Nächste Milliarde für Kärntner Pleitebank

"Wir haben im Budget eine Milliarde Euro vorgesehen, was die Hypo betrifft", so Finanzminister Michael Spindelegger nach dem Ministerrat am Mittwoch.
Hypo-Abwicklung: Neo-Finanzminister Spindelegger muss das Banken-Debakel ausbaden.

Die Hypo Alpe-Adria macht wieder Schlagzeilen. Und mit ihr ÖVP-Finanzminister Michael Spindelegger. Obwohl die Regierungsparteien über das Insolvenz-Szenario am liebsten gar nicht mehr sprechen würden, kann sich die Ende 2009 notverstaatlichte Bank nur mit Dauerzuschüssen der öffentlichen Hand über Wasser halten. Der Patient in Kärnten wird künstlich am Leben erhalten.

Zur Überraschung aller Beobachter hat Spindelegger nach dem Ministerrat einen ungewohnten Blick in die schlechten Karten gewährt. Statt bisheriger Schätzungen, die von einem staatlichen Zuschussbedarf zwischen 400 und 900 Millionen Euro gereicht haben, nannte Spindelegger einen neuen Maximalwert für 2014: Eine Milliarde Euro. Diesen Betrag habe man im heurigen Budget, das am 29. April präsentiert werden soll, vorgesehen. Schon im Vorjahr mussten die Steuerzahler 1,75 Milliarden Euro in Österreichs größtes Fass ohne Boden zuschießen.

Erstaunen

Nicht nur den Koalitionspartner SPÖ verwunderte Spindeleggers Offenheit. „Das ist ja wie ein Freibrief, weiter Verluste zu machen.“ Auch Spindeleggers Kabinett musst ausrücken, um die Aussagen des Ressortchefs ins rechte Licht zu rücken. Die genannte Milliarde sei als „Vorsorge“ für 2014 budgetiert – und Teil des längst von der EU genehmigten staatlichen Zuschusses. „Der exakte Kapitalbedarf der Hypo für 2014 steht aktuell noch nicht fest – und ist abhängig von den Fortschritten der Task Force Hypo“, hieß es im Finanzministerium.

Mit diesen „Fortschritten“ sind in erster Linie die Verhandlungen mit den heimischen Privatbanken gemeint, die sich an einem Hypo-Abwicklungsfonds beteiligen sollen, um die faulen Kreditmilliarden nicht auf Österreichs Schulden durchschlagen zu lassen. Auch SPÖ-Kanzler Werner Faymann ist bereit, den Banken entgegenzukommen – und die bei den Instituten verhasste Bankensteuer zur Hälfte für die Hypo-Abwicklung zu verwenden.

Derzeit fließt die Bankenabgabe, deren Konstruktion jetzt adaptiert wurde, damit das Aufkommen wieder 630 Millionen Euro beträgt, ins allgemeine Budget.

„Fortschritte“ in Richtung eines Vergleichs hat sich die Regierung aber auch im Milliardenstreit mit Bayern erhofft. Spindelegger hätte dazu mit Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer in München am Rande der Sicherheitskonferenz reden sollen. Nun reist Außenminister Sebastian Kurz nach München – und vertritt Spindelegger.

Seehofer sagte dazu am Mittwoch, er sehe „derzeit keinen Ansatzpunkt“ für einen Vergleich mit Österreich. Er werde dies auch Kurz am Samstag sagen. Seehofer: „Vergleichsverhandlungen finden nicht statt.“ Bayern könne nicht auf Milliarden verzichten, nur damit beim Grenzübertritt „Schönwetter“ herrsche. Das Wohlwollen der Bayern wäre insofern wichtig, als die früheren Hypo-Eigentümer der in Wien favorisierten Konstruktion mit Privatbanken zur Hypo-Abwicklung zustimmen müssen. Solche Mitspracherechte wurden den Bayern seinerzeit bei der Notverstaatlichung für weitere Kredite an die Hypo eingeräumt.

Finanzminister Michael Spindelegger war am Mittwoch im Nationalrat mit der ersten Dringlichen Anfrage zur Hypo Alpe-Adria konfrontiert – und es wird nicht die letzte gewesen sein (hier geht es zur Live-Blog-Nachlese).

Die Debatte förderte einige interessante Neuigkeiten zu Tage.

Spindelegger räumte ein, dass es sich bei der Hypo um ein Debakel handle, das zur „teuersten Geschichtsaufarbeitung in der Zweiten Republik wird“.

Zweitens gab Spindelegger dem Parlament bekannt, dass das ominöse Oliver-Wyman-Gutachten, in dem unter vier Möglichkeiten auch ein Insolvenz-Szenario durchgerechnet wurde, vom Finanzministerium beauftragt und bezahlt wurde. Und zwar im November 2013. Spindelegger: „Darin wurde eine geordnete Insolvenz als eine von vier Lösungen aufgezeigt.“

Alle vier Oppositionsparteien fordern die Veröffentlichung des Wyman-Gutachtens, um auch die Insolvenz-Lösung zu diskutieren, da diese möglicherweise die günstigste für die Steuerzahler sei. Spindelegger sagt, das Gutachten dürfe nur mit Erlaubnis der Studienverfasser veröffentlicht werden.

Drittens räumte Spindelegger ein, dass die Bayrische Landesbank jene rund drei Milliarden, um die sie mit Österreich vor Gericht prozessiert, im Falle einer Insolvenz verlieren würde.

Für Regierung und Nationalbank kommt eine Insolvenz jedoch nicht infrage, auch nicht eine, bei der Kärnten mithilfe eines Bundes-Kredits vor einem Anschlusskonkurs gerettet würde. Spindelegger sagte, die Folgen einer Insolvenz seien von der Nationalbank „genau geprüft“ worden. Er könne das Ergebnis jedoch auf Rücksicht auf die anderen Hypo-Banken nicht öffentlich darlegen (wegen des Haftungsverbunds mit anderen Hypos würden andere Landesbanken womöglich Probleme bekommen). Spindelegger wiederholte gestern, die Regierung wolle eine Hypo-Abwicklung unter Beteiligung der Privatbanken.

„Sie verstehen nichts“

„Entweder Sie streuen den Steuerzahlern Sand in die Augen oder Sie verstehen nichts von Unternehmertum“, hielt Neos-Abgeordneter Rainer Hable Spindelegger entgegen. „Bankvorstände dürfen sich rein rechtlich gar nicht an dem Risiko und den Verlusten der Hypo beteiligen, wenn sie dafür nicht eine Gegenleistung vom Staat bekommen.“

Einig waren sich gestern Grünen-Chefin Eva Glawischnig, die die Dringliche stellte, und Spindelegger, dass „die Wurzel des Übels im freiheitlichen Systems in Kärnten“ lag. Die Freiheitlichen protestierten mit Zwischenrufen.

Die FPÖ ihrerseits konterte mit der Forderung nach einem Untersuchungsausschuss. Die Notverstaatlichung und alles, was seither schief gelaufen sei, müsse „restlos aufgeklärt werden“. Dieser Ansicht sind alle vier Oppositionsparteien. Glawischnig an Spindelegger: „Sie können die Aufklärung verzögern. Aber Sie werden einem Untersuchungsausschuss nicht entgehen.“

SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder und ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka verteidigten die Notverstaatlichung im Jahr 2009. Beide Politiker waren damals Staatssekretäre im Finanzministerium und damit bei der Entscheidung unmittelbar dabei gewesen. Schieder: „Die kleinen Unternehmer in Kärnten, die ein Konto bei der Hypo hatten, hätten ihre Betriebe zusperren müssen, wenn wir die Hypo nicht gerettet hätten.“

Lopatka betonte, dass keiner der damals beteiligten Politiker die Notverstaatlichung wollte, dass aber eine Bank-Insolvenz zum damaligen Krisen-Zeitpunkt unverantwortlich gewesen wäre.

Kanzler war anwesend

Lopatka enthüllte am Mittwoch übrigens, dass auch Kanzler Werner Faymann in jener Verstaatlichungs-Nacht physisch anwesend war: „Der Kanzler kam damals spät in der Nacht dazu und wollte die Notverstaatlichung auch nicht. Keiner wollte das. Aber wir waren dazu gezwungen. Die Haftungen Kärntens betrugen damals mehr als zwanzig Milliarden.“

TS-Klubobfrau Kathrin Nachbaur zitierte Johannes Ditz, der im Vorjahr als Hypo-Aufsichtsratspräsident aus Protest gegen die Verschleppung einer Bad Bank zurück getreten ist. Laut Ditz hätte man bei rechtzeitigem Handeln Staatszuschüsse vermeiden können. Nachbaur: „Dieser Vorwurf ist strafrechtlich relevant.“

Was hat die Regierung am Montag entschieden?

Spindelegger sagte, die Regierung folge "den Empfehlungen der Taskforce". Angestrebt wird also, dass sich die Banken über einen Fonds an der Hypo-Bad-Bank beteiligen. Liebscher soll nun mit den Banken verhandeln, ob und wie sie sich beteiligen könnten. Zudem muss geprüft werden, wie Eurostat die Schuldenfrage beurteilt. Parallel dazu sollen auch die übrigen Varianten (zum Beispiel eine rein staatliche Abbau-Einheit) geprüft werden.

Wie geht es weiter?

Bis Mitte Februar sollen die Ergebnisse der Gespräche mit Eurostat und den Banken vorliegen. Danach soll eine Entscheidung fallen. Nationalbank-Gouverneur Nowotny meint, die Hypo-Bad-Bank könnte noch im ersten Halbjahr stehen.

Wie wirkt sich die Hypo auf das Budget aus?

Am Mittwoch soll das Steuerpaket (Abgabenänderungsgesetz) samt Bankenabgabe im Ministerrat beschlossen werden. Klar ist schon jetzt, dass die Geldinstitute nicht zwei Mal zahlen werden (einmal Bankensteuer, einmal für die Bad Bank). Möglich ist aber, dass ein Teil der Einnahmen aus der Bankenabgabe für das Budget verwendet wird – und der Rest in den Hypo-Abwicklungsfonds fließt. Das würde allerdings ein Loch ins Budget reißen.

Was kostet die Banken eine Beteiligung an einer Bad Bank für die Hypo?

Österreichs Banken sollen laut dem Modell, das die Taskforce der Politik vorgelegt hat, 300 Millionen Euro im Jahr in den Hypo-Abwicklungsfonds einzahlen. Damit würde, wie erwähnt, im Budget also fast die Hälfte der Bankenabgabe fehlen.

Wie viel muss der Staat in den Fonds einzahlen?

Ein bisschen weniger als die Banken, damit die private Mehrheit am Fonds gesichert ist. Nur so besteht eine Chance, dass die Hypo-Bad-Bank nicht in die Staatsschulden gerechnet wird. Etwa 250 Millionen Euro im Jahr müssten also vom Staat in den Fonds fließen. Das Geld ist im Banken­rettungspaket, das nach der Finanzkrise beschlossen wurde, rückgestellt.

Muss die Bayerische Landesbank gar nichts mehr bezahlen?

Doch. Sie soll ebenfalls bei der Hypo-Abwicklung mithelfen. Dazu sollen die 2,3 Milliarden Euro, die die Bayern noch in der Hypo stecken haben und um die vor Gericht gestritten wird, als "Risikokapital" herangezogen werden. Sprich: Wenn die Hypo in Geldnot kommt, ist auch das Geld der Bayern weg.

Wäre es billiger gewesen, wäre die Hypo-Bad-Bank nicht so lange verzögert worden?

Mit großer Wahrscheinlichkeit: ja. Schon im Sommer 2012 hat der damalige Hypo-Chef Gottwald Kranebitter ein Bad-Bank-Konzept vorgelegt. Finanzministerin Maria Fekter verweigerte ihre Zustimmung. Im Mai 2013 schrieben Ex-Hypo-Aufsichtsratschef Johannes Ditz und sein Vize Rudolf Scholten einen Brief an Fekter. Der Inhalt: Mit der Bad Bank erspare sich der Staat allein 2013 eine Milliarde Euro. Denn die Eigenkapitalvorschriften für eine Bad Bank, die per Gesetz keine Bank mehr ist, sind viel niedriger als für eine Geschäftsbank.

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