Wiener Städtische: "Wir sind fad, aber berechenbar"

Judit Havasi: „Ich bin fest davon überzeugt, dass wir sicher durch das Zinstal kommen“.
Judit Havasi, Vorstand der Wiener Städtischen Österreich, im Interview.

Viele Kunden von Lebensversicherungen sind in Sorge: Können die Versicherer im Umfeld der tiefen Zinsen ihre Garantieversprechen halten? Der KURIER sprach mit Judit Havasi, Vorstand der Wiener Städtischen Versicherung in Österreich, über die Stabilität der Lebensversicherungen, versteckte Kosten und den völlig transparenten Kunden.

KURIER: Frau Havasi, können Sie einem heute 30-Jährigen guten Gewissens den Abschluss einer Lebensversicherung zur Altersvorsorge empfehlen?

Judit Havasi: Ja. Bei einer Lebensversicherung darf man nicht nur über die Verzinsung sprechen. Da würde man die wirklichen Werte vergessen.

Und die wären?

Es geht um die Abdeckung der Risiken der Langlebigkeit. Die Menschen werden immer älter. Pro Jahr kommen drei Monate dazu. Das kann ausschließlich eine Versicherung abdecken. Nur sie zahlt aus dem Kapital eine Rente auf Lebenszeit.

Beim aktuell extrem niedrigen Zinsniveau kann aber nicht viel Rente herauskommen ...

Die Versicherungen in Österreich versprechen einen Garantiezins, der jetzt noch 1,75 Prozent pro Jahr beträgt. 2015 wird er für Neuabschlüsse auf 1,5 Prozent reduziert. Wir schaffen allerdings eine viel höhere Rendite. Heuer liegt die Gesamtverzinsung bei uns bei 3,25 Prozent.

Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Die Versicherungen verrechnen doch hohe Gebühren, die meist gut versteckt sind ...

Die Kosten sind in den Versicherungsbedingungen sehr transparent aufgelistet. Ich gebe zu, dass die Bedingungen nicht wirklich kurz gefasst sind. Von den 3,25 Prozent Rendite kommen 0,8 Prozent Verwaltungs- und Abschlusskosten pro Jahr weg, dann noch vier Prozent Versicherungssteuer und eine Risikoprämie. Effektiv beträgt die Verzinsung damit 1,9 Prozent.

In Deutschland sind Lebensversicherungen unter Druck, weil sie die hohen Garantiezins-Versprechen nicht mehr leisten können. Müssen Lebensversicherungs-Kunden in Österreich Ähnliches befürchten?

Es gibt einen großen Unterschied zwischen Deutschland und Österreich. Versicherungen hierzulande haben im Durchschnitt um einen Prozentpunkt niedrigere Garantiezinszusagen gegeben als die deutschen Versicherer. Wir haben eine sehr geringen Anteil an Lebens-Polizzen mit einem Garantiezins von vier Prozent. Die Mehrheit unserer Verträge liegt bei drei Prozent.

Wie kann die Versicherung bei Marktzinsen nahe null noch drei Prozent Rendite erwirtschaften?

Die Veranlagungslandschaft in Österreich ist ein bisschen besser als die in Deutschland. Unsere Bundesanleihen rentieren etwas höher. Traditionell legen wir das Kapital der Kunden sehr langfristig an – nicht nur in Staatsanleihen, auch in Immobilien und Darlehen. Wir haben ein sehr breit gestreutes Portfolio und spielen regelmäßig viele Zinsvarianten durch. Wir sind fad, aber berechenbar und sicher. Wir sind fest überzeugt, dass wir gut durch dieses Zinstal kommen.

Dennoch hat die Europäische Versicherungsaufsicht EIOPA die Versicherungen kürzlich auf ihre Stress-Resistenz geprüft. Wie gut haben heimische Lebensversicherer diesen Test bestanden?

Die Wiener Städtische ist sehr gut aufgestellt, weil wir über deutlich mehr als das gesetzlich geforderte Maß an Eigenkapital verfügen.

Denkt die Wiener Städtische so wie die Konkurrenz über eine Lebensversicherung ohne Garantiezins nach?

Wir erkennen die Attraktivität dieses Produkts nicht. Die Garantie ist ein Grundwert der klassischen Lebensversicherung. Wir möchten den nicht aufgeben. Besonders bei den tiefen Zinsen sind Garantien sehr wertvoll.

Ausländische Versicherungskonzerne machen Kunden das Liefern von Detaildaten über deren Lebensführung mit Prämiennachlässen schmackhaft. Ist so ein Angebot auch in Österreich zu erwarten?

Wir stützen unsere Berechnungen in der Lebensversicherung auf Daten der Volkszählung und einige Angaben der Kunden. Wir brauchen nicht mehr Transparenz vom Kunden und daher auch keine weiteren Daten. Unsere Mitarbeiter beschäftigen sich zudem nicht mit Daten von Einzelpersonen sondern mit den Gesamtdaten. Ich halte das Produkt für einen netten Marketing-Gag, wir werden so etwas nicht anbieten. Eine Differenzierung bei den Prämien gibt es allerdings: Raucher zahlen eine höhere Prämie. Ansonsten gilt das Prinzip des Kollektivs: Die Gemeinschaft der Versicherten steht für Schäden Einzelner.

Hat das Pensionskonto die Nachfrage nach Lebensversicherungen beeinflusst?

Die Bevölkerung ist sehr interessiert an der Altersvorsorge. Das Pensionskonto hat zu einer deutlichen Zunahme der Anfragen geführt. Vor allem Lebensversicherungen mit Einmal-Erlägen werden jetzt wieder verstärkt abgeschlossen. An den Boom um die Jahrtausendwende kommen wir allerdings nicht heran. Heute sind die Menschen nachdenklicher und tendieren eher wieder zur klassischen Lebensversicherung.

Gibt es nach den vielen Flops noch Nachfrage nach Zukunftsvorsorge-Produkten?

Ja, die Nachfrage ist gut. Bei der Wiener Städtischen gab es auch keine einzige Zukunftsvorsorge, bei der die Verzinsung ausgefallen ist. Wir geben auf die Zukunftsvorsorge die gleiche Rendite wie auf die Lebensversicherungen. Heuer sind das eben 3,25 Prozent. Der Anteil der Aktienveranlagung in der Zukunftsvorsorge liegt aktuell bei etwa 15 Prozent. Das Produkt hat einige große Vorteile – etwa, dass keine Versicherungssteuer anfällt und dass der Staat eine Prämie auf die Einzahlungen drauflegt. Wir schließen die Zukunftsvorsorgeverträge zudem so wie die Lebensversicherungen langfristig bis zum Beginn des Rentenalters ab. Daraus ergibt sich eine größere Sicherheit der Erträge.

Die 39-jährige Judit Havasi ist seit 2000 im Konzern der Vienna Insurance Group tätig. Sie begann in der Union Biztosító als Mitarbeiterin der Innenrevision, die sie ab 2003 leitete. Vor ihrer Berufung 2009 in den Vorstand der Wiener Städtische Versicherung AG gehörte Dr. Havasi dem Vorstandsausschuss Wiener Städtische Österreich in der Vienna Insurance Group an und fungierte als Vorstandsmitglied der Union Biztosító in Ungarn. Seit 2013 ist Havasi Generaldirektor- Stellvertreterin der Wiener Städtischen Versicherung.

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