Superfood statt schrumpelige Äpfel
Birkenstock konnte man sich auf der größten Biomesse Europas, vergangene Woche in Nürnberg, in die Haare schmieren. Das Unternehmen mit den Gesundheitsschlapfen zeigte vor einer Birkenwald-Kulisse, wo es seinen Fuß als nächstes hinsetzen will: Ins Feld der Naturkosmetik.
28 Artikel sollen sich den Weg zum Kunden bahnen. Ihr Hauptwirkstoff ist ein aus der Rindenschicht der Korkeiche gewonnener Extrakt. Das darin enthaltene Suberin glättet und strafft die Haut, behauptet eine Sprecherin. Korkeiche, wie in Birkenstock-Sandalen. So gesehen sei Kosmetik ja der nächste logische Schritt für einen Sandalen-Macher.
Unter den Messebesuchern sucht man das Klischee des in Birkenstock durch die Hallen schlapfenden Öko-Freaks vergeblich. Bio ist ein weltumspannendes Geschäft geworden, in dem Unternehmer große Mengen um große Summen um den Globus schicken.
Einer von ihnen ist Jorge Fernandez. Er ist aus Peru angereist und sucht Abnehmer für Superfood. Also für Lebensmittel, die als reich an Vitaminen, Proteinen und anderen Nährstoffen gehypt werden. Wie Chia-Samen, Quinoa oder Moringa.
Teurer Chia-Samen
"Die Nachfrage in Europa ist gut und steigt weiter. Früher haben sich nur Holländer und Franzosen dafür interessiert, jetzt auch die Osteuropäer", weiß der Peruaner. Chia-Samen seien derzeit so gefragt, dass der Preis pro Tonne binnen eines Jahres von 2700 auf 3100 Euro gestiegen ist. "Eine gefährliche Entwicklung. Wenn ein Produkt zu teuer wird, kann es mit der Nachfrage schnell wieder vorbei sein", fürchtet er. Gemeinsam mit seinem Vater und seiner Schwester mischt er seit 2013 im Bio-Superfood-Geschäft mit. Der Rest der Familie ist derzeit aber in Dubai. Jorge: "Dort stellen wir nächste Woche bei einer Messe aus."
Superfood gibt es auf der Biofach in allen Variationen. In Folie eingeschweißte Goji-Beeren, Weizengras wahlweise in Pulver oder Tablettenform. Oder Chia-Samen, die in Mango-Smoothies gemixt werden.
Die Wiener Firma Feinstoff verkauft Superfood in Dosen und kleinen Papiersäckchen. Das Unternehmen füllt die Mischungen am Standort Wien ab und kauft die Zutaten in der halben Welt ein. Dank der steigenden Mengen verstärkt auch direkt beim Produzenten. "Als wir vor fünf Jahren gestartet sind, hat noch keiner gewusst, was Superfood überhaupt ist", sagt Geschäftsführer Matthias Schodits. Heute verkauft er in mehr als 2000 Geschäften, auch unter der Marke Vryng bei Merkur oder Interspar.
China-Pilz aus Ungarn
Ein paar Hallen weiter gibt es ungarische Bio-Pilze. Selbige werden nicht im Morgennebel im Wald eingesammelt, sondern wachsen in sterilen Räumen aus Gefäßen. Der Glänzende Lackporling etwa, der in der Traditionellen Chinesischen Medizin seit Jahrtausenden eingesetzt wird. "In unseren sterilen Räumen wachsen die Pilze in acht Wochen, in China sind sie erst nach 18 Monaten erntereif", erklärt Daniel Mraz von der Firma Dr. Ganolife Trade. "Alles bio, alles zertifiziert", betont er.
"Essen wird immer globaler, überall gibt es ähnliche Trends", beobachtet Rattan Bagga. Das kommt dem Geschäftsmann gerade recht. Der Kanadier sucht in Nürnberg Rohstofflieferanten und Käufer für seine Müslis und Erdnuss-Butter-Variationen, die er derzeit vor allem für Handelsketten in Kanada und Nordamerika produziert. Deutschland ist für ihn als zweitgrößter Bio-Markt hinter den USA interessant. "Außerdem könnten wir von hier aus gleich ein paar andere Länder mitmachen", so sein Plan.
Die EU ist mit einem Umsatz von 27 Milliarden Euro der zweitgrößte Binnenmarkt für Bio-Waren nach den USA (38,5 Milliarden Euro). Allein die Deutschen gaben zuletzt 8,6 Milliarden Euro im Jahr für Öko-Ware aus, zweitstärkste Nation waren die Franzosen mit 5,5 Milliarden, gefolgt von den Briten und Italienern (2,6 bzw. 2,3 Milliarden Euro).
Von Bauernhofidylle ist auf der Biofach, der Leitmesse für Bio-Lebensmittel in Europa, keine Spur zu finden. 2800 Aussteller aus 88 Ländern präsentierten vergangene Woche in den Nürnberger Messehallen ihre Waren. Verkaufskoje reihte sich an Verkaufskoje, dazwischen Geschäftsleute im Laufschritt. Die Produkte sind oft austauschbar, der Konkurrenzdruck hoch.
Dass es den Geschäftsleuten um keine homöopathischen Mengen geht, wird am Stand eines indischen Bio-Honigs augenscheinlich. Am Plakat neben dem Verkaufspult sind keine Bienen zu sehen, sondern eines der Riesenfässer, in denen Bio-Honig abgefüllt wird.
Vergleichsweise gemütlich geht es am Stand der Äthiopier zu, die zur Kaffeezeremonie einladen. Schnell stapeln sich die geleerten Tassen. Nebenan wird der Bio-Honig von 2000 äthiopischen Imkern vermarktet.
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