VÖSI-Chef: "EPU sollen Lehrlinge ausbilden"

VÖSI-Chef Peter Lieber hält die Förderung für den ersten Mitarbeiter für viel zu bürokratisch.
IT-Branche: Bald mehr Selbstständige als Beschäftigte. VÖSI-Chef Peter Lieber regt Ausbildungsnetzwerke an.

Österreichs Wirtschaft "vereinsamt" zusehends. Heuer dürfte die stark wachsende Zahl an Ein-Personen-Unternehmen (EPU) erstmals die 300.000er-Marke knacken. Damit beschäftigten schon rund 60 Prozent aller Betriebe in Österreich keinen einzigen Mitarbeiter mehr. In der Sparte Information & Consulting wird das Verhältnis Unternehmen zu Angestellten schon bald kippen. Hier beschäftigen 35.000 Firmen gerade einmal 40.000 Beschäftigte. Eine Entwicklung, die IT-Unternehmer Peter Lieber angesichts einer bedrohlich steigenden Arbeitslosigkeit große Sorgen bereitet.

Der Vorsitzende des Verbandes der österreichischen Software-Industrie (VÖSI) hat daher einen ungewöhnlichen Vorschlag: "Es wäre eine gute Idee, wenn Ein-Personen-Unternehmen auch Lehrlinge ausbilden", sagt Lieber im Gespräch mit dem KURIER. Das Problem: Wenn Selbstständige 50 bis 60 Prozent ihrer Arbeitszeit für die Lehrausbildung zur Verfügung stellen, "wie sollen sie dann noch ihren Beruf ausüben?"

Kooperationen

Lieber schlägt daher vor, dass sich mehrere Einzelkämpfer in der Branche zu einem überbetrieblichen Ausbildungsnetzwerk zusammenschließen oder gleich mit den bestehenden, vom AMS geförderten, Lehrwerkstätten kooperieren. "Manche EPU in der Branche sind Programmierer, andere Netzwerktechniker, das könnte man sehr gut zusammenführen, ohne dass sich die Firmen gegenseitig konkurrieren", erläutert der VÖSI-Chef. In der IT-Branche sind zuletzt einige neue Berufsbilder entstanden.

Die räumlichen Voraussetzungen als Lehrbetriebe könnten durch Co-Working-Spaces in diversen EPU-Zentren erfüllt werden. Um den zeitlichen Aufwand für Selbstständige zu reduzieren, kann sich Lieber auch einen längeren Verbleib in der Berufsschule vorstellen. So gebe es in Vorarlberg erste Ansätze, dass Lehrlinge zwei statt nur einen Tag pro Woche in der Schule verbringen.

Erster Mitarbeiter

EPU, die einen fixen Mitarbeiter einstellen wollen, erhalten bereits seit 2009 eine Förderung. Der Staat zahlt bis zu einem Jahr lang ein Viertel des Bruttolohns. Bisher machen jedoch erst wenige Einzelkämpfer von der Lohnsubvention Gebrauch. "Der Aufwand für diese Förderung ist genau so hoch wie die Förderung selbst", kritisiert Lieber bürokratische Hürden. EPU seien oft sehr projektgetrieben und bräuchten Personal sehr kurzfristig. Die Förderansuchen würden aber eine gewisse Zeit benötigen.

Viele EPU würden auch "von der Hand in den Mund" leben und daher das Risiko des ersten Mitarbeiters scheuen. Lieber, der in seiner Software-Firma SparxSystems heuer selbst Lehrlinge ausbilden wird, sieht aber noch andere Gründe für das Einzelkämpfertum: "Ein Mitarbeiter schränkt die eigene Freiheit ein, bedeutet Verantwortung und zwingt zu regelmäßigem Einkommen und Bindungen. Das widerspricht eigentlich dem Gedanken der Selbstständigkeit." Zumindest jene, die anders denken, könnten als Ausbildungsbetriebe gewonnen werden.

IT-Praktika

Kritisch sieht Lieber die Mindestgehälter für IT-Praktika. Einen Praktikanten einen Monat lang zu beschäftigen koste mehr als ein Lehrling in einem halben Jahr. Immer weniger Klein-Unternehmen seien daher bereit, Praktikanten einzustellen.

In 20 Jahren wird Forschern der Oxford-Universität zufolge jeder zweite Job von Robotern oder Computer erledigt werden. China nimmt sich diese Prognosen zu Herzen und stampft im ganzen Land Programmierschulen aus dem Boden. Ziel ist es, in der digitalen Wertschöpfungskette global nach oben zu klettern.

Der heimische Software-Verband VÖSI hat mit „Software-Makers“ eine Initiative gestartet, um auch Jugendlichen in Österreich das Programmieren schmackhaft zu machen. „Schüler sollen animiert werden, diverse Dinge auszuprobieren“, sagt Lieber. „Wenn Kinder das Dahinter von PC und Smartphone kennenlernen, überlegen sich vielleicht mehr von ihnen, einen technischen Beruf anzustreben.“ Auch könnte das Potenzial bei Migranten gehoben werden. „Wir haben sicher einen Fachkräftebedarf in den nächsten Jahren.“ Außerdem werde in der IT zu viel am Markt vorbeiproduziert, weil viele Kunden nicht artikulieren könnten, was sie wollen.

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