Türkische Flaute, Hektik bei Griechen

Kulturtouristen meiden die Türkei
10.000 Aussteller buhlen in Berlin um Aufmerksamkeit und um das Geld der Urlauber.

Arman Masooglu steht in der Türkei-Halle und verteilt Flyer. Er ist Reiseführer in der Türkei, spricht vier Sprachen fließend und sagt offen heraus, dass die Situation "schrecklich" ist. Kulturtouristen bleiben seinem Land fern, aus Angst vor Anschlägen und politischen Unruhen.

In besseren Zeiten hat Arman um die 1000 Touristen im Jahr persönlich durch sein Land geführt, vergangenes Jahr waren es keine 100. "Bei den Rundreisen hatten wir binnen drei Jahren Rückgänge von 90 bis 95 Prozent. "Wenn es so weitergeht, sind es heuer 100 Prozent."

Etwas besser läuft es noch in den Badeorten, wo Touristen gerne eine Woche nur innerhalb eines Clubs bleiben. Unter den Ausstellern sind entsprechend viele Hotelketten. Incoming-Agenturen (die das Gebiet vermarkten und Dienstleistungen koordinieren) bleiben der Messe heuer eher fern, sagt ein Aussteller: "Hotels können Messekosten besser von der Steuer abschreiben, sie kommt der Auftritt hier nicht so teuer wie den Agenturen."

Gedränge um Politiker

Unter dem Strich hat die Türkei ihren Auftritt auf der weltgrößten Tourismusmesse an die sinkende Nachfrage angepasst. Mittwochvormittag herrschte dennoch Gedränge. Grund dafür war der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu, der unter Blitzlichtgewitter türkische Köstlichkeiten verkostete, viele Hände schüttelte und eine kurze Ansprache hielt. "Wir werden meinen Freund Sigmar Gabriel in der Türkei empfangen", kündigte er an. Am Vortrag hatte er noch für Aufregung gesorgt, weil er Deutschland mit einer Nazi-Diktatur verglichen hat.

Politiker sind bei der Tourismusmesse um Schönwetter-Stimmung bemüht. Alles andere wäre schlecht fürs Geschäft.

Die politische Situation in der Türkei hat die Tourismusströme dennoch umgeleitet. Etwa nach Spanien, das im Vorjahr hoffnungslos überfüllt war. Oder nach Griechenland, Italien, Kroatien und auch Österreich.

Kreuzfahrt statt Türkei

Helga Freund, Chefin der österreichischen Verkehrsbüro-Gruppe, ist mit zehn Mitarbeitern zur ITB gereist. Sie alle hetzen von einem Termin zum nächsten. Es geht darum, sich genügend Bettenkapazitäten in boomenden Destinationen zu sichern. Viele ehemalige Türkei-Urlauber würden aufs Kreuzschiff umsteigen, sagt Freund. Auch weil sie auf diesem dank Kinder-Ermäßigungen relativ günstig unterwegs seien. "Rundreisen laufen heuer viel besser als im Vorjahr", sagt Freund. Sie schätzt, dass viele, die im Vorjahr zu Hause geblieben sind, heuer Fernweh haben.

Schließt man von der Dichte in den Messehallen auf die aktuelle Beliebtheit einzelner Destinationen, ist Griechenland heuer wieder hoch im Kurs. An den in Weiß und Türkisblau gehaltenen Ständen drängen sich die Anzugmänner, der Lärmpegel steigt. Ein Aussteller zeigt auf seinen übervollen Terminkalender. Er ist zufrieden, versichert er, und begrüßt schon den nächsten Kunden. Sein Kollege nebenan reicht dänische Butterkekse.

"Wir haben nix"

Zwischen all den Ausstellern auf der ITB ist auch das steirische Sölktal. "Wir haben nichts", sagt eine Vermieterin aus der Region. Wegen der hohen Berge verschwindet die Sonne recht früh am Tag, und auf schönes Wetter sei auch kein Verlass, erläutert sie. Aber im Sölktal könne man "endlich Ruhe" finden. Bei dem einen oder anderen gehetzten Messebesucher werden die Sölktaler mit dieser Botschaft wohl punkten.

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