Wer beim EU-Roaming-Aus draufzahlt

Telefonieren wie zu Hause: Rechtzeitig zum Sommerurlaub 2017 wird Roaming innerhalb der EU kostenlos.
Kleinere Mobilfunkanbieter bangen um ihre Existenz, die Handy-Tarife im Inland dürften steigen

Eine Europäische Union, ein Telekommunikationsmarkt: Ab 15. Juni 2017 wird die Vision vom grenzenlosen Telefonieren und Surfen ohne zusätzliche Roaming-Gebühren innerhalb der EU Realität. Nach langem Hin und Her liegt ein Entwurf der EU-Kommission vor, der im wesentlichen besagt, dass die Kosten für Roaming in die nationalen Tarife eingerechnet werden müssen.

Um Missbrauch zu verhindern, etwa dass Handy-Nutzer eine billige SIM-Karte aus dem Ausland dauerhaft im Inland nutzen, sind Schutzklauseln vorgesehen. Wie die jedoch konkret aussehen, ist unklar, die Formulierungen sind schwammig. Mitte Dezember soll die endgültige Fassung des Kommissionsvorschlages vorliegen. Doch schon jetzt regt sich heftiger Widerstand gegen das verordnete Roaming-Aus.

Mobilfunkunternehmen ohne eigener Netz-Infrastruktur (Mobile Virtual Network Operator, MVNO) bangen schlicht um ihre Existenz. Sie müssen trotz Wegfalls der Roaming-Einnahmen weiterhin hohe Netzbenützungsgebühren an die Betreiber bezahlen. Mehrkosten, die sie nicht schlucken können. "Großkonzerne stecken die Kosten von der linken in die rechte Tasche, im EU-weiten Wettbewerb sind wir chancenlos", fasst es Michael Krammer, Chef von Ventocom ("HoT") zusammen. Sollte die Regelung so kommen wie geplant, würden nur einige wenige Telekomkonzerne in Europa überleben. Krammer ist mit seiner Kritik nicht allein. EU-weit haben sich mehr als 20 kleinere Mobilfunker zu einer Lobby gegen das Roaming-Aus formiert. In Summe haben sie 80 Millionen Kunden.

Weniger Wettbewerb

"Die Sorgen sind absolut berechtigt", findet auch Österreichs Telekom-Regulator Johannes Gungl, der vor negativen Auswirkungen auf den nationalen Wettbewerb – und damit auf Preise und Investitionen – warnt. In Zeiten der Telekom-Konsolidierung hätten gerade die MVNO dafür gesorgt, dass die Handy-Tarife zuletzt wieder gesunken sind. Die EU-Kommission müsse die Vorleistungspreise so regulieren, dass auch kleinere Anbieter existieren könnten.

Die Zeche für das kostenlose Roaming werden letztlich die Handy-Kunden selbst zahlen – über höhere Inlandstarife. Selbst der international bestens vernetzte Marktführer A1 schließt nicht aus, die Inlandstarife anheben zu müssen. "Mit der neuen Roaming-Regelung werden die Betreiber einen erheblichen Teil des Umsatzes verlieren. Entsprechend werden sich alle Unternehmen mit dieser Problematik auseinanderzusetzen haben", heißt es vorsichtig aus der Pressestelle. Als Tourismusland haben die heimischen Mobilfunker jahrelang von den Roaming-Einnahmen profitiert, jetzt werden zehn bis 15 Prozent des Umsatzes einfach wegreguliert.

Die Handy-Tarife für alle anzuheben, damit wenige, vornehmlich "besser gestellte, viel reisende Business-Kunden," davon profitieren, hält Krammer für eine "falsche Umverteilung von unten nach oben". In Österreich haben rund 50 Prozent aller Mobilfunk-Kunden noch nie Roaminggebühren bezahlt, 80 Prozent nutzen das Handy im Ausland maximal 14 Tage lang, also zumeist im Urlaub.

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