Streit um Teilzeitboom im heimischen Handel

Handelsobfrau Lorentschitsch: "Zu wenige Frauen für Vollzeit". Gewerkschaft spielt Ball zurück.

Wenn sich Frauen in Österreich als Verkäuferinnen bewerben, dann suchen sie fast ausschließlich Teilzeitstellen. Dies behauptet zumindest die Obfrau der Sparte Handel in der Wirtschaftskammer, Bettina Lorentschitsch. „Es ist fast unmöglich, weibliche Beschäftigte für eine Vollzeitstelle zu bekommen“. Viele ausgeschriebene Verkaufs-Jobs, insbesondere im Lebensmittelhandel, könnten daher gar nicht besetzt werden. Damit sie mehr Bewerbungen erhalten, würden Händler vermehrt dazu übergehen, nur noch Teilzeitstellen anzubieten.

Die Kritik der Gewerkschaft, dass Frauen zur Teilzeit quasi gezwungen werden, kann Lorentschitsch nicht nachvollziehen. „Wir wären doch froh, wenn mehr Frauen statt Teilzeit Vollzeit arbeiten.“ Dass dies aufgrund von Kinderbetreuung oft gar nicht immer möglich ist, sei ihr natürlich klar. Aber es gebe auch ein davor und danach.

Streit um Teilzeitboom im heimischen Handel
Erhebungen des Arbeitsmarktservice (AMS) bestätigen den Eindruck der Handelsobfrau. Demnach gibt es etwa drei Mal so viele Arbeitsuchende mit Wunsch Teilzeit als angebotene Teilzeit-Stellen. Die Teilzeitquote in Österreich steigt von Jahr zu Jahr kontinuierlich an und liegt bei den Frauen inzwischen bei 45 Prozent (siehe Grafik). Im Einzelhandel, wo 72 Prozent der Angestellten Frauen sind, beträgt sie sogar 55 Prozent. Aktuell ist jede zweite der 3500 offenen Stellen keine Vollzeitstelle.

Job-Chancen

Laut AMS-Qualifikationsbarometer sind die Job-Chancen im österreichischen Handel generell relativ gut, vor allem in Städten. Trotz mauer Konjunktur steigen die Beschäftigtenzahlen. Aber: „Die größten Chancen gibt es im Bereich der geringfügigen und Teilzeit-Beschäftigung“. Soll heißen: Es wird dieselbe Arbeit auf mehr Köpfe aufgeteilt. Vor allem an Samstagen werden stundenweise Aushilfskräfte, etwa Studenten, beschäftigt. Die Zahl der geringfügig Beschäftigten im Handel stieg zuletzt auf 55.000 an.

Henne-Ei

Streit um Teilzeitboom im heimischen Handel
APA6176576-3 - 14122011 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT WI - Die neue Obfrau der Bundessparte Handel in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) Bettina Lorentschitsch am Dienstag, 13. Dezember 2011, während eines Interviews mit der Austria Presse Agentur in Wien. APA-FOTO: HELMUT FOHRINGER
Handelsgewerkschafter Manfred Wolf spricht von einem „Henne-Ei“-Problem bei der Teilzeit. Natürlich gebe es viele Frauen mit Teilzeitwunsch, richtig sei aber auch, dass vielen Frauen gar keine Vollzeitstellen mehr angeboten werden. „Für die Firmen ist das eine reine Kostenfrage. Ältere Frauen mit längeren Dienstzeiten haben so gut wie keine Chance auf Vollzeit“, kritisiert Wolf die Aussagen von Lorentschitsch. Faktum sei, dass immer mehr Vollzeitstellen verloren gingen, dafür Teilzeitbeschäftigte oft unbezahlte Mehrarbeit leisten müssten. Und Frauen in Teilzeit als Führungskräfte seien im Handel „eine rare Spezies“, meint Wolf. Die Gewerkschaft will Teilzeit verteuern und einen leichteren Wechsel in Vollzeit ermöglichen.

Arbeit im Handel

Beschäftigt: Der Handel beschäftigt ca. 520.000 Menschen.

Offene Stellen: Via AMS sind in Österreich aktuell 3500 Verkaufsjobs zu vergeben, davon 1000 Lehrstellen.

Teilzeit: Die Hälfte der offenen Stellen sind keine Vollzeitstellen.

Arbeitslose: Ende Juli gab es knapp 32.000 arbeitslose VerkäuferInnen.

Frauen und Quote

72 % der Beschäftigten im Einzelhandel sind Frauen, im gesamten Handel sind es 60 Prozent.

55 % der Beschäftigten im Einzelhandel arbeiten Teilzeit, im gesamten Handel 45 Prozent.

Kommentare