Wie Wohnen leistbarer wird
Der Vorschlag der Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou, in der Bundeshauptstadt eine gesetzliche Mietobergrenze von sieben Euro pro Quadratmeter einzuführen, hat eine hitzige Debatte über die Leistbarkeit des Wohnens ausgelöst. „Ich will erreichen“, sagte die Chefin der Wiener Grünen, „dass eine etwa 60 Quadratmeter große Wohnung inklusive Betriebskosten nicht mehr als 500 Euro kosten muss.“
Die Realität sieht freilich anders aus. Wie eine Schnellrecherche auf der KURIER-Immobilienbörse im Internet ergab, muss man aktuell für eine rund 60 Quadratmeter große Wohnung beispielsweise im 7. Wiener Gemeindebezirk 840 Euro inklusive Betriebskosten hinblättern. Das sind rund zwölf Euro Miete pro Quadratmeter.
Ein deshalb immer häufiger vorgebrachter Vorschlag, wie man das Mietrecht vereinfachen könnte, ist, den Zuschläge-Dschungel zu durchforsten. „Der Lagezuschlag sollte komplett gestrichen werden“, fordert Georg Niedermühlbichler, Präsident der Mietervereinigung Österreich. Bei den sonstigen Zuschlägen sollte ein Deckel bei 25 Prozent des Richtwerts eingezogen werden. Essenziell sei es auch, dass die Zuschläge künftig transparent im Mietvertrag aufgelistet werden.
Jörg Wippel, Chef des privaten Wohnbauträgers WVG, sieht auch die Notwendigkeit, die Befristung von Mietverträgen deutlich zu erschweren. Die Befristung habe nur zu einem „Stadtnomadentum“ und zu höheren Preisen geführt.
Freilich muss aus Vermietersicht angeführt werden, dass eine unbefristete Vermietung einer Quasi-Enteignung gleichkommt. Die geltende Rechtslage macht es dem Vermieter nur schwer möglich, ungeliebte Mieter wieder aus der Wohnung zu bekommen. Hier besteht ebenso rechtlicher Reparaturbedarf, wie bei „Friedenszins-Wohnungen“ . Ein Drittel der Mietverträge in Wiener Gründerzeithäusern sind Altmieter mit Mietzinsen von zwei oder drei Euro, „die nicht einmal die für die Erhaltung des Hauses notwendigen Maßnahmen sichern“, führt der Verband der Immobilienwirtschaft an.
Das wahre Problem hinter den steigenden Mieten für Neuverträge sieht Josef Schmidinger, Chef der s-Bausparkasse, im viel zu geringen Neubau in Wien. „Wir bräuchten 7000 bis 8000 neue Wohnungen im Jahr, gebaut werden nur 4000“, sagt er. Genau da könnte Vassilakou etwas tun. Sie sollte die Flächenwidmung beschleunigen. Den Bauträgern fehlten Grundstücke in Wien. Auch durch eine Verbesserung der Infrastruktur könnte die Vize-Bürgermeisterin den Neubau erhöhen.
Das zweite Problem liege in den enorm gestiegenen Betriebskosten – und diese Teuerung ist wieder von der Stadt selbst gemacht: Die Tarife für Wasser und Müll sind geradezu explodiert.
Michael Pisecky, Fachverbandsobmann der Immobilientreuhänder, betont, dass in den vergangenen zehn Jahren viele Altbauwohungen saniert worden seien. Das sei ein Grund für die höheren Mietpreise. Käme eine Obergrenze für Privatvermieter würden Investitionen in Wohnungsverbesserungen daher kaum noch getätigt werden.
Einer der stärksten Treiber der heimischen Inflationsrate sind, neben den Mietkosten, bereits traditionell die Energiepreise. Im September lag die allgemeine Teuerung bei 2,7 Prozent. Die Energiepreise alleine zogen aber um mehr als sieben Prozent an, rechnet die Österreichische Energieagentur vor.
Vor allem die mehr als 800.000 Besitzer von Ölheizungen mussten tief in die Tasche greifen. Die Heizölrechnung stieg im Vergleich zum Vorjahr um fast zwölf Prozent. Zuletzt musste im Österreichweiten Durchschnitt mehr als ein Euro pro Liter bezahlt werden (bei Kleinverbraucher-Abnahme von 2000 bis 5000 Litern).
Auch die Autofahrer legten im September deutlich mehr Geld ab als vor einem Jahr, im Durchschnitt rund neun Prozent.
Zuletzt kam es beim Sprit aber zu einer leichten Entspannung. Vor allem Superbenzin entfernte sich von den absoluten Höchstpreisen. Ein Liter kostet derzeit rund 1,38 Euro.
Die Warnung der Bundesbank vor einer Immobilien-Blase in ihrem „Stabilitätsbericht“ hat ein großes Echo ausgelöst. Der größte Vermögensverwalter des Landes, die Allianz-Versicherung in München, schloss sich der Einschätzung an, die Bundesregierung und die Sparkassen sehen sie als verfrüht.
Die deutschen Währungshüter sorgen sich wegen der rascher als früher steigenden Preise vor allem für Wohnraum in den großen Städten. Eine Preisblase konstatieren sie zwar noch nicht, aber den Weg dahin: „Bei niedrigen Zinsen und hoher Liquidität wie derzeit kann es rasch zu Übertreibungen kommen“, so Andreas Dombret, Vorstand der Bundesbank, die die rasche Geldvermehrung der Europäischen Zentralbank heftig kritisiert.
In den sieben größten deutschen Städten stiegen 2011 die Neubau-Preise um 9,1 Prozent, 2010 waren es nur 3,4 Prozent. An der Spitze liegt München mit 3700 Euro/Quadratmeter und damit um ein Drittel mehr als 2009. Erstklassige Lagen dort legten zuletzt um bis zu 30 Prozent zu - in 12 Monaten. Starke Zuwächse hat auch Hamburg, die Lieblingsstadt österreichischer Investoren, und Berlin, da aber von niedrigem Niveau.
Es ist die „Flucht ins Betongold“ angesichts der Staatsschuldenkrise, analysiert die Bundesbank, vor allem von Privatleuten. Und nicht nur von Deutschen, auch von Ausländern, meldet die Immobilien- Wirtschaft: Weil der „Primemarkt“ in London und Paris überkauft ist und sich dort auch die Rahmenbedingungen verschlechtern, weicht viel Fluchtgeld nach Deutschland aus. An der Spitze der Käufer von Luxusimmobilien etwa in Berlin stehen derzeit Griechen vor Russen und Italienern. In Regionen mit wenig Wirtschaftskraft und unattraktiven Städten hingegen fallen die Wohnungspreise.
Die Bundesbank warnt auch vor der Kredit- Finanzierung von Käufen: „Zu optimistische Erwartungen steigender Preise haben auch zur US-Blase beigetragen.“
R. Frauscher, Berlin
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