Smart Meter: Gratis-Strom für Nutzerdaten

Am Freitag wurden die letzten gesetzlich notwendigen Grundlagen für die Einführung von intelligenten Stromzählern in Österreich geschaffen. Bis 2019 werden alle 5,5 Millionen Zähler intelligent sein - und die Netzbetreiber werden weit mehr über die einzelnen Haushalte wissen als bisher. Wer seine Daten freiwillig rausrückt, könnte in Zukunft mit sogar mit "Gratis-Strom" belohnt werden.

Sie ist der letzte ausständige Baustein, um Smart Meter in Österreich verpflichtend einzuführen: die Verordnung zur Datenformat- und Verbrauchsinformationsdarstellung (kurz: "DAVID-VO"). Am Freitag wurde sie im E-Control-Vorstand beschlossen. Sie regelt, wie Endkunden an die Verbrauchsinformationen von ihren Smart Metern kommen sollen (die futurezone hat bereits über die DAVID-VO berichtet).

Über eine Internet-Plattform sollen Kunden in Zukunft auf ihre Stromverbrauchsdaten der letzten drei Jahre zugreifen können. Denn diese werden auf Kundenwunsch künftig für drei Jahre gespeichert. „Bereits am nächsten Tag sehe ich meinen Verbrauch auf der Website", erläutert Harald Proidl von der E-Control. Zusätzlich bekommt man künftig einmal pro Monat per E-Mail oder Post eine Information über die Verbrauchsdaten sowie die dafür anfallenden Stromkosten vom Lieferanten zugeschickt - was zur jetzigen Situation eine große Verbesserung ist.

Portale von unterschiedlicher Qualität
In Oberösterreich sind bereits rund 200.000 intelligente Zähler im Einsatz. Die dort ansässige Energie AG informiert ihre Kunden zum Beispiel auch darüber, wie viel sie im Vergleich zu einem Haushalt mit ähnlicher Größe verbrauchen. So bekommt ein Kunde folgende Informationen mitgeliefert: „Ihr Stromverbrauch im Jänner war um 97 Kilowattstunden bzw. 23 Prozent höher. Mit dieser Strommenge kann ein Kühlschrank neun Monate lang betrieben werden." Die E-Control ist mit derartigen Maßnahmen und speziell mit ihrer Umsetzung in Oberösterreich zufrieden. Weniger zufrieden ist sie beispielsweise mit dem Online-Portal der Stadtwerke Feldkirch. Es bekommt das Ranking "verbesserungswürdig".

Hier zeigt sich allerdings bereits eine Schwachstelle der soeben in Kraft gesetzten Verordnung, die von Kritikern bereits im Vorfeld bemängelt wurde. Die Gestaltung der Internet-Portale, über die den Kunden ihre dreijährigen Verbrauchsdaten zur Verfügung stehen, obliegt den Unternehmen. Das heißt, dass diese heiklen Daten - die Verbrauchsdaten sind personenbezogen, unterliegen daher dem Datenschutzgesetz - mit unterschiedlichen Sicherheitsstandards geschützt sein werden.

Bei rund 130 Netzbetreibern in Österreich kann man durchaus davon ausgehen, dass nicht alle die gleiche Sorgfalt bei der Datensicherung an den Tag legen. Auch werden nicht alle gleich gute Ideen haben, wie sie den Stromverbrauch für ihre Nutzer so darstellen können, dass diese damit auch tatsächlich etwas Sinnvolles anfangen können - und davon hängt schließlich entscheidend ab, ob jemand eine Bereitschaft zum Stromsparen entwickelt, oder nicht.

Wer sich für die Daten interessieren könnte
Die Verbrauchsdaten werden jedoch künftig nicht nur für den Endkunden interessant sein. Mit den Daten, die in Österreich laut Gesetz in 15-Minuten-Intervallen ausgelesen werden dürfen, lässt sich beispielsweise feststellen, ob jemand alleine lebt, ob am Herd oder mit der Mikrowelle gekocht wird, oder welches TV-Programm abends läuft. Dieses Verhalten dürfte daher nicht nur für Haushaltsgerätehersteller interessant sein, sondern auch für Lebensmittelhändler oder Anbieter von DVDs oder Streaming On Demand-Diensten.

Christian Leichtfried von IBM Österreich hat erst vor wenigen Tagen in Nizza erzählt, dass der Suchmaschinenbetreiber Google Pläne schmiede, Strom kostenlos anbieten zu wollen, wenn man ihm im Gegenzug dafür den Zugriff auf seine Stromverbrauchsdaten erlaube. Dieses Wissen wolle Google dann weiterverkaufen, beispielsweise an Hersteller von Haushaltsgeräten. Diese Ankündigung zeigt schon sehr deutlich, wohin wir uns in Zukunft bewegen. Diese Preisgabe der Daten würde aber zumindest - wie auch jetzt schon bei Facebook und anderen sozialen Netzwerken - auf freiwilliger Basis geschehen.

Auch Gericht und Polizei?
Datenschützer sehen freilich noch ganz andere Anwendungsszenarien, bei denen Verbrauchsdaten von Strom, Wasser oder Gas (denn auch diese Zähler sollen langfristig betrachtet intelligent werden), eine Rolle spielen könnten: vor Gericht bei Mietstreitigkeiten (z.B. wenn es um die Frage des Haupt- oder Nebenwohnsitzes geht) oder Scheidungen (z.B. um Schäferstündchen mit dem Liebhaber zu entlarven), oder bei der Polizei (z.B. um Cannabis-Pflanzen-Besitzer auszuforschen).

Ein Zugriff aus all diesen Gründen wäre zwar derzeit nicht erlaubt, aber die "Begehrlichkeiten" könnten mit ein paar Gesetzesänderungen aus der Welt geschafft werden. Davor warnten unter anderem Walter Peissl vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Nadja Shah von der Mietervereinigung bei der Diskussion zu Smart Metering am diesjährigen #DNP12-Kongress.

Dass diese Warnung nicht unberechtigt ist, zeigt ein jüngstes Beispiel: Seit 1. April 2012 haben wir in Österreich die Vorratsdatenspeicherung. Nun - knapp sechs Monate nach ihrer Einführung - meldet bereits das Justizministerium erste Begehrlichkeiten an - und zwar, um die Daten auch bei zivilrechtlichen Delikten nutzen zu dürfen (siehe hier).

"Heizung abdrehen ist nicht so schlimm"
Mit Smart Metern lassen sich übrigens nicht nur "interessante Datensätze" generieren, sondern künftig können Energiekonzerne aus der Ferne Geräte steuern. In der Bretagne läuft beispielsweise ein IBM-Projekt, bei dem der Betreiber Edelia zu nachfragestarken Zeiten den Strom für die Heizung abdrehen darf. Zehn Minuten ohne Heizung pro Stunde sei "für die Kunden nicht so schlimm", so Jean-Paul Chobert von IBM. 85 Prozent der Kunden hätten einen derartigen Eingriff akzeptiert, erzählt Chobert.

Durch intelligente Stromzähler kommen künftig also deutlich mehr Veränderungen auf Kunden zu, als auf den ersten Blick beim "Kasterltausch" auszumachen ist. Von den Deals mit den Daten mal abgesehen wird es künftig wohl auch Tarifmodelle geben, die derartige Eingriffe des Energielieferanten, wie "für zehn Minuten die Heizung abdrehen" - auf freiwilliger Basis - zulassen werden. Bleibt zu hoffen, dass aus den Verträgen auch tatsächlich klar hervorgeht, auf was man sich einlässt.

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