Wiener Zeitung: Sanieren oder privatisieren?

Wiener Zeitung: Sanieren oder privatisieren?
Große Hoffnungen auf Aufsichtsratschef Hensel, parlamentarische Anfrage der SPÖ, Spekulationen über Echo Medienhaus

Eine lange Tradition, aber eine höchst ungewisse Zukunft. Auf der Medienenquete wird ÖVP-Minister Gernot Blümel am Donnerstag und Freitag neben dem Hauptthema ORF auch mit Fragen zur Wiener Zeitung konfrontiert werden.

Die Auflage sinkt dramatisch (derzeit 20.000 Stück wochentags und rund 50.000 Stück am Samstag). Das Betriebsergebnis ist seit einigen Jahren negativ und die Regierung will die Pflichtveröffentlichungen im Amtsblatt streichen, womit 15 der 20 Umsatzmillionen wegfallen. Damit wäre die 1703 gegründete Tageszeitung der Republik nicht mehr lebensfähig.

Alle Hoffnungen liegen auf dem Aufsichtsratsvorsitzenden und ehemaligen Rewe-Spitzenmanager Frank Hensel, unter dessen Leitung ein Zukunftskonzept ausgearbeitet wird. „Was kann die zukünftige Geschäftsgrundlage sein, wie soll sich die Zeitung weiter entwickeln“, skizziert Blümel-Sprecherin Iris Müller-Guttenbrunn. Die Abschaffung der Pflichteinschaltungen werde nicht abrupt passieren, sondern gehe Hand in Hand mit der Umsetzung der neuen Strategie.

Privatisierung?

Möglich wäre aber auch eine Privatisierung. Ein Käufer würde wohl nur den Titel übernehmen und nicht die 68 Mitarbeiter große Redaktion samt teurem Mietvertrag im Medienquarter Marx. Noch-Geschäftsführer Wolfgang Riedler mietete zuletzt noch zusätzliche Büros an.

Als potenzieller Käufer wird Christian Pöttler genannt, Chef und Hälfte-Eigentümer des vormals der Wiener SPÖ gehörenden Echo Medienhauses. Pöttler kennt die Wiener Zeitung gut, er war zehn Jahre im Aufsichtsrat. „Mich hat keiner gefragt. Das müsste man sich sehr genau anschauen“, sagt er zum KURIER. „Zuerst die Entscheidungsgrundlagen, dann kann man weiter reden“, will sich Müller-Guttenbrunn zum Thema Privatisierung nicht festlegen.

Die SPÖ versucht nun, mit einer am Mittwoch eingebrachten parlamentarischen Anfrage an den Medienminister Näheres zu erfahren. Ein ersatzloses Streichen der Pflichtveröffentlichungen würde die derzeitige finanzielle Grundlage zerstören und wäre ohne Alternativkonzept „das Ende der langen Geschichte dieser traditionsreichen Zeitung“. „Ich möchte nicht der Totengräber der traditionsreichsten Zeitung des Landes sein und würde mich wundern, wenn mein Nachfolger das wollte“, argumentiert Blümels Vorgänger als Medienminister, Thomas Drozda (SPÖ). Er habe vor einem Jahr Hensel an die Spitze des Aufsichtsrates bestellt, um einen Strategieprozess einzuleiten. Das Konzept müsste vorliegen, meint Drozda. Er kritisiert auch die zeitlich knappe Neu-Ausschreibung der Geschäftsführung.

Riedlers Vertrag endet mit 30. Juni, das Bundeskanzleramt ( BKA) sucht einen Restrukturierer und befristet die neue Geschäftsführung auf drei Jahre. Wird Riedler nicht wieder bestellt, kann er zurück auf seinen Beamtenjob in der steirischen Landesregierung. Der ehemalige, abgewählte Chef der Grazer SPÖ hat einen "Bedienstetenzuweisungsvertrag" mit der Wiener Zeitung. Während seiner Tätigkeit als Medienmanager laufen die Vorrückungen als Beamter weiter.

Die Zeitung fällt laut dem Staatsdruckereigesetz in die Verantwortung des Bundeskanzlers bzw. dessen Medienministers. Operativer Eigentümervertreter ist seit kurzem  der Generalsekretär des BKA, Dieter Kandlhofer. Im BKA sieht man – zu Recht – Handlungsbedarf und tauschte mit der Hauptversammlung 2017 gleich zwei Aufsichtsräte aus. Die SPÖ-nahe ehemalige Gewerkschafterin und Vize-Aufsichtsratschefin Astrid Zimmermann und Marcin Kotlowski ( Wien Holding) mussten gehen. Dass es eine Gewerkschafterin überhaupt auf ein Kapitalvertreter-Mandat schafft, hat Seltenheitswert.

Der Vorwurf, hier würde lediglich politisch umgefärbt, zieht nicht. Die Qualifikation  von Michaela Huber (Ex-Kommunikationschefin der OMV) und Christoph Schmidt (Kabinett Blümel) als neue Aufsichtsräte ist allseits unbestritten.

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