Weltwirtschaft tritt kräftig auf die Bremse

Symbolbild
Erwartungen für globale Konjunktur sind so negativ wie seit 2009 nicht mehr. Ifo-Weltwirtschaftsklima wandelt nahe der Rezession.

Die Lage ist gerade noch gut, der Ausblick allerdings miserabel. So ließe sich der aktuelle Ausblick für die Weltwirtschaft prägnant zusammenfassen.  

Das Weltwirtschaftsklima, ein vom deutschen Ifo-Institut erhobener Vorlauf-Indikator, spiegelt das deutlich wider: Zum Jahresbeginn 2019 ist der Wert zum vierten Mal in Folge gefallen. Und das dieses Mal kräftig, von  -2,2 auf -13,1 Punkte.

Weltwirtschaft tritt kräftig auf die Bremse

Was bedeutet das konkret? Das Ifo-Institut befragt seit 1989 vierteljährlich Wirtschaftsexperten aus vielen Ländern, wie sie die aktuelle Lage beurteilen und wie ihre Erwartungen für die nächsten sechs Monate aussehen. An der jüngsten Ifo-Erhebung nahmen 1293 Forscher aus 122 Ländern teil.

Aus diesem Stimmungsbild lässt sich ein recht treffsicherer Vorlaufindikator für die Wirtschaftsentwicklung ableiten. Das aktuelle Bild sieht so aus: Das Weltwirtschaftsklima ist seit Anfang 2018 auf Talfahrt geschwenkt. Besonders auffällig: Die Erwartungen sind viel, viel negativer als die Lage.

Wirtschaft ist Psychologie

So negativ wie jetzt, Anfang 2019, waren die Erwartungen zuletzt vor zehn Jahren, Anfang 2009, am Höhepunkt der Wirtschaftskrise. Na und? Wen kümmert's, wenn Experten schlechte Laune haben, könnte man meinen.

So einfach ist es nur leider nicht. Negative Stimmung und Verunsicherung trüben nicht nur die Laune von Ökonomen, sondern ziehen auch die harten Konjunkturdaten mit sich nach unten. Zum Beispiel, weil Unternehmen in unsicheren Zeiten vorsichtiger agieren und weniger investieren.

„Wirtschaft ist zu 50 Prozent Psychologie“, wusste schon der Architekt des deutschen Nachkriegs-Wirtschaftswunders, Ludwig Erhard. Und momentan gebe es ein regelrechtes Lehrstück dazu, wie „eine fundamental solide Wirtschaft von Risiken und Unsicherheiten in die Knie gezwungen wird“, analysierte ING-Chefökonom Carsten Brezski jüngst.

Zurück zu 2009 und 2012?

Wie nahe die aktuellen Ifo-Daten an den Rande einer Rezessionserwartung gerückt sind, zeigt auch die sogenannte "Konjunkturuhr" (Grafik unten). Was im ersten Moment wie ein wirres Wollknäuel aussieht, soll das Auf und Ab des Wirtschaftszyklus im Verlauf der Jahre darstellen. In bester Ordnung ist alles im Viereck rechts oben: Hier werden Lage und Ausblick positiv bewertet. 

Kritisch wird's im Viereck links unten, wo sowohl die Lage als auch der Ausblick negativ beurteilt werden. Das war zuletzt nur im Krisenjahr 2009 und nach den Griechenland-Turbulenzen 2012 der Fall. Jetzt könnte es bald wieder der Fall sein, wenn auch die Beurteilung der aktuellen Situation durch die befragten Experten ins Negative rutscht.

Risikofaktoren

Die Gründe für die negative Einstellung vieler Experten sind rasch gefunden:  Der Handelskonflikt zwischen den USA und China belastet die Weltwirtschaft. In den USA ist das Strohfeuer durch die Steuerreform nun verpufft, der Verwaltungsstillstand dämpfte zuletzt den Optimismus der privaten Haushalte.

Und in den schier unendlichen Brexit-Wirren zeichnet sich momentan eher der schlimmste Unfall (Chaos-Brexit) statt einer Lösung ab.

Weltwirtschaft tritt kräftig auf die Bremse

USA stechen negativ heraus

Das bleibt nicht ohne Folgen: „Das Wirtschaftsklima verschlechterte sich insbesondere in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften. Dabei stachen insbesondere die USA heraus mit einem Einbruch der Erwartungen und der Lagebeurteilung“, kommentierte Ifo-Chef Clemens Fuest die Umfrage-Daten.

Aber auch für die EU revidierten die Experten ihre Einschätzungen deutlich nach unten. Dagegen blieb das Wirtschaftsklima in den Schwellen- und Entwicklungsländern fast unverändert, nachdem es in den zwei Quartalen zuvor stark rückläufig war. Im Nahen Osten und in Nordafrika kühlte sich das Klima stark ab.

Die Experten erwarten ein schwächeres Wachstum des privaten Konsums, der Investitionen und des Welthandels. Zwar geht weiterhin eine Mehrheit der Befragten von einem Anstieg der kurz- und langfristigen Zinsen aus, deren Anteil ist aber stark zurückgegangen. Sie rechnen mit einer weltweiten Abwertung des US-Dollars.

WIFO: Österreich noch „robust“

Angesichts der weltweiten Belastungen erweise sich die österreichische Konjunktur als robust, analysierte das heimische Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO am Montag. Die Indikatoren wiesen aber auch hier mehrheitlich auf einen Abschwung hin.

Günstiger als in Deutschland, wo sich die Autobranche noch nicht von der schlechten Vorbereitung auf neue Abgastests erholt habe, entwickelte sich die Wirtschaft zuletzt in Frankreich und Spanien, aber auch in Österreich.

Die Konjunkturdynamik ließ hierzulande bisher laut WIFO nur mäßig nach, die Unternehmen hätten noch ordentlich Arbeit. Ähnlich wie in Deutschland seien die heimischen Industrieunternehmen allerdings kaum mehr zuversichtlich für die kommenden Monate.

Der Rückgang der Arbeitslosigkeit sei Anfang 2019 ins Stocken geraten, insbesondere unter Risikogruppen wie älteren Menschen, die ohnehin erst spät vom Wirtschaftsaufschwung profitiert hätten. Umgekehrt nahm jedoch die Zahl der offenen Stellen, üblicherweise ein Frühindikator für den Konjunkturverlauf, wieder kräftig zu.

Die Konjunktursignale sind demnach in Österreich laut WIFO derzeit gemischt, deuteten aber mehrheitlich auf einen Abschwung hin.

Unruhe in deutschen Chef-Etagen

Zuletzt war auch das deutsche Pendant des Vorlaufindikators, das Ifo-Geschäftsklima, schon auf spektakuläre Talfahrt geschwenkt und den tiefsten Wert seit Februar 2016 gefallen. „In den deutschen Chefetagen wächst die Unruhe“, sagte Ifo-Chef Fuest

Weltwirtschaft tritt kräftig auf die Bremse

Für diesen Index wurden 9000 Unternehmen befragt, wie ihre aktuelle Geschäftslage ist und was sie für die nächsten sechs Monate erwarten. Bedenklich ist, dass auch hier die Schere zwischen (noch guten) Geschäften und (stark fallenden) Erwartungen weit aufgeht.

Besonders negativ sind die Erwartungen in Industrie und Handel. Brzeski glaubt, Deutschland könne „mit einem blauen Auge“ davonkommen; der Brexit passiere allerdings zum schlechtestmöglichen Zeitpunkt.

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