Verdacht auf Preisabsprachen: Razzien bei Lieferanten

Verdacht auf Preisabsprachen: Razzien bei Lieferanten
Nach der Rewe haben die Wettbewerbshüter nun auch vier Betriebe der Lebensmittelindustrie gefilzt. Sie vermuten Preisabsprachen im Lebensmittelhandel. Die bei der Rewe beschlagnahmten Unterlagen sind noch versiegelt, das Verfahren ruht einstweilen.

Wegen des Verdachts auf unerlaubte Preisabsprachen hat die Bundeswettbewerbsbehörde im Februar den Handelsriesen Rewe (Merkur, Billa, Penny, Adeg) gefilzt. Das Rewe-Management war empört, hat eine Versiegelung der beschlagnahmten Unterlagen veranlasst und sich mit der Behörde vorerst einmal darauf geeinigt, dass man zur Causa öffentlich gar nichts mehr sagt.

Brief mit pikantem Inhalt

Hinter den Kulissen brodelt es aber weiter. Wie der KURIER in Erfahrung gebracht hat, hat die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) seit der Rewe-Hausdurchsuchung vier weitere Razzien in Betrieben der Lebensmittelindustrie durchgeführt. Der unmittelbare Zusammenhang zur Causa Rewe liegt auf der Hand. Die Wettbewerbshüter haben in der Zentrale des Lebensmittelhändlers einen Brief mit pikantem Inhalt gefunden, wird in der Branche erzählt: Rewe könne die Preise für bestimmte Produkte ruhig anheben, soll der Lieferant geschrieben haben. Er werde dafür sorgen, dass auch bei der Konkurrenz die Preise steigen – die Rewe werde also keinen Wettbewerbsnachteil haben. Über den Lieferanten sollen also Preise mit der Konkurrenz abgesprochen worden sein, so der Vorwurf der Wettbewerbshüter. Und das über mehrere Warengruppen hinweg. Wie der KURIER in Erfahrung brachte, sollen neben Kaffee, Bier auch Milch und Käse betroffen sein. Die Preise sollen horizontal – also zwischen den Händlern – und vertikal – entlang der Wertschöpfungskette – abgesprochen worden sein.

Die Verfahren in der Causa sind derzeit aber ruhend gelegt – auf Antrag beider Parteien. Sowohl jenes bezüglich der Versiegelung der Dokumente als auch jenes wegen der Rewe-Hausdurchsuchung. Zudem wurde ein Geldbußeantrag in der Warengruppe Bier ruhig gelegt, ist zu hören. Die Verfahren sind für mindestens drei Monate ausgesetzt – theoretisch könnten sie auch für alle Zeiten schlummern, was wohl einer österreichischen Art der Problemlösung entsprechen würde. Fest steht, dass während dieser Zeit auch die Verjährungsfrist für das Delikt ruht, was der BWB Zeit bringt. Die Frist beträgt fünf Jahre – laufend ab dem Zeitpunkt der Fehlhandlung – und nicht der Ermittlungen.

 

Missbrauchsfälle

Auf europäischer Ebene sind die Wettbewerbshüter im Lebensmittelsektor jedenfalls sehr umtriebig. Von 2004 bis 2011 wurden in den EU-27 180 Kartell- und Marktmissbrauchsfälle untersucht. Mehr als hundert Branchenuntersuchungen gab es und 50 Gebiets- und Preiskartelle wurden abgestellt – in Deutschland unter anderem ein Kaffee-Kartell. Europaweit laufen aktuell parallel 60 Ermittlungen im Lebensmittelbereich.

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