Wie die Arbeitszeit flexibler werden kann
Was lange währt, wird endlich gut. Nach jahrelangen Streitereien haben sich die Sozialpartner in der Maschinen- und Metallwarenindustrie jetzt doch noch auf ein modernes, flexibles Arbeitszeitmodell geeinigt. Schon ab 1. Juli tritt es – vorerst befristet bis 2019 – für rund 120.000 Beschäftigte in der Branche in Kraft. Im Kern handelt sich um ein neues Jahresarbeitszeitmodell mit Zeitkonten, das auf Betriebsebene eingeführt werden kann – aber nicht muss.
Die Normalarbeitszeit kann übers Jahr flexibel verteilt werden, ohne dass im Schnitt 38,5 Stunden pro Woche überschritten werden. Die Grenzen der bisherigen Normalarbeitszeit mit 9 Stunden pro Tag und 45 Stunden pro Wochen bleiben unangetastet. Zusätzliche Arbeit muss spätestens zwei Wochen vorher angekündigt werden, Zeitguthaben können über mehrere Jahre angesammelt und abgebaut werden, wobei auch ein späterer Abbau im Rahmen der Altersteilzeit möglich ist.
Sowohl die Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmerseite sprach nach der Einigung von "gelebter Sozialpartnerschaft". Vorteile gibt es auf beiden Seiten: Betriebe können besser auf Auftragsschwankungen reagieren, die Beschäftigten können ihre Arbeitszeit zumindest teilweise mitgestalten. Letzteres wird sich wohl erst in der Praxis zeigen. Während die Industriellenvereinigung (IV) auf eine Verlängerung der gesetzlichen Tagesarbeitszeit beharrt, sieht Sozialminister Alois Stöger die Metaller-Einigung als "Vorbild auch für andere Branchen". Aber lässt sich das Modell so einfach umlegen?
Mehr im Betrieb
Experten sehen mehr flexible Gestaltungsmöglichkeiten auf betrieblicher Ebene innerhalb von Gesetz und Kollektivvertrag als Gebot der Stunde. Insbesondere in der Industrie. Der Grund: Ein fixer Rahmen passe längst nicht mehr auf alle Betriebe in einer Branche. So brauchen Konzerne, die im beinharten globalen Wettbewerb stehen, andere Lösungen als Klein- und Mittelbetriebe, die nur auf lokaler Ebene tätig sind. "Die Kollektivverträge sollen Überblicksregeln festlegen, aber Ausnahmen auf Betriebsebene ermöglichen", schlägt etwa IHS-Arbeitsmarktexperte Helmut Hofer vor.
Das Problem: Gibt es im Betrieb keine oder nur eine schwache Arbeitnehmervertretung, geraten die Beschäftigten schnell unter Druck. Wird zu viel auf Betriebsebene verlagert, schwächt es den Einfluss der Sozialpartner auf überbetriebliche Lösungen. Weltkonzerne mag dies zwar freuen und ihnen auch nutzen, aber Gewerkschaften nehmen den Machtverlust sicher nicht hin (siehe Frankreich).
Schon jetzt lässt das Arbeitszeitgesetz viel Spielraum für Branchen- und betriebliche Lösungen, der noch viel mehr genutzt werden könnte. Beispiele dafür sind Jahresarbeitszeitmodelle im Gesundheits- und Sozialwesen sowie am Bau oder die "Freizeitoption" in einigen Industriebranchen. Ein Abtausch mehr Freizeit statt mehr Lohn wird auch von vielen Arbeitnehmern begrüßt. Flexibler Arbeiten ist auch eine Frage des guten Kompromisses.
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