„Selbstverständlich werden da Mails in der Nacht bearbeitet oder nach Dienstschluss Arbeiten erledigt, die man zuvor nicht geschafft hat“, schildert die Mitarbeiterin am Beruflichen Bildungs- und Rehabilitationszentrum (BBRZ). Freund weiß aber anderseits auch von Unternehmen, die um 19 Uhr ihr Mailsystem sperren: „Sie wollen eben nicht, dass ihre Mitarbeiter in der Nacht arbeiten.“
Und das durchaus auch aus Eigeninteresse – überarbeitete, gestresste Mitarbeiter, die nie genug Zeit zur Erholung haben, werden eher krank oder steuern auf ein Burn-out zu.
Schon vor drei Jahren hat die Arbeiterkammer in einer Umfrage ermittelt: Vier Fünftel der Befragten gaben an, auch im Urlaub, Krankenstand oder in der Freizeit für den Arbeitgeber immer erreichbar zu sein. Die Hälfte war überdies überzeugt, dass von ihnen erwartet werde, auf Anrufe oder Mails alsbald zu antworten.
In Frankreich wurde hier schon vor vier Jahren ein Riegel vorgeschoben: Ein weltweit einzigartiges Gesetz gibt Arbeitnehmern in Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern das Recht, sich außerhalb der Dienstzeit digital auszuklinken. Anrufe oder Mails des Chefs dürfen unbeantwortet bleiben, ohne dass Nachteile entstehen.Ähnliches schwebt nun dem EU-Parlament vor. Weil es aber selbst keine Gesetze vorschlagen darf, wird es die EU-Kommission ersuchen, eine entsprechende Regulierung auf europäischer Ebene auszuarbeiten.
In Österreich, meint Silvia Hruška-Frank, „brauchen wir kein Gesetz für Nichterreichbarkeit. Bei uns sind die Spielregeln des Arbeitszeitgesetzes ganz klar: Arbeitszeit ist Arbeitszeit. Und Freizeit ist Freizeit“, sagt die Leiterin der sozialpolitischen Abteilung der Arbeiterkammer Wien zum KURIER. Im Falle von Rufbereitschaft gelte dies als Arbeitszeit.
Doch im Alltag am Computer im Homeoffice sieht es oft anders aus. Da achten laut einer Ifes-Studie (Institut für empirische Sozialforschung) 40 Prozent der Befragten im Homeoffice nicht darauf, die Ruhezeiten einzuhalten.
Hruška-Frank aber beobachtet noch viel Besorgniserregenderes: „Die Menschen gehen weniger in den Krankenstand, weil sie sich denken, wenn ich ohnehin daheim bin, schaffe ich das schon irgendwie. Oder Mütter nehmen sich keine Pflegefreistellung für ihr krankes Kind – im Glauben, sie hätten kein Recht dazu, wenn sie daheim seien.“
Das Gefühl ständig erreichbar sein zu müssen, meint Psychologin Ruth Freund, entspringe oft auch „falsch verstandener Loyalität – gegenüber Kollegen oder dem Arbeitgeber“.
„Letztlich muss das jeder selber regeln – Wann schalte ich mein Handy ab? Wo sind meine Grenzen? Das fängt schon bei der Mittagspause an: Sitze ich mit dem Weckerl vor dem Computer oder stehe ich auf, öffne das Fenster und schaue einfach raus oder mache ein paar Ausgleichsübungen?"
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