Spotify: Der Musikpionier will es geräuschlos

Spotify: Der Musikpionier will es geräuschlos
Ungewöhnliches Börsedebüt der Schweden am 3. April in New York – extreme Kursschwankungen drohen

Keine Interviews, kein Glocken-Gebimmel an der New Yorker Börse, ja nicht einmal eine Party wird es geben. Der Börsegang von Spotify (Kürzel: SPOT) am 3. April soll möglichst geräuschlos über die Bühne gehen – so will es sein Gründer, wie bei einer Investoren-Präsentation erklärte. Alles rund um das mit Spannung erwartete Technologie-Debüt.

Wer oder was ist Spotify?

Der Schwede Daniel Ek (35) hat Spotify 2006 gegründet. Bis heute ist die Zentrale des Unternehmens, das in 61 Ländern aktiv ist und 3500 Mitarbeiter zählt, in Stockholm. Die Streaming-Anwendung ermöglicht es ihren Nutzern, rund um die Uhr Musik oder Podcasts zu hören – entweder gegen eine monatliche Flatrate von 9,99 Euro. Oder gratis, wenn man dafür im Gegenzug Werbespots über sich ergehen lässt.

Welche Musik kann man über Spotify hören?

Laut Ek sind mehr als 35 Millionen Songs verfügbar. In der Vergangenheit hatten immer wieder Künstler den Dienst boykottiert, weil sie recht wenig von den Einnahmen sehen – die Kontroverse mit Popstar Taylor Swift machte Schlagzeilen. Inzwischen ist alles Friede, Freude, Eierkuchen: Swifts jüngstes Video durfte Spotify exklusiv veröffentlichen. Und Ek betont stets, dass mit Spotify Raubkopien und Piraterie obsolet würden. Zudem eröffne der Datenschatz Künstlern viele Möglichkeiten: So verändere die Rockband Metallica ihre Setlist mittlerweile je nachdem, welche ihrer Songs am Auftrittsort besonders oft abgerufen wurden.

Ist das Konzept erfolgreich?

Kommt darauf an. Spotify ist mit 76 Millionen zahlenden Kunden zwar unangefochtener Marktführer und doppelt so groß wie Apple Music. Der ist aber viel breiter aufgestellt und holt rasch auf. Und Geld verdient hat Spotify bisher noch nie. Im Vorjahr betrug der operative Verlust satte 378 Millionen Dollar. Heuer soll er nur unwesentlich kleiner ausfallen.

Wie viel ist Spotify wert?

Statt eines klassischen Börsegangs (Initial Public Offering) , bei dem neue Aktien aufgelegt werden und Großbanken im Vorfeld einen Ausgabekurs festsetzen, werden Spotifys Alteigentümer ihre Anteile direkt platzieren, um Kasse zu machen. Das spart Kosten. Und man wolle so Chancengleichheit für alle interessierten Investoren schaffen, sagte Ek. Analysten schätzen Spotifys Wert auf 20 bis gar 44 Milliarden Dollar: Das wäre mehr, als Autobauer Ford oder die US-Fluglinie Delta Airlines wert sind.

Wem gehörte Spotify eigentlich bisher?

Die Löwenanteile hielten die Gründer, Daniel Ek (26 Prozent) und sein Kompagnon Martin Lorentzon (13 Prozent), geht aus dem Anmelde-Formular für die US-Börsenaufsicht SEC hervor. Sie dürften schlagartig zu Multi-Milliardären werden. Der chinesische Internetgigant Tencent ist mit 7,6 Prozent an Bord, dazu kommen Finanzinvestoren und große Musiklabels, denen Spotify im Zuge von Rechtsstreitigkeiten Anteile abtreten musste. Der schwedische Telekom-Konzern Telia hat noch rasch seine Anteile um 272 Mio. Dollar an Investoren verkauft.

Ist der Zeitpunkt günstig?

Nicht unbedingt, das Börseumfeld ist schwierig. Die Facebook-Affäre wegen entwendeter Nutzerdaten hat Technologie-Aktien zuletzt kräftig die Flügel gestutzt. Die ungewöhnliche Form einer Direktplatzierung wird ebenfalls spannend: Experten befürchten ein gewaltiges Auf und Ab des Spotify-Kurses, weil vor dem Handelsstart Preissignale fehlen. Geht alles glatt, könnte das freilich Schule machen.

Wie will Spotify künftig Geld verdienen?

Bei Werbekunden ist Spotify nicht der große Renner, 90 Prozent der Einnahmen stammen aus den Abos. Optimisten sehen aber Netflix als Vorbild, das auch rote Zahlen schrieb, bevor es zum Synonym der neuen TV-Ära wurde. Heute ist Netflix profitabel und an der Börse gut 130 Mrd. Dollar wert.

Wo liegen die Risiken des Geschäftsmodells?

Die Achillesferse: Spotify verfügt über keine eigenen Inhalte und ist von Rechteinhabern wie Sony, Warner und Universal Music abhängig. Sie kassieren momentan fast 89 Prozent der Einnahmen. Ek will das um zwei Drittel reduzieren, nur wie? Und die Konkurrenz schläft nicht. Intelligente Lautsprecher wie Amazons Echo („Alexa, spiel ...“) oder Googles YouTube werden für das Abspielen von Musik immer beliebter. Und es gibt politische Risiken: Ab 1. April dürfen Streaminganbieter in der EU keine länderspezifischen Unterschiede bei ihren Angeboten mehr machen. Verschärfte Datenvorschriften oder die geplante EU-Digitalsteuern würden auch Spotify treffen – aber das ist Zukunftsmusik.

Wo liegt dann die Wachstumsfantasie für Spotify?

In vielen Ländern ist der Dienst noch gar nicht vertreten. Vor allem Asien ist weitgehend eine weiße Fläche. In China, wo die großen US-IT-Konzerne gar nicht zugelassen oder bald wieder aus dem Markt gescheucht wurden, hofft Spotify, durch seine Überkreuz-Beteiligung mit Tencent bessere Karten zu haben. Aber das liegt in der Ferne. Hingegen stellte Ek baldige Markteintritte etwa in Indonesien oder Indien in Aussicht.

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