Trinkgeld macht das Kraut erst fett

Trinkgeld macht das Kraut erst fett
Spitzenverdienst bei Oktoberfesten – in der restlichen Branche schwankt das Gehalt stark.

Beim Münchner Oktoberfest fließt nicht nur das Bier in Strömen: Nirgendwo sonst verdienen Kellner so gut. Wer das erste Mal dabei ist, kann mit etwa 2000 bis 4000 Euro rechnen. Aber die Besten verdienen bis zu 10.000 in nur 16 Tagen. Dafür wird auch mehr als zwei Wochen bis zu 14 Stunden pro Tag geschuftet: „Wer ein Mal Schwäche zeigt und einen Tag Pause macht, ist draußen“, beschreibt ein diesjähriger Oktoberfest-Mitarbeiter dem KURIER seine Arbeitssituation.

In der Zeit der immer beliebter werdenden „Wiesen-Feste“ erwacht die Diskussion um die Situation der Kellner. Dieses Jahr war die „Wiener Wiesn“ der Auslöser. Denn die kollektivvertragliche Regelung ist kompliziert und unübersichtlich. Das treibt sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber in den Graubereich.

Vertrags-Dickicht

Was verdient eigentlich ein österreichischer Kellner? Schwer zu sagen. Neben der Gehaltshöhe – jedes Bundesland hat eine eigene Regelung! – ist auch die Art der Bezahlung regional verschieden. Im Burgenland, in Nieder- und Oberösterreich sowie in Wiener Cafés und Hotels verdienen Kellner ein fixes Monatsgehalt. In der Steiermark und in Wiener Restaurants sind sie umsatzbeteiligt, wobei ihnen ein vertraglich festgelegtes Minimum zusteht. In Kärnten, Salzburg, Tirol und Vorarlberg besteht eine betriebseinheitliche Wahlmöglichkeit zwischen den beiden Lohnsystemen.

Während wiederum Wiener Kellner unabhängig vom Arbeitsplatz alle zwei Jahre in die nächste Gehaltsstufe springen, landet man anderswo bei einem Betriebswechsel wieder in der untersten Stufe.

Der mögliche kollektivvertragliche Mindestlohn reicht von 1320 bis 2088 Euro brutto, abhängig von Bundesland, Ausbildung, Position und Arbeitserfahrung. Am unteren Ende der Skala befinden sich Servicekräfte ohne Lehrausbildung in Tirol. Ganz oben Oberkellner mit 25 Jahren Berufserfahrung in Kärnten und Salzburg. Hinzu komme Trinkgeld, dessen Höhe allerdings nur schwer abschätzbar sei und von einer Vielzahl von Faktoren– die meisten davon außerhalb des Einflussbereichs des Kellners – abhänge, sagt Rudolf Komaromy, Vorsitzender der vida-Bundesfachgruppe Tourismus.

Ein Steuerberater, der Wirte berät, schätzt das Trinkgeld eines guten Heurigenkellners am Wochenende auf 50 bis 70 Euro am Tag. Wochentags kann das bei schlechter Frequenz auf 20 bis 30 Euro fallen. In einem Wiener Kaffeehaus in guter Lage lassen sich 120 bis 130 Euro Trinkgeld am Tag verdienen. Doch das kommt auch auf die – internationalen – Gäste an. Koreaner zum Beispiel geben kein Trinkgeld, auch in manch anderem Land ist man an „service included“ gewöhnt.

Spitzenverdiener

Während für viele Kellner zwischen kollektivvertraglichem Mindestlohn und tatsächlich erhaltenem Gehalt oft wenig Raum ist, ist eine Überzahlung in der Spitzen- und Eventgastronomie durchaus gang und gäbe. Ein Kellner im Wiener Restaurant Eisvogel kann beispielsweise mit einem Gehalt einige Hundert Euro über dem kollektivvertraglichen Minimum rechnen. Dafür sei trotz generell sehr guter Arbeitsbedingungen mit mindesten 50 Arbeitsstunden pro Woche zu rechnen, so ein ehemaliger Kellner. In besonders starken Monaten wie dem Dezember seien sogar bis zu 70 Wochenstunden möglich.

Trinkgeld macht das Kraut erst fett

Noch besser verdienen Mitarbeiter in besonders umsatzstarken Betrieben wie dem Schweizerhaus. Kellner auf den besten Positionen können hier, bei einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden, monatlich bis zu 3000 Euro mit heimnehmen.

Seit 2005 lässt der Finanzminister Kellnern und anderen Berufsgruppen, für die das Trinkgeld die Butter aufs Brot ist, mehr im Geldbörsel: Angestellte müssen Trinkgelder im branchenüblichen Ausmaß nicht versteuern.

Diese Regelung „überlebte“ auch den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Die Verfassungsrichter hatten im Sommer 2008 anlässlich der Beschwerde eines Casino-Croupiers – der für sein Trinkgeld Steuern zahlen muss – Bedenken an der Steuerfreiheit von Trinkgeldern aller anderen Berufsgruppen geäußert.

Im Herbst nahm der VfGH seine Bedenken wieder zurück. Versteuern müssen freilich nach wie vor die Croupiers ihre Trinkgelder, die im Branchenjargon „Cagnotte“ genannt werden. Da Croupiers Zuwendungen von Spielern nicht direkt annehmen dürfen, werden die Trinkgelder gesammelt und auf alle Angestellten aufgeteilt. Durch diese Praxis entspreche das Trinkgeld, befanden die Höchstrichter, einem Gehaltsbestandteil und sei somit steuerpflichtig. Steuern für Trinkgelder müssen auch Selbstständige zahlen, weil sie – so die VfGH-Begründung – im Gegensatz zu einem Angestellten in einem direkten Vertragsverhältnis zum Kunden stehen.

Gänzlich abgabenfrei ist das Trinkgeld freilich auch nicht bei angestellten Kellnern. Im Gegensatz zur Finanz verzichten die Sozialversicherungen nicht auf ihre Beiträge. Die Unternehmen müssen daher für ihre Beschäftigten den Arbeitgeber-Anteil für Trinkgelder abliefern. Allerdings ist in den meisten Bundesländern die Bemessungsgrundlage dafür mit einem zweistelligen Euro-Betrag pro Monat begrenzt.

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