Experte erklärt: Woran die meisten Start-ups in Österreich scheitern

Mehr als 3.000 Start-ups wurden in Österreich seit 2012 gegründet. Viele davon gibt es nicht mehr, doch einige haben sich erfolgreich etabliert. Der KURIER porträtiert in der Sommerserie „Start-ups: Was wurde aus ...“ Gründungen, über die schon vor Jahren berichtet wurde. Wie haben sie es geschafft, groß zu werden, und wie geht es mit ihnen weiter? Zum Auftakt zieht Start-up-Experte Nikolaus Franke von der WU-Wien eine Zwischenbilanz zur heimischen Gründungslandschaft.
KURIER: Wie beurteilen Sie die aktuelle wirtschaftliche Lage der heimischen Start-up-Szene?
Nikolaus Franke: Keine Frage, die aktuelle Situation ist nicht gut. Wir haben dringenden Handlungsbedarf. Das Level an Entrepreneurship und Innovation von heute entscheidet darüber, wie gut wir als Gesellschaft morgen leben können.
Die Finanzierungsrunden sind im ersten Halbjahr stark eingebrochen, v. a. ausländische Investoren ziehen sich zurück. Was sind aus Ihrer Sicht die Gründe?
Das ist ein großes, aber kein rein österreichisches Problem. Generell haben sich viele internationale Fonds aus peripheren Märkten zurückgezogen. Bei uns rächen sich die strukturellen Rahmenbedingungen besonders. Wir müssen unsere Hausaufgaben in Bezug auf Bürokratie, Abgaben und Steuern unbedingt konsequent anpacken.
Die Wirtschaft kommt derzeit nicht vom Fleck. Welche Auswirkungen hat das auf die Gründungen?
Eine schwache Konjunktur bedeutet schwache Nachfrage, sowohl von Haushalten als auch von Unternehmen. Das hemmt nicht nur die Entwicklung der Start-ups selbst, sondern auch deren Attraktivität für Investoren und Talente. Typisch für angespannte Zeiten ist auch die Zunahme von Existenz- und Notgründungen. Die Zahl der besonders wichtigen wachstumsorientierten Chancengründungen geht zurück.
Woran scheitern die meisten Start-ups?
Die häufigsten Gründe sind mangelnder Marktbedarf, nicht durchdachtes Geschäftsmodell, schlechtes Timing, Vernachlässigung von Vertrieb und Marketing, Kapitalmangel, Teamkonflikte. Sie alle haben einen gemeinsamen Nenner: Mangelnde wirtschaftliche Kompetenz. Viel zu oft scheitern Start-ups trotz exzellenter Technologie, weil sie die Bedeutung von Managementfähigkeiten unterschätzen.
Was zeichnet erfolgreiche Start-ups aus?
Ein erfolgreiches Start-up vereinigt wirtschaftliche und technologische Kompetenz.
Hat sich durch das Aufkommen der Start-ups die generelle Einstellung zum Thema Scheitern geändert?
Ja, eindeutig. Innovation bedeutet nun mal Chance und Risiko. Wer Skifahren lernen will, der wird wohl auch mal in den Schnee fallen. Solang man sich nicht den Hals bricht, wird man damit leben können. Und Entrepreneure müssen damit leben, dass es mit dem Start-up schiefgehen kann. Das Risiko, zu scheitern, ist der Preis dafür, den man bezahlen muss, wenn man Großes schaffen will. Nur Mut! Jeder große Entrepreneur musste Rückschläge und Probleme überwinden und mit Niederlagen leben. Man muss halt einmal mehr aufstehen als man hinfällt. Ich denke, diese Mentalität strahlt schon über die Start-up-Szene hinaus. Aber haben wir in Österreich noch lange keinen Start-up- Spirit wie in den USA.
360 Start-ups wurden 2024 gegründet. Die Zahl stagniert. Seit 2013 wurden 3.707 innovative junge Unternehmen gegründet.
Wien dominiert
Der Großteil wurde mit 1.734 in Wien gegründet, gefolgt von der Steiermark (447) und Oberösterreich (440).
53 Prozent haben Gelder von Investoren erhalten. Der Anteil ging zuletzt leicht zurück.
Überlebensrate
Die Rate der Start-ups, die weder in die Pleite rutschten noch verkauft oder übernommen wurden, liegt je nach Gründungsjahr zwischen 64 und 89 Prozent.
Was hat sich aus Ihrer Sicht in Österreich positiv, was negativ entwickelt?
Gut ist, dass sich das Bewusstsein verändert hat. Entrepreneurship wird nicht mehr als Luxus gesehen, den wir uns leisten, sondern als Grundlage für Fortschritt, Wohlstand und Schaffung von Arbeitsplätzen. Das ist sehr wichtig. Die Politik hat entsprechend wichtige Impulse gesetzt. Worauf es nun ankommt, sind folgende Punkte: Wir müssen den Kapitalzugang verbessern, das Übermaß an Regulierung und Bürokratie vereinfachen und insgesamt den Mentalitätswandel weiter vorantreiben. Das ist vor allem auch ein Thema der Bildungsinstitutionen.
Der Staat hat lange Zeit Gründungen stark gefördert. Wie viel staatliche Unterstützung braucht es?
Das Wichtigste sind gründungsfreundliche Rahmenbedingungen und die Weiterentwicklung unserer Mentalität in Richtung Entrepreneurship. Hier gibt es noch viel zu tun. Fördern muss man ansonsten da, wo es Marktversagen gibt. Das betrifft vor allem Awarenessbildung und Frühphasenförderung. Deswegen sind Gründungszentren, Talentprogramme, Inkubatoren, Gründerstipendien und die Förderung von Universitäts-Spin-offs so wichtig. Wichtig ist auch, dass die direkte Unterstützung von Start-ups befristet ist. Wer sich an Förderung gewöhnt, wird nie marktfähig.
Was kann der geplante Dachfonds bewirken?
Wir wissen aus Ländern wie Dänemark, Israel oder Frankreich, dass die Multiplikatorwirkung eines solchen Fonds sehr positiv sein kann. Über die Investition in mehrere Venture Capital-Fonds steigt das Volumen ihrer Start-up-Beteiligungen. Ich erhoffe mir davon, dass er das Start-up-Ökosystem von der Förderabhängigkeit zur Kapitalmarktfähigkeit entwickelt. Dazu ist wichtig, dass der Fonds international orientiert ist und keinem politischen Einfluss unterliegt.
In anderen Ländern sind Start-ups stärker mit etablierten Betrieben vernetzt. Warum funktioniert das in Österreich nicht?
Solche Kollaborationen sind eine Win-Win-Situation. Sie kombinieren die Stärken des etablierten Unternehmens, Kapital und Marktzugang, mit der Kreativität und Agilität von Start-ups. Fast zwei Drittel aller Einhörner (Unternehmenswert über 1 Mrd. Dollar, Anm.) weltweit haben Corporate Venture Capital erhalten. Hier haben wir in Österreich tatsächlich noch Aufholbedarf. Was bisher gefehlt hat, ist das Verständnis für unterschiedliche strategische Beteiligungsmodelle. Externe Innovationen werden oft reflexhaft abgewehrt, „not invented here“, nennt man dieses Phänomen auf Englisch. Im Rahmen unseres Forschungsprojekts explore! entwickeln wir gezielt Maßnahmen, um dieses Modell für Österreich weiterzuentwickeln.
Alle setzen derzeit auf das KI-Thema. Welche Themen sind sonst noch erfolgversprechend?
Innovation brauchen wir da, wo wir Probleme haben. Ungelöste Probleme sind unternehmerische Chancen. Umwelt- und Klimaherausforderungen machen ClimateTech zu einem Riesenthema, der demografische Wandel stärkt das Thema HealthTech, die nötige Entbürokratisierung GovTech und LegalTech, Verschiebungen auf dem Arbeitsmarkt EduTech. So lang wir nicht im Garten Eden leben, wird es immer unternehmerische Chancen geben.
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