Was von "Made in Austria" übrig blieb

Die heimischen Modemarken lassen vor allem in Rumänien und Ungarn fertigen.

Nach dem Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesch mit mehr als 1100 Toten will die Modebranche einen Schlussstrich unter die Serie von Unglücken in Billigfabriken ziehen. Durch die Unterzeichnung eines Abkommens, das bessere Arbeitsbedingungen vorsieht, wollen Branchenriesen wohl nicht zuletzt ihr ramponiertes Image als Ausbeuter von billigen Arbeitskräften abstreifen.

Für die österreichische Bekleidungsindustrie war die Produktion von Massenware zu Billigstpreisen, wofür asiatische Fabriken bekannt sind, nie ein Thema. Der Grund: In Österreich ist die Branche von Klein- und Mittelbetrieben geprägt, die den Fachhandel beliefern. Die Stückzahlen sind relativ klein, geliefert muss mitunter auch sehr kurzfristig werden. „Österreich lässt deshalb vor allem in Süd- und Osteuropa produzieren“, erklärt Josef Pitnik, der die Berufsgruppe Bekleidungsindustrie in der Wirtschaftskammer leitet. Allerdings werden die Warenströme oft umgeleitet. Weil sich in Ungarn die Autoindustrie angesiedelt hat, ist das Lohnniveau gestiegen und die Textilbranche unter die Räder gekommen. Viele Aufträge wurden – wie auch in der Slowakei – abgezogen. In Ungarn werden nur noch halb so viel Teile für österreichische Firmen gefertigt wie vor zehn Jahren. Am häufigsten lassen die Betriebe in Rumänien nähen, gefolgt von Ungarn und Bulgarien.

Rund 15 Prozent der von der heimischen Bekleidungsindustrie verkauften Waren werden noch in Österreich gefertigt. „Das ist eine relativ hohe Quote, die von Firmen wie Wolford und Triumph getragen wird“, sagt Pitnik. Zum Vergleich: Die deutsche Bekleidungsindustrie fertigt nur zwei Prozent ihrer Waren im eigenen Land. Rund 40 Prozent der Teile lassen die deutschen Modemacher in asiatischen Fabriken nähen. Auch aufgrund der hohen Stückzahlen, die große deutsche Marken wie Tom Tailor oder Esprit fertigen lassen. Österreichs Bekleidungsindustrie lagert gerade einmal zehn Prozent der Aufträge nach Asien aus. „Länder wie Bangladesch, Indien und Pakistan wären gar nicht in der Lage, in der Qualität zu liefern, die unsere Betriebe brauchen“, meint Pitnik. Er verweist auch auf die hohen Sozial- und Umweltstandards in der EU.

150 Betriebe

In Österreich gibt es noch 150 produzierende Bekleidungsunternehmen mit 7650 Mitarbeiter und einer Milliarde Euro Umsatz. Die meisten davon sind in Ober-, Nieder- und Westösterreich. Die Branche bildet derzeit 46 Lehrlinge in der Produktion aus. Die Exportquote beträgt 70 Prozent. Am stärksten eingebüßt hat die einst stolze Textilindustrie in Vorarlberg, auch wenn hier noch Konzerne wie Wolford ihren Sitz haben. Wolford produziert allerdings seit 2010 verstärkt in einem neuen Werk in Ostslowenien. Die Lohnminute in Österreich ist mit 0,66 Euro verhältnismäßig teuer. Zum Vergleich: In Spanien kostete sie 0,24, in der Türkei zwischen 0,10 und 0,12 Euro.

Der Schweizer Dessoushersteller Triumph fährt seine Produktion in Österreich gerade stark zurück, schließt zwei Werke und streicht 350 Stellen. Nach dem Abbau sollen noch 1140 Beschäftigte übrig bleiben. Noch rund 200 Mitarbeiter beschäftigt der deutsche Miederwarenhersteller Anita in seiner Fertigung in Matrei/Tirol. Firmenchef Georg Weber-Ungar will „als letzter Mohikaner“ am Standort festhalten, Spezial-Know-how bei den Näherinnen und regionale Nähe hätten auch seine Vorteile. Es dürfe nicht das ganze Wissen nach Fernost abwandern, warnt der Anita-Chef.

Eine Stoffproduktion in Vorarlberg mit 130 Mitarbeitern leistet sich auch noch der Wäschekonzern Huber, die Konfektionsware wird in Portugal, Rumänien und China gefertigt. Weitere Betriebe mit Österreich-Fertigung sind etwa Trachtenspezialist Tostmann (100 Prozent), Sportalm Kitzbühel oder die Linzer Goldhauben-Webe.

Ist die Zeit der Hungerlöhne in Asien bald vorbei? Der mediale Druck auf die westlichen Modekonzerne hat nach der Fabrikseinsturz-Katastrophe in Bangladesch zu ersten Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen geführt. Die Rechte der 3,5 Millionen Textilarbeiter in den 4000 Fabriken in Bangladesch werden gestärkt, unabhängige Gewerkschaften erlaubt, der gesetzliche Mindestlohn von rund 30 Euro monatlich angehoben. Dies versprach zumindest die Regierung.

Branchenriesen wie H&M und die spanische Zara-Mutter Inditex versprechen, die Arbeitsbedingungen in dem asiatischen Billiglohnland verbessern zu wollen. Sie stimmten einer Vereinbarung zu‚ die die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), internationale Gewerkschaften wie IndustrieALL und andere ausgearbeitet haben. Die Eckpunkte: Stärkung der Arbeitsrechte, eine höhere Gebäudesicherheit mit mehr Brandschutz, bessere Ausbildung sowie finanzielle Unterstützung. Auch die deutsche Modekette C&A, der Kaffeeröster Tchibo und der Textildiskonter Primark wollen das Abkommen unterzeichnen. Michaela Königstorfer von der Clean-Clothes-Kampagne in Österreich zieht eine positive Bilanz. „Der Horror in Bangladesch muss endlich ein Ende haben.“

Nicht nur in Bangladesch, auch in anderen asiatischen Produktionsstandorten steigen die Löhne. Laut ILO hob unlängst China die Mindestlöhne um 19 Prozent auf knapp 200 Euro im Monat an, Malaysia erhöhte um 50 Prozent auf 228 Euro, Indonesien um 40 Prozent auf 173 Euro im Monat. Auch in Thailand trat zu Jahresbeginn eine Lohnerhöhung in Kraft. Innerhalb von zehn Jahren haben sich in Asien die Löhne inflationsbereinigt verdoppelt, errechnete ILO. Im Vergleich zu Europa und den USA sind sie aber immer noch extrem niedrig.

Dennoch verlagern Konzerne ihre Fertigung zunehmend in noch billigere Destinationen wie Kambodscha, Burma, Laos, Haiti oder Afrika. „Die Karawane wandert immer weiter, aber ich denke, wir haben das Ende nun erreicht“, hofft ILO-Lohnspezialist Malte Luebker.

Wollen Konsumenten wissen, wo ein Kleidungsstück hergestellt wurde, werden sie nicht selten in die Irre geführt. Ganz legal. Ein Regelwerk, das genau festlegt, welche Be- und Verarbeitungsschritte an einem Produkt zu setzen sind, um etwa „Made in Austria“ anzubringen, existiert nicht. Die EU schreibt nur recht vage vor, das Land als Herkunftsland zu bezeichnen, in dem „die letzte wesentliche, wirtschaftlich gerechtfertigte Be- und Verarbeitung“ vorgenommen wurde. Ein paar letzte Handgriffe im Inland und schon kann die Lohnfertigung im Billiglohnland verschleiert werden. Falsch-Deklarierung wäre aber unlauterer Wettbewerb.

Pläne der EU, „Made in ...“-Kennzeichnung nur noch zu erlauben, wenn mindestens 45 Prozent der Wertschöpfung aus diesem Land stammen, liegen auf Eis. Das 2004 eingeführte, freiwillige Label „Made in the EU“ wird in erster Linie von osteuropäischen Ländern verwendet.

Immer mehr Hersteller greifen zu Marketing-Labels wie „Made by ...“, „Designed in ...“ oder „Developed in ...“, die freilich nichts über den Fertigungsort aussagen. Neueste Verschleierungstaktik für „Made in China“ ist „Made in PRC“ (steht für People’s Republic of China). Faire Arbeitsbedingungen kennzeichnen Labels wie GOTS „Global Organic Textile Standard“ oder „Fairtrade“.

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