So weit, so gut. Doch wie bewerten Branchenvertreter bzw. Stakeholder die Vorhaben der Regierung?
„Das Kapitel zur Stärkung des Kapitalmarktes ist sehr allgemein verfasst“, sagt Christoph Boschan, Chef der Wiener Börse. „Der geplante Ausbau der betrieblichen Altersvorsorge bzw. ein stärkerer Fokus auf die zweite und dritte Säule des Pensionssystems ist zu begrüßen. Es kommt nun darauf an, welche konkreten Maßnahmen folgen.“
Handschrift des Stillstands
Florian Beckermann, Vorstand des Interessenverbands für Anleger (IVA), ortet in den Vorhaben der schwarz-rot-pinken Regierung zum Kapitalmarkt eine „Handschrift des Stillstands“. Das Programm sei „unkonkret“ und „unambitioniert“, etwa fehlt ihm eine Abschaffung der Kapitalertragssteuer (KESt) auf Wertpapiere nach einer Behaltefrist. Damit werde eine Chance verpasst, den Markt für eine „breite Masse zugänglich zu machen“.
„Das Regierungsprogramm ist in Bezug auf den Kapitalmarkt noch etwas vage“, sagt Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung (IV). „Hier gibt es noch Raum für Ausgestaltung, um den heimischen Kapitalmarkt und die Rahmenbedingungen, für diejenigen Menschen, die gerne vorsorgen wollen, zu stärken.“
Für Sebastian Firlinger, Chef der Kommunalkredit, setzt das Regierungsprogramm „richtige Impulse für nachhaltige Infrastruktur und die Energiewende. Aber: Öffentliche Gelder allein werden nicht reichen, um den enormen Finanzierungsbedarf in Energie und Infrastruktur zu decken. Es braucht eine klare Strategie zur Mobilisierung privaten Kapitals, sonst bleibt das Ziel unerreichbar.“
Klientelpolitik
Für Lukas Feiner, einer von zwei Geschäftsführern der Metis Invest GmbH, die Vermögensverwaltungstochter der Merkur Versicherung, bleibt abzuwarten, „ob Klientelpolitik und Sozialpartnerschaft, wie wir sie aus früheren Großen Koalitionen kennen, dieses Mal die Wirtschaft und die Kapitalmärkte in Österreich beflügeln können“. Mit Blick auf die neue Regierung herrsche an den Märkten überwiegend Gelassenheit. Kurioserweise legte der Wiener Leitindex ATX trotz Absenz einer handlungsfähigen Regierung seit den Wahlen im September um mehr als 18 Prozent zu. „Die Abwesenheit von politischen Störgeräuschen scheint die rezessionsgeplagte Wirtschaft nur wenig zu stören.“
Wertpapierbesitz in Österreich steigt weiter
30 Prozent der Österreicher investieren in Aktien & Co. / Private Pensionssicherung als Motiv gewinnt an BedeutungDie Zahl der heimischen Wertpapierbesitzer steigt sukzessive. Waren es vor zwei Jahren noch 25 Prozent, so stieg diese Zahl auf aktuell 30 Prozent. Das zeigt die jährlich von Peter Hajek durchgeführte repräsentative Umfrage „Aktienbarometer“ unter 2.000 Österreichern ab 16 Jahren im Auftrag der Industriellenvereinigung, des Aktienforums und der Wiener Börse.
21 Prozent der Österreicher besitzen demnach Investmentfonds bzw. ETFs, 16 Prozent Aktien und 8 Prozent Anleihen (Mehrfachnennungen möglich). Von den bestehenden Wertpapierbesitzern haben im Vorjahr 15 Prozent keine Investments getätigt, hingegen 30 Prozent mehr als 5.000 Euro (siehe Grafik). Rund ein Drittel setzt nur auf heimische Titel, 28 Prozent nur auf ausländische Unternehmen und weitere 31 Prozent auf beides. Rund ein Viertel jener Menschen, die aktuell noch keine Wertpapiere besitzen, haben Interesse am Erwerb.
Neben dem langfristigen Vermögensaufbau (für 79 Prozent der Befragten relevant) und Werterhalt (74 Prozent) rückt die Pensionsvorsorge (57 Prozent) zunehmend in den Fokus der bestehenden Anleger. Im Vorjahr waren es erst 49 Prozent.
IV-Präsident Georg Knill leitet daraus einen notwendigen Paradigmenwechsel in der Pensionspolitik ab. „Ein weiter wie bisher ist keine Option. Es benötigt eine Entlastung der staatlichen Systeme und eine Stärkung der zweiten und dritten Säule.“
Angelika Sommer-Hemetsberger, Präsidentin des Aktienforums, sieht Österreichs Pensionssystem in starkem Kontrast zu kapitalmarktorientierten Ländern wie Dänemark oder den Niederlanden. „Dort gibt es erfolgreiche Modelle, die zeigen, wie es funktionieren könnte. Dort stecken über 200 Prozent des BIP in kapitalgedeckten Pensionsplänen. Österreichs Wert ist mit nicht einmal 7 Prozent verschwindend gering.“ Dadurch müsse Österreich einen weit höheren Anteil der Wirtschaftsleistung für die öffentliche Pension aufwenden.
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