Warum es im Herbst an den Börsen stürmisch werden könnte
Internationale Aktienanleger hatten bis zum Sommer durchaus Grund zur Freude. An vielen Börsen kletterten – nach dem Schreckensjahr 2022 – die Indizes nach oben. Doch seit einigen Wochen lahmt die Entwicklung. Nach dem üblichen sommerlichen Durchhänger ist kein nachhaltiger Aufschwung nach oben in Sicht. Im Gegenteil, es geht wieder abwärts. Könnten im Herbst nicht nur die Blätter, sondern auch die Kurse fallen?
„Für Aktien sehen wir insgesamt kurzfristig Vorsicht geboten, auch wenn es individuell betrachtet durchaus noch einige positive Trends gibt“, sagt etwa Fabiana Fedeli, Chief Investment Officer bei der Fondsgesellschaft M&G Investments. Michael Schönhaut, Portfoliomanager bei JP Morgan Asset Management, weist auf eine Besonderheit im heurigen Jahr hin. „Die Aktienrally wurde nur von einigen wenigen Titel getrieben. Während die Top-10-Aktien im MSCI World All Country Index fast ausschließlich aus dem Technologiesektor waren und bis Ende September um 66 Prozent zulegten, gewann der restliche Markt nur 3,6 Prozent.“
Schein-Performance
n der Tat sorgte Technologie und hier vor allem der Hype um Künstliche Intelligenz bei Anlegern für einen unglaublichen Hype. Die Techbörse Nasdaq legte heuer um 35 Prozent zu und konnte sich auch in den vergangenen Wochen dem Negativtrend ziemlich entziehen. „Das erzeugte teilweise eine ’Scheinperformance’, denn insbesondere viele sicherheitsorientierte Investoren setzten nicht auf einzelne High Flyer“, erklärt Felix Düregger von der Schoellerbank.
Ebenfalls ein gutes Bild zeichneten japanische Aktien, die heuer schon 20 Prozent im Plus sind.
Weniger gut lief es in Europa. Der Frankfurter DAX hat nach dem Erreichen eines Allzeithochs Ende Juli sukzessive abgebaut und liegt nun nur noch sieben Prozent im Plus, der britische FTSE 100 und der österreichische ATX leicht im Minus. Ebenfalls nicht prickelnd lief es in vielen Schwellenländern.
Dass es vor allem in Europa nicht so toll läuft, erklärt Felix Düregger von der Schoellerbank mit der hartnäckigen Inflation. Sie entwickle sich bereits das gesamte Jahr über rückläufig. Dennoch bleibe vor allem die Kerninflation (ohne Energie und Nahrungsmittel) hartnäckig. Dies treffe auch auf die USA zu, wobei die Gesamtinflation deutlicher zurückginge.
Die relativ hohe Inflation trifft in Europa auf eine schwache Konjunktur. Einsolches Szenario bringe Notenbanken in eine verzwickte Situation, so Düregger. Weitere Zinserhöhungen würden die Wirtschaft weiter schwächen. Tue sie nichts, dann bleibe die Inflation hoch.
Noch nicht der Zeitpunkt zum Einsteigen
Diese Gemengelage macht es für (professionelle) Investoren schwierig. „Die Zinsen werden wohl länger hoch bleiben als gedacht“, sagt Fedeli. „Das setzt den Aktienmärkten zu. Aus unserer Sicht ist immer noch nicht der Zeitpunkt gekommen, um breit einzusteigen. Unternehmen müssen sich weiterhin mit hohen Zinsen, einer schwachen Nachfrage und der ständigen Herausforderung zur Innovation auseinandersetzen.“ Aktien aus dem Bereich Infrastruktur oder von Unternehmen mit Lösungen zur Reduzierung der CO2-Emissionen sowie technologischen Innovationen wie KI könnten aber Chancen bieten. Eine interessante Alternative seien auch langläufige Staatsanleihen.
Schönhaut von JP Morgan empfiehlt Dividendentitel. Deren Kurse hätten im Durchschnitt heuer nur um 2 Prozent zugelegt und damit gebe es noch Potenzial nach oben. Die US-Investmentgesellschaft Fidelity rät Anlegern weiter zu Investments in Japan und Schwellenländern ausgenommen China. Aber auch sie empfehlen, um Europa (ausgenommen Großbritannien) bis auf Weiteres einen Bogen zu machen.
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