"Smart Meter-Daten wecken Begehrlichkeiten"

Bisher hat es ausgereicht, dass unser Stromverbrauch einmal jährlich (oder noch seltener) abgelesen wird. Doch künftig soll der Verbrauch in Viertel-Stunden-Intervallen erfasst werden. Diese neu generierten Daten sollen für den Netzbetreiber "essenziell" sein. Doch ist das wirklich so? Datenschützer befürchten, dass dies nur eine Ausrede ist und die neuen Stromzähler zur elektronischen Überwachung der Bürger eingeführt werden.

Bis Ende 2019 sollen in Österreich 95 Prozent der Haushalte mit den neuen, intelligenten Stromzählern ausgestattet sein. Sie sollen die "Grundvoraussetzung für eine effektive Nutzung regenerativer Energiequellen" sein. "Die Kunden produzieren plötzlich selbst Strom und den muss man ins Netz hineinbekommen. Dazu braucht man Smart Meter, also intelligente Stromzähler, und Smart Grids, intelligente Netze. Erst dann kann man beginnen, das Netz zu steuern und die Energie, die dezentral hereinkommt, auch sinnvoll zu verwenden", erklärt Klaus Bernhardt, Leiter des Bereichs Energie im Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI), in einem Interview gegenüber der futurezone.

Doch wie viele der 95 Prozent der Haushalte, die in Österreich zu den smarten Zählern verdonnert werden, werden künftig wirklich selbst Strom einspeisen? Die übrigen Haushalte, die wahrscheinlich sogar in der Mehrheit sind, sollen stattdessen zum "Energie sparen" animiert werden. Doch die finanziellen Anreize dafür sind gering. Durch die neuen Zähler lassen sich, wie berichtet, jährlich im Schnitt lediglich bis zu 3,7 Prozent an Energie - das sind rund 30 Euro pro Jahr und Haushalt - einsparen. Ein etwas mageres Argument, wenn man bedenkt, dass die Verbrauchsdaten bis zu drei Jahre gespeichert werden sollen und es dadurch möglich wird, langjährige detaillierte Verbrauchsmuster von den einzelnen Haushalten zu erstellen.

Wer braucht die Daten wirklich und wofür?
Die viertelstündlichen Verbrauchsdaten, die dem Endkunden übrigens erst einen Tag später zur Verfügung stehen sollen, sollen für die Netzbetreiber nun plötzlich"essenziell" sein. "Für die einzelnen Netzbetreiber und Kraftwerke ist es völlig irrelevant, was ein einzelner Mensch in seiner Stadtwohnung tut. Es ist nur die Summe wichtig. Dazu reicht es, die Daten bei den Konzentratoren an den großen Sammelpunkten zu aggregieren", sagt Georg Markus Kainz vom Datenschutzverein quintessenz. Dies sieht auch die Mietervereinigung so. "Zur Netzregulierung spielt der Haushaltskunde keine ausreichend große Rolle. Es reicht, wenn der Netzbetreiber einzelne Datenkonzentratoren auslesen kann, um eine brauchbare Verbrauchs- und Prognosestatistik entwicklen zu können", heißt es in einem Brief der Mietervereinigung an die Regulierungsbehörde E-Control (PDF). Die Mietervereinigung spricht sich aus diesem Grund gegen einen flächendeckenden 95-prozentigen Roll-Out der intelligenten Zähler aus.

"Smart Meter nicht Grundvoraussetzung"
Gedeckt wird diese Argumentation der Smart-Meter-Kritiker durch ein offizielles Dokument der deutschen Bundesnetzagentur (PDF). Diese hat in einem "Leitgedanken" festgehalten, dass "Smart Meter ein Teil der Energiezukunft" seien, "jedoch nicht ihre Grundvoraussetzung". "Daten, die für den sicheren Netzbetrieb benötigt werden, lassen sich auch ohne im Haushaltskundenbereich installierte Smart Meter erheben, z.B. indem auf Daten an Ortsnetzstationen zurückgegriffen wird und an "neuralgischen" oder "potenziell neuralgischen" Punkten im Netz Messgeräte für die Erfassung netzspezifischer Daten installiert werden. Die hierzu erforderliche Anzahl an Messpunkten ist relativ gering", heißt es in dem Eckpunktepapier der Bundesnetzagentur vom November 2011. Diese Meinung teilen in Österreich zudem Experten der Cyber Security Austria (CSA), einem Verein zur Förderung der Sicherheit Österreichs strategischer Infrastruktur.

"Begehrlichkeiten nach Daten"
Doch wenn die smarten Zähler nicht zwingend für unsere "Energiewende" erforderlich sind, warum werden sie dann verpflichtend eingeführt? Der Datenschützer Kainz erklärt sich das folgendermaßen: "Strom ist ein Massengeschäft, es geht ums Big Business - und um die Begehrlichkeiten nach Daten." Beim "Big Business" will auch Österreich mitmischen, im Energiebereich kommt zahlreiches Know-How aus unserem Land, daher soll Österreich aus Sicht der Wirtschaft bei den intelligenten Zählern auch eine "Vorreiterrolle" einnehmen.

Doch zurück zu den Verbrauchsdaten: Diese sollen nach dem derzeitigen Entwurf der E-Control der "David-VO" vom Netzbetreiber gespeichert und an den Endverbraucher per Webportal zur Verfügung gestellt werden (siehe Teil eins dieser zweiteiligen Serie zu "Smart Meter"). Zudem heißt es in dem Entwurf: "Dem Endverbraucher müssen auf dessen Wunsch alle Verbrauchsdaten und Lastkurven der letzten drei Jahre ab Zeitpunkt der Verfügbarkeit zur Verfügung gestellt werden". Das heißt natürlich auch, dass die Daten für diesen Zeitraum auf jeden Fall gespeichert werden müssen, denn nur weil man als Kunde 2012 keine Energie sparen will, heißt das nicht, dass man das mit neu am Markt kommenden, automatisierbaren Geräten im Jahr 2014 noch immer nicht will.

"Datenpool, den ich als Kunde nicht beeinflussen kann"
Begehrlichkeiten stellen sich aus Kainzs Sicht immer ein, "sobald Daten vorhanden sind". "Es wird sicherlich schnell eingeführt werden, dass die Polizei aus verfahrenstechnischen Gründen auf die Daten zugreifen darf - und damit etwas über die Lebensgewohnheiten von Menschen erfährt, die als verdächtig gelten", meint der Datenschutzexperte. "Die geplante dreijährige Speicherfrist hat nur den Zweck der elektronischen Überwachung von uns Menschen. Dabei entsteht automatisch ein Datenpool, den ich als Kunde gar nicht beeinflussen kann. Wenn ich den Lichtschalter aufdrehe, wenn ich heimkomme, wird das gespeichert. Das Einzige, was ich dagegen tun könnte, wäre stattdessen eine Kerze anzuzünden." Auch das Einschalten des Fernsehapparats, des PCs oder der Kochplatte - all das wird erfasst.

Nicht nur die Polizei könnte Begehrlichkeiten äußern, die Daten könnten auch vor Gericht herangezogen werden (etwa bei Scheidungen oder Mietstreitigkeiten), vom Finanzamt, oder Kriminelle könnten über diesen Weg die Gewohnheiten von Bürgern auschecken, um sich deren An- oder Abwesenheit zu nutze machen. Natürlich können die Daten auch Energieberatern bei der Entwicklung von Einsparmodellen für Kunden helfen, wenn beispielsweise der Energieverbrauch wirklich unerklärbar hoch ist und der Kunde keine Ahnung hat, warum das so ist. Laut der Mietervereinigung wird beispielsweise bei Energielieferanten "kein Geheimnis daraus gemacht, dass es Begehrlichkeiten nach den Daten gibt".

Widerrufsrecht und aktive Zustimmung gefordert
Die Mietervereinigung fordert deshalb, dass diese Informationswünsche nur mit ausdrücklicher aktiver Zustimmung der Betroffenen befriedigt werden dürfen und dass jeder Missbrauch strengstens zu bestrafen sei. Zudem müsse ein Widerrufsrecht jederzeit möglich sein, heißt es. Was von den Vorschlägen in Österreich in Verordnungen oder gar Gesetzen aufgenommen wird, ist derzeit unklar. Nach der Ankündigung des Wirtschaftsministers Reinhold Mitterlehner vom April 2012, in der er von "umfangreichen Vorkehrungen zum Datenschutz" und "flankierenden gesetzlichen Regelungen" sprach, ist bis jetzt nichts nachgefolgt. Das bestätigte das Wirtschaftsministerium auf futurezone-Anfrage.

Doch nicht nur in Österreich könnte ein derartiges "Schnüffelnetz" entstehen, auch andere europäische Länder schlagen sich mit ähnlichen Problemen herum. In Norwegen soll beispielsweise bereits in vier Jahren jeder Haushalt mit einem Smart Meter ausgestattet sein - und dort wird gerade über eine zentrale Datenbank und eine Speicherdauer von zehn Jahren diskutiert, damit die Daten künftig "besser analysiert und langjährige, aussagekräftige Konsum- und Verbrauchsmuster ermittelt" werden können, berichtet die "taz". Auch dort haben Datenschützer Bedenken. Die Parallele zeigt, dass die Daten der smarten Zähler wirklich interessanter sein müssen, als man uns weiß machen will.

Mehr zum Thema:

Kommentare