ILO: „Risiko sozialer Unruhen wächst“

Policemen try to escape a fire from a petrol bomb during riots at a May Day rally in Athens May 1, 2010. REUTERS/John Kolesidis (GREECE - Tags: POLITICS BUSINESS EMPLOYMENT CIVIL UNREST)
Die Internationale Arbeitsorganisation ILO warnt vor Krawallen in der Eurozone.

Krisenalarm bei den Vereinten Nationen: Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) warnt in ihrem aktuellen Weltarbeitsmarktbericht vor sozialen Unruhen wegen Massenarbeitslosigkeit. Gemeint ist aber nicht etwa Nordafrika oder Südamerika, sondern die Europäische Union (EU), insbesondere die Eurozone. Dort erreichte die Arbeitslosigkeit ein Rekordhoch von zwölf Prozent bzw. 24 Prozent bei den Jungen. Zugleich geht die Einkommensschere weiter auf.

Ein fataler Mix. Die ILO misst die Gefahr von sozialen Unruhen nach einem Index, der Arbeitsmarktlage, Lebensstandard und Vertrauen in die jeweilige Regierung berücksichtigt. Nach diesem Index hat sich in der EU die Gefahr von Krawallen und gewalttätigen Ausschreitungen von durchschnittlich 34 Prozent im Jahr 2006 auf 46 Prozent im Jahr 2012 erhöht. Am stärksten habe das Unruhe-Risiko in den Krisenländern Zypern, Griechenland, Italien, Portugal, und Spanien zugenommen. In Spanien schnellte die Arbeitslosenquote zuletzt auf 27 Prozent in die Höhe, die Jugendarbeitslosigkeit sogar auf 56 Prozent. Aber auch in Österreichs Nachbarländer Tschechien und Slowenien sieht die ILO eine Zuspitzung der sozialen Lage. Maßgeblich schuld ist für die UN-Organisation die teils dramatische Sparpolitik in den Krisenstaaten der Eurozone. „Die Zunahme des Risikos sozialer Unruhen in der EU ist wahrscheinlich ein Ergebnis der politischen Reaktionen auf die Staatsschuldenkrise und deren Auswirkungen auf das Leben der Menschen sowie deren Wahrnehmung von Wohlstand“, heißt es unmissverständlich in dem Bericht. Besorgt ist die ILO über den Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit in der EU. Schon mehr als 40 Prozent der Arbeitslosen hätten bereits länger als ein Jahr keine Arbeit.

Österreich

Positiv erwähnt werden im Bericht über den EU-Raum die Arbeitsmärkte in Österreich, Ungarn, Luxemburg, Malta, Polen und Rumänien. In diesen Ländern liegt die Beschäftigung über dem Vorkrisenniveau von 2008. Die Einkommensungleichheit hat im Zeitraum von 2010 bis 2011 aber auch in Österreich leicht zugenommen.

Ohne „entschlossene Gegenmaßnahmen“ wird laut ILO die Zahl der Menschen ohne Job bis 2015 um acht Millionen auf weltweit 208 Millionen steigen. Die größte Zunahme wird in den europäischen und anderen industrialisierten Ländern erwartet, während in sogenannten Entwicklungsländern die Beschäftigung steigt. Grund dafür ist auch eine Verlagerung der Investments.

Auch der Wonnemonat Mai brachte nicht die ersehnte Frühjahrs-Belebung am heimischen Arbeitsmarkt. Im Gegenteil: Die Zahl der beim AMS gemeldeten Arbeitslosen stieg inklusive Schulungsteilnehmer im Vergleich zum Vorjahr um 9,5 Prozent auf einen Rekordwert von 330.300 Personen.

Insbesondere die Baubranche (+15 Prozent) und die Industrie (+11 Prozent) bekamen im Mai die schwache Konjunkturentwicklung – und damit Investitionszurückhaltung – voll zu spüren. Männer waren daher vom Anstieg der Arbeitslosigkeit stärker betroffen als Frauen, den Bundesländervergleich führten Oberösterreich und Kärnten an (siehe Grafik).

Da die Lage am Arbeitsmarkt nun schon seit mehr als einem Jahr angespannt ist, verfestigt sich die Arbeitslosigkeit immer mehr. So stieg die Zahl jener, die seit mehr als einem Jahr keine neue Stelle finden, um 22,3 Prozent auf 6258 Betroffene. Dies ist deshalb bemerkenswert, als das AMS spätestens bei einer Vormerkung von sechs Monaten Schulungsmaßnahmen einleitet. Und die Zahl der Schulungen wurde im Mai erneut um fast 8000 Teilnehmer kräftig ausgeweitet, besonders in Wien.

ILO: „Risiko sozialer Unruhen wächst“
Deutlich zweistellige Zuwachsraten gab es trotz Schulungsoffensive auch bei jenen Gruppen, die am schwierigsten einen Job finden: Personen mit gesundheitlichen Vermittlungseinschränkungen, Ältere über 50 Jahre sowie Ausländer.

Trüber Ausblick

Während Arbeitsminister Rudolf Hundstorfer schon ab Herbst mit einer „leichten Entspannung und einem allmählichen Anziehen der Konjunktur“ rechnet, sind die Arbeitsforscher des Instituts Synthesis pessimistischer. Laut einer vom AMS in Auftrag gegebenen Prognose rechnen sie trotz leichter Wirtschaftserholung frühestens 2016 mit einem Rückgang der Arbeitslosigkeit. Gründe sind unter anderem die Reformen bei der Invaliditätspension sowie der nach wie vor starke Zustrom von Frauen auf den Arbeitsmarkt.

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