Österreichs Antwort auf die Alterung: Arbeitslose und Frauen sollen es richten

Zusammenfassung
- Österreich sieht eine Alterung der Bevölkerung mit sinkender Geburtenrate und dominierender Altersgruppe 65+ als Herausforderung für Pflege, Gesundheitssystem und Pensionen.
- Lösungsansätze umfassen die Erhöhung der Erwerbstätigkeit von Arbeitslosen und Frauen, wobei 86 % der Österreicher diese Maßnahmen unterstützen.
- Forderungen nach mehr Männerbeteiligung in Erziehungs- und Pflegearbeit könnten Frauen entlasten und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern.
Die Alterung der Gesellschaft schreitet munter voran, die Geburtenrate in Österreich ist auf ein Allzeittief gesunken, die Zuwanderung ist umstritten und spaltet die Bevölkerung. Was für die einen das große Glück eines längeren, hoffentlich gesunden Lebens bedeutet, bringt Pflege, Gesundheitssystem, Pensionen und damit die Politik zunehmend unter Druck. Längst ist die Rede von einer tickenden demographischen Zeitbombe, vor allem auch für das ohnehin hochdefizitäre Budget der Republik.
In ihrem neuesten Wissenschaftsbarometer hat sich die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) deshalb mit diesem brisanten Thema beschäftigt. Die Ausgangssituation ist besorgniserregend: Ab dem Jahr 2045 wird bereits mehr als jede zehnte Person in Österreich 80 Jahre oder älter sein, denn die Bevölkerung wächst nur noch in der Gruppe 65+. Das verschiebt sukzessive das Verhältnis zwischen Erwerbstätigen und Pensionisten.
Aktuell kommen auf eine Person im Alter 65+ statistisch gesehen 3,1 Personen im Haupterwerbsalter von 20 bis 64. Schon 2042, also in wenigen Jahren, werden auf einen Pensionisten nur noch zwei Personen im Erwerbsalter kommen. Darauf verwies Statistik Austria-Chef Tobias Thomas in einem gemeinsamen Pressegespräch mit ÖAW-Präsident Heinz Fassmann und Jutta Allmendinger, Bildungssoziologin und Arbeitsmarktforscherin von der Berliner Humboldt-Universität.
Hier liegt Österreich deutlich unter dem EU-Durchschnitt
Laut Thomas arbeitet hierzulande nicht einmal jeder zweite Mann zwischen 60 und 64 (47,8 %). Bei Frauen, wo das Pensionsantrittsalter erst jetzt schrittweise auf die 65 Jahre der Männer angehoben wird, sind es 23,9 Prozent.
Das bedeutet in Summe, dass Österreich bei der Erwerbsbeteiligung Älterer (55- bis 64-Jährige) mit durchschnittlich 57,3 Prozent deutlich unter dem EU-Durchschnitt von 63,9 Prozent liegt. In Ländern wie Schweden, Estland, den Niederlanden oder auch Deutschland, wo das Regelpensionsalter auf 67 angehoben wurde, liegt der Wert klar über 70 Prozent.
Was Herr und Frau Österreicher wollen
Daher wurden in einer repräsentativen Studie 1.500 Österreicher und Österreicherinnen vom Gallup-Institut im Auftrag der ÖAW befragt, was tun, um die Auswirkungen des demographischen Wandels, auszugleichen.
Das zentrale Ergebnis: Herr und Frau Österreicher wollen, dass Arbeitslose und Frauen mehr arbeiten.
Die Aussage, Arbeitslose sollen verstärkt angehalten werden, einer Erwerbsarbeit nachzugehen, unterstützen 86 Prozent. Im Detail meinen 66 Prozent, diese Maßnahme sollte möglichst schnell umgesetzt werden. Weitere 20 Prozent meinen, der Schritt ist wichtig und sollte in Zukunft umgesetzt werden.
Auf Platz zwei rangiert die Erhöhung der Frauenerwerbstätigkeit, durch eine verbesserte Vereinbarkeit von Beruf und Familie (85 Prozent dafür). Die Bevölkerung zu mehr Eigenverantwortung und Vorsorge anregen (Pensionsvorsorge) erhielt immerhin noch 77 Prozent Zustimmung.
Vergleichsweise wenig Zuspruch erhält dagegen der Lösungsansatz, das gesetzliche oder tatsächliche Pensionsantrittsalter zu erhöhen (52 Prozent). Unbeliebter ist nur, die Sozialversicherungsbeiträge zu erhöhen, um die durch die Alterung gestiegenen Kosten zu finanzieren (49 Prozent).
Warum heutige Männer "nicht wie ihre Väter leben wollen"
Für Allmendinger ist ein verstärktes Einbinden von Männern in die Erziehungs- und Pflegearbeit ein zentraler Lösungsansatz. Nur so könnten Frauen Job und Familie unter einen Hut bringen. Aktuell könnten sich Frauen meist nur entscheiden, ob sie ihre Mutterrolle, die Pflegearbeit oder ihren Job zum Wohle der jeweils anderen Rollen vernachlässigen. Frauen seien oft schlichtweg nicht mehr bereit, die dreifache Last zu tragen und setzen zunehmend auf ihre eigene Absicherung durch Erwerbstätigkeit, wodurch die Geburtenrate sinkt.
Und: Wenn Kinderbetreuungsgeld sich nach dem Einkommen bemisst, können sich viele Familien eben nicht leisten, auf beispielsweise ein Drittel des Geldes, das der Mann ohne Karenz heimbringen würde, zu verzichten. Eine Erhöhung würde mehr Männer in die Karenz bringen, so die Forscherin. Dazu komme: Studien würden eindeutig zeigen, dass ein großer Teil der heutigen Männer "nicht wie ihre Väter leben wollen", die oftmals nur eine höchst rudimentäre Beziehung zu ihrem Nachwuchs aufbauen konnten. Das sei ein Faktor, den die Politik vielfach auch unterschätze.
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