wurden knapp. So kam Venezuela in die Schlagzeilen, weil das WC-Papier ausging. Über die Gründe wurde gestritten. Die einen machten Hamsterkäufe verantwortlich, die anderen die 2003 eingeführten staatlichen Preiskontrollen. Mit dem Ölpreisverfall sind die staatlichen Einnahmen gesunken, gleichzeitig ist die Staatsverschuldung gestiegen. Wenn absehbar ist, dass man morgen noch weniger für sein Geld bekommt, wird so viel wie möglich gleich ausgegeben. Es wird weniger gespart, das Vertrauen ins Währungssystem sinkt.

Billionen-Dollar-Schein

Wie weit die Inflation gehen kann, zeigt der Simbabwe-Dollar. Die höchste Banknote hatte den Nennwert von 100 Billionen Dollar. 2009, am Höhepunkt der Hyperinflation, wurden einfach 12 Nullen bei der Währung gestrichen.

Im Juni 2015 beschloss die Regierung des afrikanischen Landes, die Währung ganz einzustampfen. Für 175 Billiarden Simbabwe-Dollar – das ist eine Zahl mit 15 Nullen – auf dem Konto bekam man gerade einmal 5 US-Dollar.

Monat für Monat geben die Statistikbehörden die Teuerungsrate bekannt. Hinter den Zahlen steckt viel Arbeit. In ganz Österreich sind Testkäufer unterwegs, um die Preise für knapp 800 Produkte und Dienstleistungen zu ermitteln. Die Liste reicht vom Brathuhn über die eCard-Gebühr bis hin zu Spiegelreflexkameras und Ziegelsteinen.

Was heißt ...? Inflation / Deflation
Preisnachlässe durch Kundenbindungsprogramme (Mitgliedschaften, Treuekarten, Bonussysteme), wie sie in Österreich relativ verbreitet sind, fließen nicht in die Inflationsrate ein. Dagegen werden Gratismengen und Mehrfachpackungen als Preissenkung berücksichtigt, genauso wie Schlussverkäufe im Textil-, Schuh- oder Möbelhandel. Unterm Strich fällt in der Berechnung des Verbraucherpreisindex (VPI) nicht die Warenkorbgruppe Nahrungsmittel, sondern Wohnung, Wasser und Energie am stärksten ins Gewicht, gefolgt vom Verkehr. Natürlich gibt es immer wieder Kritik an der Zusammenstellung und der Gewichtung des Warenkorbes. Die gefühlte Inflation stimmt selten mit jener der Statistik überein.

Bei der wahrgenommenen Inflation spielen die Preise für Güter, die oft gekauft werden, eine viel größere Rolle als Wirtschaftsgüter wie Autos oder Waschmaschinen, die seltener gekauft werden. Die Statistik hat darauf mit der Einführung weiterer Warenkörbe reagiert:

Mikrowarenkorb
Er spiegelt den täglichen Supermarkteinkauf wider und umfasst etwa fünf Prozent der Konsumausgaben, die im VPI enthalten sind, vorwiegend für Nahrungsmittel.

Miniwarenkorb
Er umfasst 16 Prozent der Konsumausgaben und soll den wöchentlichen Einkauf abbilden – er beinhaltet deshalb nicht nur Nahrungsmittel, sondern auch Treibstoffe.

PIPH
Pensionistenvertreter hatten moniert, dass die von ihnen vertretene Gruppe weniger von Verbilligungen im Hightech-Segment profitiert, da sie weniger Güter aus diesem Bereich kauft. Dagegen sind Pensionisten von steigenden Lebensmittelpreisen verhältnismäßig stärker betroffen. Der Preisindex für Pensionistenhaushalte (PIPH) hat eine andere Gewichtung als der VPI, enthält aber die gleichen Produkte. So sind etwa Ausgaben für die Gesundheit höher gewichtet als im VPI.

VPI und HVPI
Der nationale Verbraucherpreisindex VPI und der harmonisierte Verbraucherpreisindex HVPI verwenden dieselben Preisdaten, gewichten sie aber unterschiedlich. Alle fünf Jahre werden der Warenkorb und die Gewichtung der einzelnen Positionen angepasst.

Der VPI bildet den Konsum der Inländer ab (Inländerprinzip), der HVPI misst den Konsum im Inland (inkludiert also auch die Ausgaben von Touristen in Österreich). Dadurch sind Hotels, Restaurants und Flugtickets im HVPI stärker gewichtet, während Kosten für Eigentumswohnungen oder motorbezogene Versicherungssteuern nur im VPI eine Rolle spielen. Die Abweichungen betrugen schon bis zu 0,4 Prozentpunkte – ohne eindeutige Tendenz. 2013 war der HVPI höher als der VPI, im Jahr darauf war es umgekehrt.

Verwendung
Der VPI dient als nationaler Inflationsmaßstab (Basis für Lohn- und Kollektivvertragsverhandlungen) und als Wertsicherungsindikator (Anpassung von Verträgen, zum Beispiel Mietverträgen, Unterhaltszahlungen, Bankverträgen). Der HVPI wird von der Europäischen Zentralbank und Europäischen Kommission maßgeblich für wirtschafts- und geldpolitische Entscheidungen verwendet und macht die Mitgliedsländer miteinander vergleichbar.

Preisstabilität
Die Europäische Zentralbank geht davon aus, dass Preisstabilität gewährleistet ist, wenn die jährliche Teuerungsrate unter, aber nahe zwei Prozent liegt.

Von einer Hyperinflation, die fast einer Geldvernichtung gleich kommt, spricht man bei Raten jenseits der 50 Prozent im Monat. In Österreich und Deutschland gab es das zuletzt nach dem Ersten Weltkrieg in den Jahren 1922/’23. Unter Disflation versteht man eine Verringerung des Anstiegs der Preise, jedoch nicht ein Sinken des Preisniveaus (Deflation).

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