SVA will Niedrigverdiener entlasten

Mindestbeitragsgrundlage zur gewerblichen Sozialversicherung soll auf 500 Euro monatlich sinken.

Kurz vor der Wirtschaftskammer-Wahl Ende Februar besinnt sich WKO-Präsident Christoph Leitl seiner mitgliederstärksten Wählergruppe: Den Ein-Personen-Unternehmen (EPU). In seiner Funktion als Obmann der Gewerblichen Sozialversicherung (SVA) forderte Leitl am Montag eine Verbesserung der sozialen Absicherung für Selbstständige. Konkret will Leitl eine Gleichbehandlung von Arbeitnehmern und Selbstständigen in der Kranken- und Pensionsversicherung. "Wir können Selbstständigen das wirtschaftliche Risiko nicht abnehmen, das soziale aber sehr wohl", bekräftigte Leitl.

Mindestbeitrag

Die SVA schlägt vor, die Mindestbeitragsgrundlage zur Sozialversicherung für Selbstständige von derzeit 724 Euro auf 500 Euro abzusenken - und gleichzeitig die Geringfügigkeitsgrenze der Arbeitnehmer auf ebenso 500 Euro anzuheben. Leitl verwies darauf, dass bei Unselbstständigen die Geringfügigkeitsgrenze bei etwa 400 Euro brutto pro Monat liegt, hier sollte es eine einheitliche Untergrenze geben. Von der Mindestbeitragsgrundlage werden die monatlichen Beiträge für die Krankenversicherung (7,65 Prozent) und Pensionsversicherung (18,5 Prozent von 706,6 Euro) bemessen, die Gewerbetreibende auf alle Fälle zu bezahlen haben. Monatlich sind das aktuell 186 Euro. Die Finanzierung könne aus eigenen Mitteln der Krankenversicherung erfolgen. Alternativ könnte man einen Beitragszuschuss zur Sozialversicherung für Selbstständige einführen.

Krankengeld

Einen großen Unterschied zwischen Selbstständige und Arbeitnehmer gibt es auch beim Krankengeld. Selbstständige erhalten diese Unterstützung erst ab dem 43. Tag einer Arbeitsunfähigkeit. Für viele EPU ein großes finanzielles Problem. Künftig sollen sie bei einer langen Krankheit oder nach einem Unfall diese Unterstützungsleistung rückwirkend bereits ab dem ersten Tag der Krankheit bekommen. Dies käme laut SVA-Obmann-Stv. Alexander Herzog jährlich knapp 5500 Selbstständigen zugute. Für eine Umsetzung sei aber eine Gesetzesänderung nötig. Ferner verlangt die SVA die Abschaffung der Beitragspflicht zur Pensionsversicherung für weiter erwerbstätige Pensionisten.

Die Kosten für diese SVA-Forderungen bezifferte Leitl mit etwa 70 bis 80 Mio. Euro. "Wir wollen damit Niedrigverdiener entlasten", so Leitl. Er betonte, dass es keinen Unterschied machen dürfe, ob jemand als Angestellter oder Selbstständiger wenig verdiene.

Wahlmöglichkeit

Zur Diskussion um Schein-Selbständigkeit spricht sich der SVA-Obmann dafür aus, dass "jeder Betroffene selbst entscheidet, ob er bei der Gebietskrankenkasse oder bei der SVA versichert sein möchte". Derzeit seien "Unglücksraben", die etwa nur einen Auftraggeber hätten, von den Gebietskrankenkassen oft mit hohen Nachforderungen konfrontiert. Die jetzige Regelung, wonach die Krankenkassen allein entscheiden können, ob eine Selbstständigkeit vorliegt oder nicht, sei eines Rechtsstaates unwürdig. "Die Krankenkassen sind in dieser Frage zugleich Partei und Richter, das kann es nicht sein". Leitl wünscht sich eine unabhängiges Schiedsgericht, dass im Zweifelsfall entscheidet, wo jemand versichert ist.

Reaktionen

Dem Sozialdemokratischen Wirtschaftsverband (SWV) gehen die SVA-Vorschläge nicht weit genug. Dass Selbstständige nach 42 Tagen im Krankenstand rückwirkend ab dem ersten Tag Anspruch auf Krankengeld haben, mag zwar als großer Erfolg verkauft werden, sei aber nichts weiter als eine "Augenauswischerei", sagt Peko Baxant vom SWV Wien. Ein EPU, das vielleicht "nur" 35 Tage aufgrund von Krankheit oder Unfall ausfällt, habe weiterhin einen Monat lang keine Einnahmen und stehe vor dem Risiko, sein Geschäft nach dieser langen Zeit aufgeben zu müssen. Der SWV tritt seit Jahren für die Abschaffung des 20-prozentigen SVA-Selbstbehaltes für Selbstständige sowie ein Krankengeld ab dem vierten Tag ein. Am Selbstbehalt will die SVA nicht rüttlen. Dieser habe eine "positive Steuerungswirkung", so Leitl.

Volker Plass von der Grünen Wirtschaft spricht von "populistischen Schmähs" kurz vor der WKO-Wahl. Es brauche eine gute Krankengeld-Regelung für alle SVA-Versicherten."Dieses muss spätestens nach 14 Tagen Krankenstand ausbezahlt werden." Neun von 10 Selbstständigen seien durch Sozialversicherungsbeiträge stärker belastet als durch die Einkommensteuer. Daher bringe nur eine Absenkung der "unerträglich hohen SVA-Beiträge" eine nennenswerte Entlastung für die Selbstständigen.

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