Unilever: Suppenwürfel sind wie Autos

Binnen 60 Minuten ist die Petersilie vom Feld in der Trocknungsanlage und landet dann im Suppenwürfel.
"Passt ein Teil nicht, funktioniert das ganze Produkt nicht", sagt Boss Polman und geht neue Wege.

Die Menschen haben nach Pferdefleisch- und Milchskandalen das Vertrauen in Lebensmittel verloren. Wer schlechte Qualität liefert, wird binnen kürzester Zeit via Facebook und Twitter von den Konsumenten abgestraft“, sagt Paul Polman, oberster Chef des Konsumgüterriesen Unilever. Das könne sich Unilever schlicht nicht leisten.

Der britisch-niederländische Hersteller von Knorr-Fertiggerichten, Magnum-Eis oder Lätta-Margarine setzt verstärkt auf das Thema Nachhaltigkeit. „In Zukunft werden jene abgestraft werden, die nicht in diesen Bereich investieren“, ist er überzeugt und spannt ein Netz von Zulieferern, die nach den Nachhaltigkeitskriterien des Konzerns arbeiten, über den Globus

Zwei Millionen kleine Vertragsbauern hat Unilever bereits unter Vertrag, in ein paar Jahren sollen es 500.000 mehr sein. Bei der Ausbildung der Bauern wird mit NGOs kooperiert, bei Logistikfragen mit Regierungen. Es brauche neue Wirtschaftsformen und Kooperationen, sagt Polman. „Wir wollen so tief wie möglich in die Zulieferkette einsteigen. Bei Suppenwürfeln ist es wie in der Autoproduktion. Passt ein Teil nicht, funktioniert das ganze Produkt nicht.“

"In der Landwirtschaft ist gar nichts mehr heilig"

Der bayerische Bauer Erhard Schiele baut für Knorr Kräuter an und trocknet sie in einer eigenen Anlage. „In der Landwirtschaft ist gar nichts mehr heilig“, sagt er. „Wir ernten auch sonntags und in der Nacht bei Flutlicht, um die Maschinen auszulasten.“ Dass Firmen „zurück zu den Gummistiefeln gehen und direkt beim Bauern einkaufen“, ist für ihn eine gute Entwicklung. Die Konzerne würden mehr auf die Qualität schauen als Zwischenhändler.

Unilever: Suppenwürfel sind wie Autos
Unilever setzt mit Knorr jährlich vier Milliarden Euro um. Statistisch gesehen werden jede Sekunde weltweit 500 Suppenwürfel verkauft – macht 18 Milliarden Stück im Jahr. Die im Jahr 2000 erfolgte Übernahme der ursprünglich deutschen Firma hat sich für Unilever ausgezahlt. Neben Lipton und Magnum zählt Knorr zu den Top-Umsatzbringern. Mit Marken wie Rexona und Axe ist Unilever laut eigenen Angaben der größte Deo-Verkäufer, mit Lipton der größte Tee-Verkäufer der Welt. Weniger erfolgreiche Marken wurden in den vergangenen Jahren ausgesiebt – die Zahl der Labels ist von rund 1500 auf 600 gesunken. Unter anderem hat Unilever den Tiefkühlkosterzeuger Iglo und die Fischkette Nordsee verkauft.

Gebremstes Wachstum

Die gedämpfte Konsumlust in Europa und den USA macht Unilever zu schaffen. Am Donnerstag gab der Konzern das schwächste Quartalswachstum seit vier Jahren bekannt. Der um Übernahmen und Währungseffekte bereinigte Umsatz stieg um 3,2 Prozent auf 12,5 Mrd. Euro. Firmenchef Polman setzt auf Asien und Afrika und ist 320 Tage im Jahr unterwegs. Sein Terminkalender ist für die nächsten zwei Jahre durchgetaktet. Vergangene Woche war er in Kenia, Frankreich und Deutschland.

Der Niederländer Paul Polman war bei den drei Top-Konsumgüterkonzernen der Welt in leitenden Positionen tätig: 27 Jahre bei Procter&Gamble, ab 2005 Finanzchef von Nestlé, seit 2009 ist er Vorstandsvorsitzender von Unilever. Im KURIER-Gespräch sagt er zu ...

Wachstumsmärkten: Derzeit macht Unilever noch die Hälfte seines Geschäfts in Europa und den USA, aber die Umsätze in den aufstrebenden Ländern in Lateinamerika, Afrika und Asien gewinnen an Fahrt. Wenn ich in Pension gehe, werden wir 70 bis 80 Prozent des Umsatzes auf diesen Märkten machen. Schon allein aus demografischen Gründen. In Indien sind immer mehr Frauen erwerbstätig, die Nachfrage nach Fertiggerichten steigt. Allein in Nigeria werden jährlich mehr Kinder geboren als in ganz Europa. In zwei Generationen wird die Hälfte aller jungen Leute in Afrika leben.

Analysten: Sie denken in 90-Tages-Rhythmen. Manche reden oft bevor sie denken. Wir denken langfristig. Ich lese nicht mehr, was Analysten schreiben.

Banken: Die Weltwirtschaft ist 90 Billionen Dollar schwer, der Derivatemarkt 300 Billionen. Banken konzentrieren sich darauf, sich selbst am Leben zu erhalten. Sie haben vergessen, dass sie dazu da sind, die Wirtschaft am Laufen zu halten. Unilever hat vielen Lieferanten finanziell helfen müssen, weil sie von den Banken kein Geld mehr bekommen haben. In der Finanzkrise sind wir zur Bank für Lieferanten geworden.

Branchenriesen: Es sind Konzerne wie Nestlé und Unilever, die die Welt am Laufen halten. Wir müssen alle nachhaltiger wirtschaften, weil uns sonst die Rohstoffe ausgehen werden. Das ist kein Marketingschmäh.

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