Der Acker in luftiger Höhe

Großstädter zieht es zum Garteln aufs Dach: In New York ist Urban Gardening der letzte Schrei
Dachplantagen sind "in", das meiste Gemüse kommt aber aus Glashäusern.

Es gibt Hühner, die vom Stall aus einen wunderbaren Blick über die Skyline von New York haben. Sie leben auf der 6000 Quadratmeter großen Brooklyn Grange Farm, auf dem Dach eines alten Industriegebäudes, in dem das Militär früher Schiffe repariert hat. Heute fährt man mit dem Lastenlift in den 11. Stock, also ganz nach oben, und steht auf einem Acker. Zwischen Bienenstöcken, Gewächshäusern und einem Hühnerstall wachsen Salat, Minze und Karotten. Ein Bauernhof für Großstädter, der Restaurants und Bauernmärkte beliefert.

Urban Gardening ist der letzte Schrei in New York. "Viele würden gerne garteln, können es sich aber nicht leisten, einen Grund dafür zu mieten", erzählt die Initiatorin Gwen Schantz. Sie hat es dementsprechend leicht, Mitarbeiter für ihre beiden Dach-Bauernhöfe zu finden. Und es gibt auch genügend weitere Dächer, die bepflanzt werden könnten – dank der vielen alten Industriegebäude, die robust genug gebaut sind, um die Last eines Ackers auszuhalten, sagt Gwen. Dächer zu finden, die groß genug sind, sei einfach. "Es reicht ja ein Blick auf Google Earth." Die Brooklyn Rooftop-Farm ist zum Besuchermagneten geworden. Jährlich kommen allein mehr als 5000 Schüler zu Besuch. "Viele haben noch nie gesehen, wie Salat wächst", weiß Gwen. Wer will, kann wahlweise auch zwischen den Beeten heiraten oder ein anderes Fest "im Grünen" veranstalten. Die Idylle auf solchen New Yorker Dächern hat freilich nichts mit der industriellen Produktion zu tun.

"Bitte die Tomaten nicht berühren", sagt David Bell, Marketing-Leiter von Houwling’s Tomatoes in Kalifornien vor einem Rundgang durch das riesige Glashaus. Von der anderen Seite der Straße fegt der Wind trockene Erde her. Das prickelt auf der Haut und ist schlecht fürs Geschäft. Legt sich der Sand auf das Glas, kommt weniger Licht zu den Pflanzen, die Ernte fällt geringer aus. Also werden die Glasdecken alle zwei Wochen gereinigt. Im Pausenraum sitzen Mexikaner mit Riesen-Strohhüten und Tüchern um den Hals. "Alle das ganze Jahr über beschäftigt", sagt Bell stolz. Pro Tag ernten sie bis zu 90.000 Kisten mit jeweils fünf Kilo Tomaten – 24-mal so viel wie auf einem gleich großen offenen Feld geerntet werden könnten.

Der Acker in luftiger Höhe
Tomaten Produktion USA
Die Technik hinter dem Gewächshaus kommt von der Tiroler Firma Jenbacher, mittlerweile Teil des US-Konzerns GE, erklärt Bell bei einem Besuch von Agrarminister Andrä Rupprechter. Unter anderem wird CO2ins Glashaus geblasen (wie in europäischen Gewächshäusern auch), um das Wachstum der Pflanzen zu beschleunigen. Von der Auspflanzung bis zur Ernte vergehen acht Wochen. Die Pflanzen wachsen auf Kokosmatten, die aus Sri Lanka angeliefert werden. Die Landwirtschaft funktioniert längst global.

In der Gegend um Chicago bauen US-Landwirte Soja für China an. Die Häuser erinnern an Skandinavien, der alten Heimat vieler Landwirte, die nach dem 2. Weltkrieg in die USA ausgewandert sind. In den Höfen stehen große Silos und Traktoren mit mannshohen Reifen.

Jonglieren mit Silos

Viele haben ihre Lagerkapazitäten ausgebaut, um mit bis zu einem Drittel ihrer Ernte auf bessere Preise warten zu können, sagt Andreas Klauser, Chef des Traktorenherstellers CNH, der viele Bauern beliefert. Einzelne Bauern hätten durch das Jonglieren mit dem Verkaufszeitpunkt bis zu eine Million zusätzlichen Nettogewinn gemacht. Klauser: "Hier sind Bauern stolze Unternehmer und keine Leute, die nur abwarten, was sie für ihre Ernte bezahlt bekommen werden."

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