Warum sich Unternehmen größer schrumpfen
Konglomerate sind out, egal wie alt sie sind. Selbst der 1875 gegründete japanische Elektronikriese Toshiba ist bald Geschichte und wird in drei Firmenteile zerfallen. Toshiba ist nur das jüngste Beispiel eines gerade wieder aufflackernden Trends zur Konzernaufspaltung. Aber was steckt dahinter?
Prominentestes Paradebeispiel für das Bereinigen von Firmenstrukturen ist das Auseinanderdriften von Siemens. Der gewinnschwache Mischkonzern, der einst sogar Handys und Mikrochips baute, wurde vor zwei Jahren in drei Divisionen (Kraftwerke, Infrastruktur, Industrie 4.0) sowie drei Gesellschaften (Medizintechnik, Erneuerbare Energie, Bahn) aufgespalten. Vor einem Monat kündigte das Management an, das Geschäft mit Großmotoren abspalten zu wollen.
Aktuell sind es vor allem Autokonzerne bzw. deren Zulieferer, die mit einer Aufspaltung flexibler auf die Mobilitätswende reagieren. Die alten Firmenstrukturen passen nicht mehr zu den Mobilitätsdienstleistern, die sie inzwischen sein müssen. Sie benötigen neue Partnerschaften mit IT-Unternehmen. Daimler will sich in drei Bereiche – Pkw, Lkw und Finanzdienstleistungen – teilen. „Wir sind aktuell in einer Hochtransaktionsphase“, analysiert Klaus Haberfehlner, Restrukturierungsexperte beim Beratungsunternehmen EY.
Es sind vor allem 5 Gründe, die hinter den aktuellem Trendthema stecken.
1. Veränderungsdruck
Der Technologiewandel erfolgt immer schneller. Kleinere Einheiten können als wendige Boote da eher mithalten als große Dampfer, die ob der oft starren Strukturen schwerer beweglich sind. Dazu kommt, dass in die Jahre gekommene Konzerne meist in Teilbereichen von kleinen, wachstumsstarken Spezialisten angegriffen werden. EY-Experte Haberfehlner sieht vor allem durch die Digitalisierung und den Umwelt- und Nachhaltigkeitstrend derzeit einen „irrsinnig hohen Veränderungsdruck auf den Unternehmen lasten“. Diese seien gezwungen, ihre Geschäftsmodelle digitaler und umweltbewusster auszurichten. Wer sich diesem Veränderungsdruck entziehe, der wird sich künftig schwertun, sich am Markt zu behaupten.
2. Portfolio-Bereinigung
Der Veränderungsdruck zwinge das Management zur ständigen Neubewertung der Firmenstrategie. „Es geht darum, Bereich herauszufiltern, mit denen ich auch noch in Zukunft Geld verdienen werde“, erläutert Haberfehlner.
„Portfolio-Bereinigung“ nennen Experten dieses Vorgehen. Dabei geht es um die Fragen: Was ist meine Kernkompetenz? Spiele ich in meinen unterschiedlichen Bereichen noch eine Rolle am Markt, bin ich etwa Champion in einer Nische, oder gibt es schon zu viele, vielleicht bessere Mitbewerber? „Es macht heute keinen Sinn mehr, auf vielen Hochzeiten zu tanzen“, drückt Haberfehlner es aus. Es sei gescheiter, seine Kompetenzen auf zukunftsfähige, profitable Geschäfte zu fokussieren. Die klassische Portfolio-Bereinigung erhalte durch den Druck zur Nachhaltigkeit und Digitalisierung eine neue Dynamik.
3. Unabhängigkeit
Durch die Abspaltung eines Geschäftsteils können die Eigentümer auch rascher und flexibler über die Firmenstrategie entscheiden, neue Geschäftsmodelle versuchen und Partnerschaften eingehen. „Die Aktionäre stellen sich natürlich die Frage, wer ist der beste Eigentümer?“, sagt Restrukturierungsexperte Haberfehlner. Ein Stahlkonzern sei dies etwa nicht unbedingt für ein dynamisches Softwareunternehmen. Warum also nicht abspalten? Es gehe auch um mehr Transparenz. Je klarer die Firmenstruktur, desto mehr werde dies vom Kapitalmarkt goutiert.
4. Agilität/Profitabilität
Erklärtes Ziel etwa von Daimler ist es, schneller, agiler und damit interessanter für Investoren zu werden. Während das große Ganze an seine Wachstumsgrenzen stößt, gibt es in einigen Teilen noch enorme Wachstumschancen. Ist der Kapitalmarkt dynamisch, gewinnen Konzerne durch Abspaltungspläne eine höhere Aufmerksamkeit bei Investoren und auch eine höhere Bewertung. Oft drängen im Hintergrund aktivistische Aktionäre wie Hedgefonds zur Aufspaltung und Neuorganisation, um die Profitabilität zu steigern. Ganz nach dem Motto: Die Summe der Einzelteile ist mehr wert als das große Ganze.
5. Börsepläne
Meist erfolgen Konzernspaltungen als Vorbereitung auf einen späteren Börsengang, denn spezialisierte Töchter können einfacher an die Börse gebracht werden als ein großes Ganzes. Auch die Veräußerung von Geschäftsteilen ist durch eine vorherige Abspaltung des Geschäftes einfacher. Durch das aktuelle Zinsumfeld fließt verstärkt Beteiligungskapital in den Kapitalmarkt und sucht dort Veranlagungsmöglichkeiten. Fremdkapital für Firmenübernahmen ist so günstig wie nie.
6. Steueroptimierung
Der Zerfall in kleinere Einheiten kann bei Global Playern auch steuerliche Gründe haben. Einige Beobachter glauben, dass die geplante globale Mindeststeuer für internationale Konzerne den Zerfallsprozess noch beschleunigen wird. Die Steuer soll bekanntlich nur für Unternehmen mit einem globalen Umsatz ab 750 Mio. Dollar greifen. Abspaltungen könnten da nützlich sein. Haberfehlner glaubt jedoch nicht, dass man der Mindeststeuer durch Spaltung so einfach entkommen wird können. Grundsätzlich rechnet er aber damit, dass auch in den nächsten Jahren der Trend zur Konzernspaltung anhalten wird. „Wir werden weiter einen starken Transaktionsmarkt haben.“
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