Tourismus: Hoffen auf Inder und Brasilianer
Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner rechnet mit einer guten Wintersaison und will notfalls mit einer Werbekampagne im Inland nachhelfen. Immer mehr Länder kämpfen um denselben Gast. Wenn Österreich nicht Marktanteile verlieren will, muss die Gästezahl bis 2020 um 20 Prozent auf 40 Millionen Urlauber steigen.
KURIER: In der Vergangenheit waren Sie immer optimistischer als die Wirtschaftsforscher von WIFO und IHS, die heuer ein Wachstum von 0,6 bzw. 0,8 Prozent vorhersagen. Noch immer?
Reinhold Mitterlehner: Wir haben zuletzt an Dynamik verloren. Ich glaube nicht, dass wir die 1-Prozent-Marke erreichen werden. Aber es sind jetzt wichtige Entscheidungen getroffen worden – etwa beim ESM. Wir werden den Herbst angespannt, aber gut überstehen.
Im Tourismus kommt die wirtschaftliche Entwicklung immer zeitverzögert an. Was erwarten Sie für den Winter?
Natürlich spüren wir, dass zum Beispiel 30 Millionen Italiener beim Urlaub sparen wollen. Aber wir haben eine gute Entwicklung bei osteuropäischen Gästen und bei den wichtigen Herkunftsnationen Deutschland und Niederlande. Nach stagnierenden und sogar rückläufigen Jahren haben die Deutschen im bisherigen Kalenderjahr wieder 2,2 Prozent mehr Nächte bei uns verbracht. Das ist gut.
Egon Smeral, Tourismusexperte beim WIFO, ist weniger begeistert, weil die Umsätze noch immer unter dem Niveau von 2008 liegen. Zählt nicht letztlich, was in der Kassa ist?
2008 war ein Spitzenjahr. Smerals Einschätzung ist mir also viel zu negativ. Wir haben heuer zum ersten Mal wieder steigende Umsätze. Natürlich ist das gemessen an 2008, als wir in der Hochkonjunktur waren, relativ. Aber der Trend geht in die richtige Richtung und dazu trägt ganz wesentlich der Qualitätstourismus bei.
Das heißt, Sie machen sich keine Sorgen um das Preisniveau? Branchenvertreter sagen, dass 4- und 5-Stern-Häuser nur ausgelastet sind, weil sie zu 3-Stern-Preisen vermieten ...
Das mag da und dort stimmen. Aber langfristig werden die Hoteliers die Preise durchsetzen können. Gerade weil die aufstrebenden Länder, in denen die Kaufkraft steigt, aufgrund unserer Werbestrategie auf uns aufmerksam werden: von Indern über Brasilianern bis Chinesen. Wir haben da einige lukrative Zielmärkte, die wir auch ganz gezielt bearbeiten.
Die USA haben ein Tourismuswerbebudget von 200 Mio. Euro. Dennoch weiß kaum jemand, womit sie werben. Wie soll die Österreich Werbung mit einem Budget von 50 Millionen in die Köpfe der Urlauber kommen?
Wir können mit unserem Budget nicht mit riesigen Staaten mithalten. Wir müssen unsere Systemvorteile nutzen und Synergien heben. Zum Beispiel werden die Außenwirtschaftsorganisationen künftig noch stärker in die Tourismuswerbung einbezogen.
Deutschland hatte in den ersten sieben Monaten 2012 ein Nächtigungsplus von 7,7 Prozent, wir nicht einmal halb so viel. Eine magere Zwischenbilanz?
Deutschland hat im Tourismus erst relativ spät Akzente gesetzt. Sie sind also, im Größenvergleich der beiden Länder, auf einem viel niedrigeren Niveau als wir und können mit ihren Kampagnen viel bessere Starterfolge und Umsatzzuwächse erzielen. Ich sehe bei uns keine Versäumnisse.
Inlandskampagne?
Und eine Inlandskampagne wird auch nicht wieder nötig sein, weil zu wenig ausländische Gäste kommen?
Ob es eine Inlandskampagne geben wird, werden wir sehr kurzfristig entscheiden. Ich rechne aber nicht damit. Wir haben auch im Krisenjahr 2009 keine Einbrüche bei den Nächtigungen gehabt.
Österreichs Marktanteil im EU-15-Vergleich ist dennoch gesunken. Macht Ihnen das Sorgen?
Es kämpfen halt immer mehr Länder um den gleichen Gast. Wir werden mit deutschen Urlaubern allein nicht bestehen können, sondern müssen uns um neue Gäste bemühen. Vor allem bei Gästen aus den Schwellenländern haben gute Entwicklungen. Da kommt unsere Strategie mit dem BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) gut an.
Konkrete Ziele?
Bis zum Jahr 2020 müssen wir die Gästezahl um 20 Prozent auf 40 Millionen erhöhen, um die Marktanteile zu halten.
Die Urlauber bleiben immer weniger lang. Kann man den Trend zu kürzeren Aufenthalten überhaupt beeinflussen? Oder muss man stattdessen schauen, dass mehr Touristen kommen?
Momentan ist der Trend zum Kurzurlaub da, aber auf Dauer gibt es keinen eindeutigen Trend. Wichtig ist die Vermarktung von Themen. 30 Prozent der Gäste geben beispielsweise an, dass sie wegen der Kulinarik kommen. Hier könnten sich einzelne Regionen noch viel besser vermarkten.
Events sind oft Sache der Städte, was muss die Ferienhotellerie machen?
Viele Betriebe haben vom Angebot der Sommerfrische Abstand genommen und sich auf den Seminartourismus spezialisiert. Der ist mit der Krise aber eingebrochen. Was gut funktioniert sind Themenvermarktungen – wie Urlaub am Bauernhof. Sommerfrische hätte meiner Meinung nach eine Chance. Da gäbe es Potenzial.
Wo genau?
Die früheren Spitzenregionen, die von der Landschaft begünstigt waren und 30 Jahre kaum mehr investiert haben, haben jetzt in der Infrastruktur Aufholbedarf. Dagegen haben eher unbekannte Urlaubsgebiete – wie das Mühl- und Waldviertel – aufgeholt und punkten mit guten Themenangeboten.
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