Werber werben um Lehrlinge, aber wer bildet sie aus?
Kreative Selbstverwirklichung, freie Zeiteinteilung, trendige Outfits und coole Partys am Abend: Die Werbebranche profitierte jahrelang von einem glamourösen und hippen Image. Junge Talente rannten den Agenturen die Türen ein, mehr Bewerber als offene Stellen waren die Regel. Das war einmal. Geburtenrückgang und Trend zur Selbstständigkeit haben das Blatt gewendet. Plötzlich machen Werbe- und PR-Agenturen dieselbe Erfahrung, die Wirte und Handwerker schon lange kennen: Sie finden keinen Nachwuchs.
Für knapp ein Viertel der befragten Werbe- und PR-Agenturen ist der Arbeitskräftemangel mittlerweile das größte Hindernis ihrer Geschäftstätigkeit, geht aus einer WIFO-Umfrage im Auftrag des Fachverbandes Werbung und Marktkommunikation in der WKO hervor. Mangels Personals könnten Aufträge nicht angenommen werden. Die an sich gute Werbekonjunktur hat laut WIFO-Werbeklimaindex über den Sommer etwas nachgelassen.
Angelika Sery-Froschauer, Obfrau des Fachverbandes Werbung und Marktkommunikation, spricht von einem „All-Time-High beim Arbeitskräftemangel“. Einen Grund dafür sieht sie auch in der Digitalisierung. „Die Portfolios in den Werbeagenturen haben sich in den vergangenen Jahren massiv verändert, das führt auch zu r Veränderung bei den benötigten Qualifikationen.“ Besonders gefragt seien etwa Experten im Bereich Social Media, Datenanalyse, Web-Development oder Online-Marketing.
Modulare Ausbildung
Um die Fachkräftelücke auch längerfristig zu schließen, startet der Verband jetzt eine große Lehrlingsoffensive. Dazu wird ab Herbst die neu adaptierte, modular aufgebaute, dreijährige Ausbildung zum Medienfachmann/frau angeboten. Dabei können Jugendliche aus vier Schwerpunkten wählen: Web Development & audiovisuelle Medien; Grafik, Print, Publishing, audiovisuelle Medien; Online-Marketing und Agenturdienstleistungen. Die ersten 100 Lehrstellen dazu wurden dem AMS bereits gemeldet.
Den Lehrberuf Medienfachmann/frau gibt es zwar schon länger, ausgerechnet die Werber bilden aber kaum aus. Durch den Trend zur Höherqualifizierung an zahlreichen Akademien, Fachhochschulen und Unis wurde die Nachwuchsarbeit in den Betrieben jahrzehntelang vernachlässigt. Es mangelt auch an einen österreichweit einheitlichen Kollektivvertrag. In 235 Lehrbetrieben werden gerade einmal 396 Lehrlinge ausgebildet, davon 187 zum Medienfachmann/frau. Eine äußerst magere Bilanz in einer boomenden Branche mit immerhin 25.000 Mitgliedsbetrieben in Österreich.
Einzelkämpfertum
Weiteres Problem: Die Branche „vereinsamt“. Schon zwei Drittel der Betriebe sind Ein-Personen-Unternehmen (EPU), die sich nach Uni oder FH als selbstständige Werbetexter, Grafik-Designer oder PR-Berater durchschlagen. „Die Lehre kommt im Bewusstsein vieler Betriebe gar nicht mehr vor“, weiß auch Sery-Froschauer, dass es noch viel Promotion für die duale Ausbildung braucht. Sie selbst bilde immer wieder Jugendliche aus und könne es nur weiterempfehlen.
Auch EPU will der Verband als Ausbildner gewinnen – und zwar im Rahmen von Ausbildungsverbünden; mehrere EPU teilen sich einen Lehrling und decken so die gesamte Ausbildung ab. Ein Modell, das wegen kurzer Wege besonders für Wien geeignet ist. Hier gibt es mit Abstand die meisten EPU.
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