Surfend zur privaten Haushaltshilfe

Helpling, die Online-Vermittlung für Putzkräfte, warf nach nur kurzer Zeit das Handtuch.
Online-Vermittlung von Putzkräften expandiert in Österreich. Die Gewerkschaft ist alarmiert.

Die Gutscheinkarte, die dieser Tage an Wiener U-Bahn-Stationen verteilt wird, ist höchst unüblich: "Eine Stunde Reinigung geschenkt." Helpling, das deutsche Online-Vermittlungsportal für Reinigungskräfte in Privathaushalten, wirbt aggressiv um Kundschaft. Das von den Samwer-Brüdern (Zalando-Investoren) mitfinanzierte Berliner Start-up begann im Juni in Wien und weitete das Service seither auf 13 österreichische Städte aus.

"Unser Ziel ist es, Helpling flächendeckend in Österreich verfügbar zu machen. Derzeit hat nicht jeder private Haushalt Zugang zu Putzdiensten", erläutert Österreich-Geschäftsführer Nikolai Vitzthum dem KURIER. Schwarzarbeit dominiere den Markt, Helpling biete eine legale Alternative. Und stößt damit in eine Marktlücke, denn Angebote für stundenweise Putzdienste sind rar und die Möglichkeit des Dienstleistungsschecks ist vielen zu bürokratisch.

Das Service von Helpling ist unkompliziert: Wer eine Putzhilfe sucht, gibt über die Website oder App Adresse, Wunschtermin und Zimmeranzahl ein, ein Algorithmus findet die selbstständige Reinigungskraft, die per eMail den Auftrag erhält. Eine Reinigungsstunde kostet 14,90 Euro, bei regelmäßigen Einsätzen 13,90 Euro. Helpling verschickt die Rechnung, bietet ein Kundenservice (Callcenter in Deutschland) und behält sich eine Vermittlungsprovision. Der Reinigungskraft bleiben 11 bis 12 Euro brutto pro Stunde, davon müssen noch Steuern und Sozialabgaben abgeführt werden.

"Die Zahl unserer Reinigungskräfte in Österreich liegt im guten dreistelligen Bereich. Sie haben schon weit mehr als 1000 Reinigungen in Privathaushalten durchgeführt", erzählt Vitzthum. Die Putzkräfte müssten einen Gewerbeschein lösen, was auch überprüft werde. "Viele unserer Kräfte haben Erfahrungen in Hotels oder bei Reinigungsfirmen. Das Modell ist aber auch für Rentner, Hausfrauen oder Studenten interessant, weil man sich die Zeit frei einteilen kann." Die Kundenpalette sei breit gestreut und gehe über alle Altersschichten. Mit hohem Marketingaufwand expandieren die Deutschen nicht nur in Österreich, auch in Frankreich, Schweden, Italien und den Niederlande ist die Online-Vermittlung aktiv. Eine Ausdehnung auf weitere Länder ist geplant.

Unterbezahlung

Die Gewerkschaft ist alarmiert. Sie mag den Versprechungen der Helpling-Betreiber nicht so recht trauen. "Wir gehen stark davon aus, dass da nicht so genau geschaut wird und viele Putzkräfte gar nicht gemeldet sind", vermutet Ursula Woditschka von der Bundesfachgruppe Reinigung und Wartung in der Gewerkschaft vida. Von einem Stundenlohn von 11 Euro könne man als Selbstständiger außerdem nicht leben. Um einen kleinen Gewinn zu haben, müssten zwischen 20 und 30 Euro verlangt werden, rechnet Woditschka vor. Im Gegensatz zu Angestellten gebe es für die Selbstständigen weder Sonderzahlungen, Urlaub oder Krankenstand, auch die Fahrtkosten müssten sie selbst tragen. Der Anreiz, lieber schwarz zu arbeiten, sei daher groß.

Ähnlich skeptisch, aber nicht grundsätzlich ablehnend, äußert sich der Wiener Landesinnungsmeister für die Gebäudereinigung, Gerhard Komarek. Weil Helpling sich an Private richtet, sei es zwar kein unmittelbarer Mitbewerber, für Preisdumping sorge die Plattform aber sehr wohl: "Ein Stundensatz von 13,90 Euro bringt die gesamte Branche unter Druck", argumentiert Komarek. Auch könnte das Geschäftsmodell der Berliner leicht in Konflikt mit dem österreichischen Arbeitsrecht kommen, so Komarek, denn aus der Abhängigkeit der Selbstständigen von nur einem Anbieter könne leicht ein verstecktes Angestelltenverhältnis werden. "Wenn den Putzkräften netto nicht mehr als fünf Euro übrig bleibt, werden viele ohnehin gleich wieder abspringen", glaubt Komarek. Kein Pardon kennt die Innung mit Online-Vermittlern, die Selbstständige ohne Konzession auch in Büros oder Gewerbebetrieben reinigen lassen.

"Der Markteintritt von helpling betrifft uns momentan nicht, weil wir eine andere Zielgruppe haben", sagt Peter Edelmayer, Chef des Gebäudedienstleisters Dussmann. Er hält das Geschäftskonzept allerdings für "interessant", weil die private Nachfrage nach Reinigungskräften besteht, von den großen Playern aber nicht bedient wird. Zumindest hierzulande. Jenseits der Grenzen haben sich längst Online-Plattformen wie Homejoy, Cleanagents oder Bookatiger mit der Vermittlung von Putzkräften etabliert.

Auch Dussmann, als Heimservice-Anbieter gestartet, hat längst auf das Geschäft mit Firmenkunden umgeschwenkt. Mit 165 Millionen Euro Jahresumsatz gehört das Unternehmen in Österreich zu den drei Branchenriesen. Mehr Umsatz machen laut Branchenzahlen nur ISS und Simacek (199 bzw. 168 Millionen Euro).

In Österreich raufen sich rund 8000 Reinigungsunternehmen um Aufträge, die meisten davon sind allerdings viel zu klein, um bei großen Ausschreibungen im Wert von 500.000 Euro und mehr im Jahr mitzubieten.

Die großen Aufträge kommen vor allem von Gesundheitseinrichtungen, Industriekonzernen, Verkehrsbetrieben wie den Wiener Linien oder den ÖBB oder der Bundesbeschaffung GmbH. Letztere vergibt jährlich Aufträge im Wert von rund 40 Millionen Euro, etwa für die Reinigung von Ministerien, Schulen, Bundesheergebäuden oder Polizeistationen.

Surfend zur privaten Haushaltshilfe
"Meist werden Großaufträge für eine Laufzeit von drei Jahren vergeben, mit einer Option für weitere zwei Jahre", erklärt Edelmayer. Nachsatz: "Ausschreibungen für ein Jahr sind eine Unsitte, schließlich müssen wir oft zur Reinigung der Gebäude extra Maschinen kaufen."

Der Preisdruck in der Branche ist über alle Größenordnungen hinweg enorm. "Manchmal ist der teuerste Anbieter um 100 Prozent teurer als der billigste", wundert sich Edelmayer über manche Kalkulationen. Schließlich würden 90 Prozent der Kosten auf das Personal entfallen, das aufgrund des Konkurrenzdrucks so gut wie nie mehr als im Kollektivvertrag vereinbart bezahlt bekommt. Der Brutto-Mindeststundenlohn liegt derzeit bei 8,08 Euro. Die Fluktuation des Reinigungspersonals hat laut Edelmayer in den vergangenen Jahren abgenommen und liege aktuell bei zehn Prozent.

Betriebsküchen

Dussmann setzt verstärkt auf das Geschäftsfeld Verpflegung und beliefert unter anderem Kindergärten oder Betriebskantinen. "Unter 120 bis 150 Essen zahlt sich keine eigene Betriebsküche aus", sagt er. Mitunter würde Dussmann daher von einer Küche aus gleich mehrere Betriebe beliefern. Neben Bio heißt der zweite große Trend Regionalität. Edelmayer: "Es gibt schon Ausschreibungen, bei denen vorgegeben wird, dass die Lebensmittel aus einem Umkreis von 50 Kilometer kommen müssen."

Branche
Die Reinigungsbranche in Österreich besteht aus ca. 8000 Unternehmen mit insgesamt 51.000 Beschäftigten. 1600 Betriebe beschäftigen Mitarbeiter, 6400 arbeiten auf eigene Rechnung, v. a. mittels Dienstleistungsscheck.

Das freie Gewerbe
Gebäudereinigung ohne Befähigungsnachweis erlaubt nur Putzen in privaten Haushalten.

Anbieter
Der private Putzmarkt wird nach wie vor zu ca. 80 Prozent vom Pfusch beherrscht. Legale Alternativen sind der Dienstleistungsscheck (Preis frei vereinbar, Mindeststundenlöhne liegen zwischen 10 und 15 Euro). Neben Helpling vermitteln zwei weitere Portale Putzhilfen in Wien: Cleanagents ab 14 Euro die Stunde, Bookatiger ab 15 Euro. Zusätzlich gibt es in einigen Städten gemeinnützige Angebote, z. B. über AMS-Projekte.

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