Schöne neue Welt des Stroms

Schöne neue Welt des Stroms
Telekom-Firmen könnten Energiemarkt aufmischen, neue Preismodelle für Privatkunden.

Mehr als zehn Jahre nach Beginn der Liberalisierung des Strommarktes sollen endlich auch die Haushaltskunden von günstigerem Strom profitieren. "Das wird die Aufgabe den neuen EU-Kommission", sagt Walter Boltz, Vorstand der österreichischen Energiemarktaufsicht E-Control. Bisher würden die privaten Verbraucher nämlich die Zeche für hohe Ökostromförderungen und Verluste der Versorger mit konventionellen Kraftwerken zahlen, detailliert Martin Graf, Vorstandskollege von Boltz. Nur die großen Unternehmen würden vom tiefen Strompreis im europäischen Großhandel profitieren.

Mehr Wettbewerb, und zwar grenzüberschreitend, ist nach Ansicht der E-Control-Chefs das Heilmittel. Ausländische Stromhändler sollen ohne große Formalitäten in Österreich Kunden versorgen dürfen, Telekom-Unternehmen würden bald auch Strom verkaufen, ist Boltz überzeugt. Eine Tochter der Swisscom werbe bereits um Kunden, österreichische Telekom-Unternehmen würden Ähnliches vorbereiten.

Flat Rates

Damit könnten auch Tarifmodelle, wie sie vom Mobilfunk bekannt seien, die Strombranche erobern. Flatrates, also ein Fixtarif pro Monat für eine gewisse Strommenge, seien zu erwarten.

Aber auch Stromtarife, die je nach Verbrauchszeit billiger oder teurer sind, würden die Versorger vorbereiten. In Zeiten geringen Verbrauchs, also abends oder am Wochenende, ist der Strompreis viel tiefer als zu Spitzenverbrauchszeiten.

Kunden mit digitalen Stromzählern könnten von ihren Lieferanten Gutschriften bekommen, wenn sie zu gewissen Zeiten keinen oder wenig Strom verbrauchen oder sogar zusagen, dass stundenweise Geräte – etwa Pumpen – weggeschaltet werden.

Vergangenen Freitag, dem ersten spielfreien Tag der Fußball-WM, kam Leo Windtner, Präsident des Österreichischen Fußballverbandes und Chef der Energie AG Oberösterreich, ins Wiener Café Central, um ein Interview zu geben. Nicht über Fußball, sondern über Strom – eine Branche, die derzeit genauso unerfreulich ist wie der österreichische Fußball.

KURIER: Herr Generaldirektor. Lassen sich Energiewirtschaft und Fußball verbinden?

Leo Windtner: Durchaus. Die Energie AG hat eine Wasserversorgungstochter in Tschechien. Der größte Konkurrent dort ist Veolia, deren Chef ist tschechischer Fußballpräsident. Das Wassergeschäft macht uns übrigens große Freude. Wir sind in Tschechien gut aufgestellt und es geht auch betriebswirtschaftlich gut.

Wie schlecht geht es der Energie AG im Stromgeschäft?

Das Hauptproblem ist: Die Stromerzeugung ist finanziell unter Wasser. Seit Jahresbeginn gab es sechs Mal negative Strompreise an der Börse. Die Kraftwerke können also nichts verdienen und eine Erholung ist nicht in Sicht. Nur geförderte Ökostromerzeugung rechnet sich. Eine sanfte Hoffnung ist die Schließung der deutschen Atomkraftwerke. Dann könnten die Strom-Großhandelspreise steigen.

Die Kunden der Energie AG spüren von den tiefen Preisen noch nichts. Können Sie mit einer Verbilligung rechnen?

Mit Dumpingpreisen kommen wir auch nicht weiter. Wir führen keine Preisreduktionen auf Druck durch. Die Energie AG tritt als Qualitätsanbieter auf. Wir bieten mehr als nur den Stromverkauf. Wir sind bei der Installation der digitalen Stromzähler, den Smart Meters, weit vorne und beginnen neue Tarifmodelle zu kreieren.

Was bringt das den Kunden?

Wir wollen jenen, die Smart Meters haben, spezielle Zeitzonentarife anbieten. Damit können die Kunden wählen, wann sie welche Geräte einschalten und so zu gewissen Tageszeiten einen billigeren Strom beziehen. Darum geht es und nicht darum, die Nummer eins im Tarifkalkulator zu sein. Wir müssen nicht die Billigsten sein.

Mit der Tochtergesellschaft Enamo ist die Energie AG allerdings unter den billigsten Anbietern. Verliert die Energie AG viele Kunden an die Tochter?

Die Enamo hat die VKI-Strompreisaktion gewonnen und damit 70.000 Neukunden. Nur 20 Prozent davon sind von der Energie AG zu Enamo gewechselt. Das Geschäftsmodell der Enamo ist, ein Diskonter zu sein. Wir haben dies auch unseren Energie-AG-Kunden angeboten. Die große Mehrheit aber ist uns treu geblieben.

Glauben Sie wirklich, dass die Kunden beim Strom nicht nur auf den Preis schauen?

Ja, weil nicht sehr viele Energie-AG-Kunden zu Billiganbietern wechseln. Die Zukunft ist, dass wir eine Gesamtleistung liefern. Das umfasst nicht nur die Menge an Strom, sondern auch Beratung, Energieeffizienz und E-Mobility. Das Angebot wollen wir in Folge ausweiten und Internet mit Gas, Strom und Datendienstleistungen verbinden. Das alles funktioniert mit Smart Meters. Im Endeffekt könnte sogar Wasser über diese Zähler abgerechnet werden.

Die Energie AG hat im Gegensatz zu anderen Versorgern bei vielen Kunden schon Smart Meter installiert. Haben Ihre Kunden weniger Sorgen wegen des Datenschutzes?

Wir haben 140.000 digitale Zähler installiert. Nur etwa 100 Kunden haben sich dagegen ausgesprochen. Wir haben uns mit dem Regulator darüber verständigt, welche Zähler wir verwenden. Sollten später andere digitale Zähler vorgeschrieben werden, würden wir uns mit allen legalen Mitteln dagegen wehren.

Sie haben sehr viele Industriekunden. Werden Sie auch diesen Kunden neue Tarifmodelle anbieten?

Die großen Betriebe kaufen den Strom am Markt zu den aktuell sehr tiefen Preisen. Wir können es uns nicht leisten, aus Prestigegründen diese Kunden zu halten und damit negative Deckungsbeiträge zu schreiben.

Wie lange hält die Energie AG die schwierige Lage am Strommarkt noch aus?

Alle großen Versorger haben dasselbe Problem. Ändert die Politik die Bedingungen am Strommarkt nicht ehestens, droht nach der Bankenkrise eine Energiekrise.

Kommentare