Spanische Hofreitschule: "Entstauben? Nicht mit dem Kärcher"
In seinem neuen Job als Chef der Spanischen Hofreitschule stellen sich für Alfred Hudler ganz neue Fragen. Etwa jene, ob man mit einer Kandare im Handgepäck in ein Flugzeug steigen darf. Der KURIER traf den langjährigen Vorstand des Mineralwasserabfüllers Vöslauer kurz vor seinem Abflug nach Paris im Café der Hofreitschule. Hudler bestellt „ein Vöslauer“ („manche Dinge kriegt man nicht mehr aus sich raus“), erzählt von Zucker und iPhones in Fracktaschen, Lipizzanern auf Auslandstour und wie er mehr Einheimische in die Hofreitschule bringen will.
KURIER: Was wollen Sie übers verlängerte Wochenende mit einer Kandare in Paris?
Alfred Hudler: 27 Pferde und neun Bereiterinnen und Bereiter sind dort gerade auf Tour, ich will mir eine Vorstellung anschauen. Und bei der Gelegenheit bringe ich eine Kandare mit, die in Wien vergessen wurde.
Jetzt fahren die Pferde also zu den Touristen. Ist das eine Ausnahme oder soll das die Regel werden? Wie viele Pariser schauen sich die Vorstellungen an?
Wir haben 17.000 Besucher in zwei Tagen. Bisher waren die Pferde und das Team nur punktuell auf Tour, mittelfristig wollen wir aber ein Tourenkonzept entwickeln, mehr unterwegs sein. Wochenlange Touren sind natürlich ein logistischer Aufwand. Fahren die Lipizzaner zum Beispiel bis nach Skandinavien, brauchen sie am Weg dorthin Zwischenstallungen – da geht es ja ums Tierwohl.
Währenddessen hält sich das Interesse der Einheimischen am „Nationalheiligtum Spanische Hofreitschule“ in Grenzen. In den Vorstellungen in Wien sitzen nur Touristen, oder?
Der Schein trügt nicht, die Hofreitschule ist derzeit primär eine Touristenattraktion, was schade ist. Auch hier wollen wir ansetzen, mehr Einheimische ansprechen.
Klingt schwierig, der Anteil jener, die sich überhaupt für Reitkunst interessieren, ist überschaubar. Die Hofreitschule hat im Inland zuletzt vor allem ihr Image als Intrigantenstadl aufpoliert.
Das wollen wir hinter uns lassen. Ich erlebe hier Kollegen und Kolleginnen, die mit viel Herzblut bei der Sache sind, stolz, hier zu arbeiten. Ich sitze nicht im stillen Kämmerlein und denk mir eine Strategie aus, sondern erarbeite diese mit dem Team. Wir werden uns auf das Positive konzentrieren, davon gibt es genügend zu erzählen.
Und wenn sich trotzdem kaum wer für die Reitkunst interessiert?
Es gibt viel über die Menschen rund um die Hofreitschule zu erzählen. Vom Hutmacher, der acht Monate an einem Zweispitz arbeitet bis zum Sattelmeister. Das Gestüt Piber mit seiner Zucht und Landwirtschaft und den Kletterpark, den wir im Frühjahr eröffnen, hat großartige Voraussetzungen für Familienausflüge, Kongresse und Veranstaltungen im Schloss Piber sowie Managementseminare ...
Managementseminare?
Es gibt viele Führungskräfteseminare mit Pferden. Ich seh da viel Potenzial. Wir werden generell mehr lebendige Geschichte vermitteln. Proaktiv erzählen. Die Zeiten wo die Kommunikation aus Dementis von Skandalen bestand, sind vorbei.
Wie groß ist der Leidensdruck, weil asiatische Touristen noch immer ausbleiben?
Wir sind trotzdem gut gebucht. Generell verkaufen wir 40 Prozent unserer Tickets über Reiseveranstalter und Wiederverkäufer, die sich Kontingente sichern. 15 Prozent sind „Walk-ins“ (also Ticket-Käufe direkt vor Ort), der Rest Individualtouristen, die im Voraus online buchen. Bei den Umsätzen sind wir auf Vorkrisenniveau. Aber die Kosten haben sich verdoppelt bis verdreifacht. Von der Energie bis zum Futter. Das ist das Problem.
Brauchen Sie gleichzeitig mehr Lipizzaner und Mitarbeiter, wenn Sie auf Tour gehen wollen?
Ja, auf jeden Fall. Deswegen werden wir auch eine Lehrlingsoffensive starten. Die Ausbildung für Bereiter und Bereiterinnen dauert acht Jahre und ist hart. Die Drop-out-Rate ist hoch. Wir haben derzeit fünf Lehrlinge in Wien, künftig sollen es deutlich mehr sein.
Sie selbst waren bisher als Pferdenarr unverdächtig. Was hat sie am neuen Job gereizt?
Ich habe Respekt vor dieser Institution und ihren 450 Jahren Geschichte. Als ehemaliger Handballer (Anm: Hudler spielte im Juniorennationalteam) sehe ich die Höchstleistungen von Mensch und Tier, die hier geboten werden. Ausruhen kann man sich aber nicht auf den alten Erfolgen.
Institution
Offiziell wurde die Spanische Hofreitschule 1565 gegründet. Kaiser Ferdinand I. brachte Herden von Pferden aus seiner spanischen Heimat mit. Die ursprüngliche Aufgabe der Spanischen Hofreitschule war die Ausbildung junger adeliger Männer zu Kavalieren
Lipizzaner
Mehr als 100 ausgebildete Schulhengste hat die Spanische Hofreitschule, jährlich treten sie vor rund 380.000 Besucher in Wien auf
40 Fohlen
kommen jedes Jahr in Piber zur Welt. Etwa die Hälfte davon sind Hengste, von denen es nur vier bis acht bis nach Wien schaffen
Neo-Chef Alfred Hudler
In jungen Jahren spielte er als Handballer im Nationalteam. Er gilt als Teamplayer, der nach turbulenten Zeiten Ruhe in die Spanische Hofreitschule bringen soll. Dort ist er seit 1. 12. 2022 Geschäftsführer, sein Vertrag läuft bis November 2027
Karriere
Der 63-jährige Familienvater hat mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Unternehmensführung sowie Weiterentwicklung von Marken. Im Jahr 1991 hat er beim Mineralwasserabfüller Vöslauer begonnen, wurde 1995 Vorstandsvorsitzender der Vöslauer Mineralwasser AG. Unter seiner Federführung hat sich der Marktanteil von Vöslauer mehr als verdoppelt. 2018 wechselte er in die Konzernholding Ottakringer Getränke AG, wo er bis 2022 als Vorstandssprecher tätig war
Muss die Marke entstaubt werden?
Jedenfalls nicht mit dem Kärcher, ein bisschen Staub schadet ihr vermutlich gar nicht. Ist ja auch Goldstaub ... (lacht)
Eine Szene, die aus Ihrer Sicht bezeichnend für die Hofreitschule ist?
Das Bild eines Bereiters bzw. einer Bereiterin in der traditionellen Empire-Uniform mit Frack und Zweispitz-Hut. Alles wie seit Jahrhunderten, nur dass es in der Frackhose zwei geheime Taschen gibt. Eine für den Zucker für die Pferde. Und in der zweiten steckt das neueste iPhone.
Werden die Pferde bald auf Tiktok tanzen?
Gut möglich. Auf jeden Fall wird Social Media wichtig sein, um Jüngere anzusprechen.
Kommentare