„Tiefes Misstrauen in die Wirtschaftdaten“

„Tiefes Misstrauen in die Wirtschaftdaten“
Vielen Menschen halten Inflation und Arbeitslosigkeit für höher als offiziell angegeben. Das sei der Grund für soziale Unzufriedenheit, sagt Ökonom Marcilly.

Sozialer Unmut. Was bringt die Menschen in Frankreich dazu, wochenlang zu demonstrieren? Was ist der Grund für Unzufriedenheit großer Bevölkerungsgruppen in Europa? Für Julien Marcilly, Chefökonom der Coface, ist die Beantwortung dieser Fragen wichtig, um wirtschaftliche Entwicklungen besser prognostizieren zu können.

Ein wesentlicher Punkt für die Unzufriedenheit ist, seiner Analyse zufolge, das Misstrauen in die veröffentlichten Wirtschaftsdaten. „Wir haben kaum Inflation, aber die Menschen sehen die Preise der benötigten Güter stetig steigen“, sagt er. Die Messung der Verbraucherpreise sei für einen Durchschnittshaushalt ausgelegt. Untere Einkommensschichten aber hätten einen anderen Warenkorb. Dort hätten Lebensmittel einen größeren Anteil als neue Haushaltsgeräte oder Unterhaltungselektronik. Sie sehen daher eine deutlich steigende Inflation. Wir bräuchten also eine Inflationsmessung für verschiedene Typen von Haushalten.

EZB löst nicht alles

Die neue Chefin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, überlege bereits, ob die Messung der Inflation nicht nach unterschiedlichen Haushaltseinkommen gegliedert werden könnte. Sie will nicht nur auf den Preisindex schauen, sondern durch Befragungen zusätzliche Daten erheben. Ähnlich wie bei der Inflation sei es bei den Arbeitslosenzahlen. Auch diese würden von den meisten Menschen als viel höher eingeschätzt als offiziell angegeben. „Wenn diese Barometer falsche Informationen liefern, ist es kein Wunder, dass Unzufriedenheit entsteht“, sagt Marcilly. Die EZB könne aber nicht alles lösen. Sie sei für soziale Unzufriedenheit nicht zuständig. Das sei Aufgabe der Regierungen.

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