Versicherungen: "Geht nur noch um Politik"

Versicherungen: "Geht nur noch um Politik"
Die neuen Eigenmittelvorschriften sind teilweise absurd und könnten auch für die Kunden Konsequenzen haben.

Was Basel III für die Banken bedeutet, droht mit Solvency II ab 2013 den europäischen Versicherungen. Die Grundidee ist, angesichts von Finanzkrisen und Naturkatastrophen die Unternehmen stabiler aufzustellen und auch künftig Insolvenzen zu vermeiden.

So weit, so gut. Inzwischen allerdings hat die Politik heftig interveniert, sodass einer der führenden europäischen Experten zum Thema, der deutsche Univ.Prof. Matthias Müller-Reichart, kritisiert: "Teile von Solvency II werden für politische Zwecke missbraucht".

Als Beispiel nennt Müller-Reichart die Eigenmittel-Unterlegung von Kapitalanlagen. So sind für Staatsanleihen generell keine Eigenmittel notwendig, egal ob es sich um Griechenland oder Triple-A-Länder handelt. Im Klartext: Kredite an Pleitestaaten sind genauso zu behandeln wie an Top-Schuldner.

Auch bei der Veranlagung in Immobilien wird bei Solvency II nicht differenziert. Müller-Reichart: "Eine Top-Immobilie in der Wiener Innenstadt ist genauso mit 25 Prozent Eigenkapital zu unterlegen wie ein Grundstück in der ungarischen Pampa."

Generell könnte es für kleine, kapitalschwache Versicherungen eng werden, auch wenn diese hoch rentabel sind. Insgesamt schätzte Müller-Reichart bei einer Veranstaltung der österreichischen Generali-Gruppe den zusätzlichen Kapitalbedarf der Branche auf 20 bis 25 Prozent. Solvency II bedeute für Europas Versicherungen die "größte Herausforderung seit ihrem Best ehen".

Dabei geht es nicht nur um Kapitalveranlagungen, sondern
auch um die Bewertung und Eigenmittel-Unterlegung von Versicherungsrisiken. Außerdem wird die Macht der EU-Aufsichtsbehörde EIOPA gegenüber den nationalen Behörden wesentlich gestärkt.

Lebensversicherung

Da langfristig laufende Verträge mit höheren Eigenmitteln unterlegt werden müssen, wird in der Branche bereits darüber diskutiert, in der klassischen Lebensversicherung künftig Produkte anzubieten, bei denen die Garantien für die Kunden erst zu Vertragsende oder zu Beginn der Rentenlaufzeit abgegeben werden - und nicht wie bisher bei Vertragsabschluss. Derzeit ist das gesetzlich noch nicht möglich. Die Generali, die für Solvency II keine zusätzlichen Eigenmittel benötigt, werde Lebensversicherungen ohne Garantien allerdings nicht anbieten, erklärt Vorstand Peter Thirring.

Während die Einmalerläge (Prämie wird zur Gänze zu Beginn einbezahlt) wegen der steuerlichen Änderung kein Verkaufshit mehr sind, liegt der Fokus der Kunden auf der klassischen Lebensversicherung (plus 31 Prozent), betont Österreich-Chef Luciano Cirina. Im ersten Halbjahr 2011 stiegen die gesamten Prämien der Generali, die in Österreich die Nummer drei ist, um 0,6 Prozent auf 1,4 Milliarden Euro. Am Gesamtmarkt gab's ein Minus.

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