Der Deal mit dem Schillerplatz

Ex-Telekom-Chef Heinz Sundt: Angeklagt wegen des Vorwurfs der Untreue.
3,9 Millionen Euro Gewinn vor Steuern. Machte der ehemalige ÖBB-Chef Huber bloß ein lukratives Immobilien-Geschäft oder wurde die Telekom von ihren Ex-Vorständen bewusst geschädigt?

Bei der Entwicklung von Immobilien – Kauf, Ausbau, Verkauf – können die Spannen sehr hoch sein. Vor allem in einem boomenden Markt. Ein Gewinn innerhalb von vier Jahren von 3,9 Millionen Euro (vor Abzug von 25 Prozent Steuer) ist in diesem Business durchaus möglich. Diese Summe verdiente Ex-ÖBB-Chef Martin Huber mit zwei Geschoßen des Palais der Telekom Austria am Schillerplatz 4 in bester Wiener Innenstadtlage. Der einst VP-nahe Huber versteht viel von diesem Geschäft. Er kommt als ehemaliger Porr-Vorstand aus der Branche.

Untreue

Was für Huber ein gutes Geschäft war, ist für die Staatsanwaltschaft Untreue. Sie vermutet, dass die Telekom schamlos abgezockt wurde. Unter Mithilfe des ehemaligen Telekom-Bosses Heinz Sundt und seines Vorstandskollegen Stefano Colombo. Beide unterschrieben den Kaufvertrag, hätten kein Gutachten über den Verkehrswert (aktueller Marktwert) eingeholt und Huber die Palaisflächen um 4,4 Millionen Euro zu billig zugeschanzt.

Dem Ziviltechniker Peter K. wird vorgeworfen, ein Gutachten falsch datiert zu haben. Die damaligen Telekom-Mitarbeiter Birgit Wagner und Erich Z. sollen, so die Anklage, den Herrn Diplom-Ingenieur beauftragt haben. Daher an die Drei der Vorwurf der Beweismittelfälschung und Begünstigung. Erich Z. hat außerdem ein Untreue-Verfahren in anderer Sache am Hals. Für alle gilt die Unschuldsvermutung.

Ab Donnerstag müssen sich die sieben Angeklagten am Wiener Landesgericht verantworten. Claudia Moravec-Loidolt leitete schon den Immofinanz-Prozess und gilt als strenge Richterin, die nicht mit sich spaßen lässt. Die Schöffen sind angesichts der prominenten Top-Verdiener, über die sie urteilen müssen, schwer einschätzbar. Entsprechend blank liegen die Nerven bei den Angeklagten.

Einfach wird der fünfte Telekom-Prozess nicht, auch wenn die Anklageschrift logisch ausgeführt ist. Die Verteidiger schießen sich, wie in solchen Fällen üblich, auf den Gutachter der Staatsanwaltschaft ein und haben mit dem Argument der Unvereinbarkeit dagegen berufen, dass Roland Popp auch Sachverständiger im Prozess ist.

Gegen-Gutachten

Popp errechnete den Wert des Palais-Anteils mit 9,8 Millionen Euro. Sundt-Verteidiger Martin Nemec fährt mit einem Gegen-Gutachten von Matthias Rant auf, der auf einen „realistischen Verkehrswert“ von 5,3 Millionen Euro kommt – exakt um 100.000 Euro weniger als jene 5,4 Millionen Euro, die Hubers Projektgesellschaft SP4 der Telekom zahlte. „Der Gutachter der Staatsanwaltschaft liegt falsch“, moniert Nemec. Er habe eine „nicht zielführende, äußerst bedenkliche Methode“ angewandt und die Grundlagen seines Gutachtens „nicht ermittelt, sondern falsch geschätzt“.

In zwei weiteren Privat-Gutachten lässt sich Sundt bestätigen, dass er seiner Sorgfaltspflicht als Vorstand nachgekommen sei. Der ehemalige Telekom-Chef habe „seine kompetente Fachabteilung im Unternehmen mit dem Verkauf betraut“, das reiche aus. Nemec dementiert vehement, dass Sundt den Preis vorgegeben habe.

Das Geschäft wurde freilich direkt über Sundt entriert. 2004 klopfte der befreundete und in wirtschaftlichen Nöten befindliche Bau-Unternehmer Josef Kallinger bei Sundt wegen des Schillerplatzes an, Huber war bei Kallinger bereits mit dabei, aber nicht operativ tätig.

Pech oder Glück, je nach Sichtweise – der in der Telekom zuständige Abteilungsleiter, Wolfgang Frauenholz, kann wegen schwerer Krankheit nicht befragt werden. Er soll sich geweigert haben, den Kaufvertrag zu unterschreiben. Und Kallinger erlitt Anfang 2006 einen schweren Schlaganfall.

Daraufhin gründete Huber die SP4 und zog das Projekt durch. Er setzte als 75-Prozent-Gesellschafter treuhändig einen Steuerberater ein, 25 Prozent hielt Ehefrau Barbara Huber-Lipp, die als Geschäftsführerin fungierte.

Doch durfte der ÖBB-Boss Huber überhaupt Immobilien-Deals machen? Laut Dienstvertrag waren Huber Beteiligungen zur Veranlagung des persönlichen Vermögens erlaubt. Durch den Schachzug mit seiner Frau umging er das Verbot von Geschäftsführer-Positionen.

Weitere Expertise

Vor Prozessbeginn beauftragte Huber den SP-nahen Immobilienbewerter Alfons Metzger, ehemals langjähriger Aufsichtsrat am Flughafen Wien, mit einer Expertise. Metzger kommt in einem Marktvergleich auf eine Bandbreite zwischen 4,944 und 6,042 Millionen Euro. Wobei nicht alle Vergleichsobjekte, etwa ein Gebäude in der Schönlaterngasse, einer Gegenüberstellung mit dem imposanten Schillerplatz-Palais standhalten dürften.

Den Abschluss des Deals verfolgte die Staatsanwaltschaft nach anfänglichen Ermittlungen nicht mehr weiter. Huber verkaufte die SP4 2008 um knapp elf Millionen Euro an die Seeste Bau AG, die über einen Makler kam. Bis dahin waren Entwicklungskosten von 700.000 Euro aufgelaufen. Die Planungen waren kompliziert, denn am Schillerplatz befindet sich eines der Hauptwählämter.

Einige Monate zuvor erstand die Seeste von den ÖBB 70.000 Quadratmeter am Areal des neuen Hauptbahnhofes. Auch wenn Huber der Seeste mit 350 Euro pro Quadratmeter einen deutlich höheren Preis diktierte als etwa der Erste-Group (300 Euro) und dieses Geschäft korrekt ablief, ist die Optik nicht schön. Musste der damalige ÖBB-Chef sein Privatprojekt ausgerechnet der Seeste verkaufen? Es hätte sich vermutlich auch ein anderer Käufer gefunden.

Interessant, dass die von Sundt-Nachfolger Boris Nemsic beauftragte interne Revision der Telekom die Causa Schillerplatz erstmals 2006 prüfte und den Preis nicht beanstandete. Erst fünf Monate später unterzeichnete die SP4 den Kaufvertrag, wäre also noch genug Zeit für Korrekturen gewesen.

Rückdatiertes Gutachten

Als die Revision 2008 nochmals ausrückte, tauchte überraschend das rückdatierte Gutachten von Peter K. auf. Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass die involvierten Mitarbeiter Sundt und Colombo, die beide längst nicht mehr bei der Telekom waren, schützen wollten. Birgit Wagner, die inzwischen zur Chefin des Personenverkehrs der ÖBB avancierte, hat nach wie vor das Vertrauen von Bahn-Chef Christian Kern und des Aufsichtsrates.

Die Seeste, die am Schillerplatz Luxuswohnungen baute, kaufte Ende 2009 von der Telekom übrigens ein weiteres Stockwerk. Zum Quadratmeterpreis von rund 2000 Euro um nur knapp 400 Euro teurer als vormals Huber.

Die Telekom, die sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligte anschloss, klagte im Herbst 2013 auf Rückabwicklung des gesamten Deals. Dieses Verfahren ruht seit 18. Dezember bis zum Ende des Strafprozesses.

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