Große Lücke bei Risikokapital

Große Lücke bei Risikokapital
Die Umsetzung innovativer Ideen junger Unternehmen scheitert in Österreich oft am Geld.

Eine gesunde Wirtschaft braucht nicht nur solides Wachstum, sondern auch finanziellen Spielraum für die Umsetzung von innovativen Ideen und Forschungsergebnissen. Österreich hat bei letzterem ein grobes Problem: "Der heimische Risikokapitalmarkt ist im internationalen Vergleich unterentwickelt und nutzt das damit verbundene Wachstums- und Beschäftigungspotenzial nicht", kritisiert das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Auch Herbert Paierl warnte im KURIER-Interview, dass Österreich bei privatem Risiko-Kapital hinten nachhinkt (sieh unten).

Im Durchschnitt der Jahre 2007-2012 machten Risikokapitalgeber aus dem In- und Ausland für österreichische Unternehmen eine Summe locker, die nur 0,04 Prozent des Bruttoinlandsproduktes entspricht. Wünschenswert wäre es laut Wifo aber, zumindest das Niveau von Deutschland (0,06 Prozent des BIP) zu erreichen. Im Vergleich zu Dänemark müsste sich die Quote verdoppeln, im Vergleich zu Finnland sogar mehr als vervierfachen.

"Die Ergebnisse aus Forschung und Entwicklung können nur erfolgreich in wirtschaftliche Aktivitäten umgesetzt werden, wenn es ausreichend Gründungskapital gibt", betonte Wifo-Experte Thomas Url am Donnerstag im Gespräch mit der APA.

Investitionssystem verbessern

Damit das Venture Capital besser in Schwung kommen kann, müsste aber das Investitionssystem verbessert werden. So wären etwa "Schwachstellen in der Regulierung" zu beseitigen: "Institutionellen Investoren wie Versicherungen und Pensionsfonds müsste es die Finanzmarktaufsicht leichter machen, in Venture Capital Fonds zu investieren", so der Wirtschaftsforscher.

Die USA haben hier einen Vorsprung: Nachdem dort in den Veranlagungsrichtlinien bereits 1979 klargestellt wurde, dass es für Pensionsfonds mit der kaufmännischen Vorsicht vereinbar und nicht zu riskant ist, einen bestimmten (geringen) Anteil des Kapitals in Venture Capital Fonds zu investieren, kam es zu einem regelrechten Aufschwung der Branche.

Da Investoren ihr Geld nicht versenken wollen, sollten Venture-Capital-Fonds aber auch halbwegs transparent sein. In den USA gebe es beispielsweise Renditezahlen für die in diesem riskanten Bereich seit längerem tätigen Fonds, so Url. Die Geldgeber können daran messen, wie erfolgreich deren Investitionen im hochriskanten Frühphasen- und Wachstumssegment in der Vergangenheit waren.

Ohne ein gewisses Mindestmaß an Venture Capital bleibt das Wissen den Wirtschaftsforschern zufolge an den Unis und die vom Staat getätigten Investitionen in die Bildung tragen nicht ausreichend Früchte in der Wirtschaft. Vor allem in der Frühphase der Risikofinanzierung ist eine Überbrückung notwendig, damit innovativen Projekten der Sprung von der Forschung in die "Realität" gelingt.

International hinkt Österreich bei privatem Risiko-Kapital für aufstrebende Unternehmen weit hinten nach. Ein veritables Standortproblem – kritisiert der ehemalige VP-Politiker und Beteiligungsberater Herbert Paierl. Er appelliert an die neue Regierung, dringend steuerliche Anreize zu setzen.

KURIER: Wirtschaftskammer-Chef Christoph Leitl hat den Standort Österreich als abgesandelt bezeichnet und damit viel Empörung ausgelöst. Hat Leitl möglicherweise doch recht?

Herbert Paierl: Dass Österreich im Vergleich mit anderen europäischen Standorten Defizite hat, ist bewiesen. Beim Thema Finanzierung und Eigenkapital sind andere Standorte moderner und besser aufgestellt als wir. Das ist nicht erst seit dem Wahlkampf so, sondern schon seit Jahren. Die nächste Regierung wird nicht mehr umhin kommen, hier etwas Wirkungsvolles umzusetzen.

Große Lücke bei Risikokapital

Die sogenannte Mittelstandsfinanzierung wurde ziemlich hinuntergefahren. VP-Chef Michael Spindelegger plant jetzt eine Neuauflage.

Das Gesetz für die Mittelstandsfinanzierung läuft 2014 aus, das Instrument hat in den vergangenen Jahren aber ohnehin nicht mehr funktioniert, weil es zu eingeschränkt war auf Kleinstbetriebe und Gründungen. Österreich braucht eine Initiative zur Neubelebung. Ich weiß schon, das ist politisch kein Gassenfeger, aber für die Zukunft wichtiger als je zuvor. Die Welt hat sich verändert, die Banken haben mehr Regularien und sind richtigerweise vorsichtiger bei Krediten. Daher braucht es echtes Eigenkapital. Nichts Kompliziertes, sondern ein steuerliches Incentive, um vorhandenes Kapital umzuleiten.

Aber in Österreich ist ohnehin genügend privates Kapital gebunkert. Wozu schon wieder eine steuerliche Förderung? Keine Förderung, sondern einen steuerlichen Anreiz. Vergleichen Sie Österreich doch international. Warum ist der Anteil an Venture Capital, also Risiko-Kapital für Unternehmen, zum Beispiel in Finnland, Deutschland oder der Schweiz wesentlich höher als bei uns? Es geht nicht um Unternehmen, die gut aufgestellt sind und sich selbst finanzieren können. Ich rede von neuen unternehmerischen Aktivitäten. Das können echte Gründungsfinanzierungen sein, aber auch Unternehmen, die in das nächste Wachstumsstadium gehen. Durch Firmenzukäufe, neue Märkte oder neue Technologien. Für solche Projekte braucht man Eigenkapital, das kann man nicht alles fremd finanzieren. Und dafür muss es einen Impuls geben.

Große Lücke bei Risikokapital

Kritiker werden einwenden, schon wieder was für Reiche. Der kleine Sparer wird sein Gerstl kaum in Risiko-Finanzierungen stecken.

Ich denke ja auch nicht ans Sparbuch der Oma, sondern an Kapitalbesitzer. Denen muss man aber einen Anreiz geben, das Risiko ist ja auch entsprechend. Ausschüttungen sollten bis zu einer gewissen Höhe – sagen wir, bis zu einer Dividende aus einem Kapital von rund 100.000 Euro – steuerlich begünstigt sein. Das Kapital sollte über Venture-Capital-Fonds ausgebracht werden, die von der Finanzmarktaufsicht eingesehen werden. Transparenz muss garantiert werden.

Welche Summen könnten da bewegt werden?

2011 wurden in Österreich über solche Fonds rund 124 Millionen Euro aufgebracht, diese Größenordnung hat sich seither nicht verändert. Eine Milliarde Euro halte ich durchaus für realistisch.

Dann gibt es die von den Banken immer vehement dementierte Kreditklemme also doch?

Alle Banker, mit denen Sie reden, werden Ihnen bestätigen, dass nicht zu wenig Kapital vorhanden ist, sondern dass der gesunde Mix aus Eigen- und Fremdkapital fehlt. Das Kerngeschäft von Banken ist immer noch die Fremdfinanzierung. Aber man kann die besten und innovativsten Projekte nicht fremdfinanzieren, wenn nicht genügend Eigenkapital vorhanden ist. Österreich ist bei Venture-Capital ausgetrocknet. Daher brauchen wir dringend einen Kanal, um Wasser in diese Wüste zu leiten.

Wo würden Sie auf einer Prioritätenliste für den Standort Österreich das Thema Risiko-Kapital reihen? Ganz oben, gemeinsam mit den Bildungs- und Ausbildungsproblemen. Österreich muss ein Zeichen setzen, andernfalls werden wir ein veritables Standortproblem bekommen.

Noch eine Frage zu Ihrer persönlichen Karriere: Sie haben ÖVP-Vergangenheit, waren anfänglich für das Team Stronach im Gespräch, haben dann aber den niederösterreichischen VP-Landeshauptmann Erwin Pröll unterstützt. Haben Sie noch politische Ambitionen?

Ich war auch in meiner aktiven Zeit immer ein politischer Unternehmer und bleibe das auch, aber schlafe gerade zur Zeit nicht bei offenem Fenster, sondern habe mit meinen Firmen genug zu tun.

Alle Interviews zur Serie "Was braucht Österreich? Aufträge an die Politik" finden Sie HIER.

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