Siegfried Wolf: "Ich bin ein Auslaufmodell"

Siegfried Wolf: "Das ÖBIB-Gesetz wurde von Parteifunktionären und Arbeiterkämmerern gemacht"
Der Noch-ÖIAG-Aufsichtsratschef im Interview über die neue ÖBIB und Reichensteuern.

Die ÖIAG, die die Beteiligungen der Republik an OMV, Telekom und Post hält, ist im April Geschichte. Dann muss auch der Aufsichtsrat unter Siegfried Wolf abtreten. Der Geschäftsführer der neuen ÖBIB, einer GmbH (mehr dazu hier), untersteht direkt dem Finanzminister. Der KURIER erreichte Wolf, Ex-Magna-Manager und Spitzenmann im Imperium des russischen Oligarchen Deripaska, beim Weltwirtschaftsforum in Davos.

KURIER: Sie und Ihre Aufsichtsratskollegen werden demnächst recht unsanft aus der Staatsholding gekippt. Was halten Sie von der neuen ÖBIB?

Siegfried Wolf: Ich bin ohnehin ein Auslaufmodell, mein Mandat wäre mit der Hauptversammlung 2015 sowieso beendet. Die Politik versuchte schon lange, direkten Einfluss zu bekommen. Das geht aber nicht an einem Aufsichtsrat vorbei. Jetzt hat man eine neue Lösung. Ich habe so meine Zweifel, wie das funktionieren wird.

Wo liegen Ihre Zweifel?

Es geht immerhin um die drei wichtigsten Unternehmen in Österreich. Der Bundeskanzler und der Vizekanzler delegieren, wer in den Nominierungsausschuss kommt. Dieser bestimmt die Aufsichtsräte in den Unternehmen. Ich sehe keinen Konnex zwischen der Geschäftsführung der ÖBIB und den Aufsichtsräten der Beteiligungsunternehmen. Bisher hat die ÖIAG diese Aufsichtsräte entsendet und konnte die Strategie und Entwicklung der Unternehmen mitgestalten. Ein großer Schritt oder ein großer Wurf ist da sicher nicht gelungen.

Es wurde zwischen SPÖ und ÖVP lange darüber gestritten, welche weiteren Staatsunternehmen, etwa der Verbund, und welche Teile der Infrastruktur in die Holding kommen könnten. Das alles scheiterte.

Schade. Man hätte eine vernünftige Standort- und Energiepolitik machen können. Mit OMV und Verbund, da würden dringende Entscheidungen anstehen. Und hätte in der Infrastruktur Netze konsolidieren und Zeichen setzen können. Ich habe mit dem damaligen Finanzminister Spindelegger monatelang darüber diskutiert, wie man die ÖIAG zu einer starken Standortholding ausbauen könnte. Doch das ist alles Schnee von gestern.

Hat die Regierung Ihrer Meinung nach eine Chance vertan?

Ja, man hat eine große wirtschaftspolitische Möglichkeit vergeben. Man sieht, dass dieses ÖBIB-Gesetz von Parteifunktionären und Arbeiterkämmerern gemacht wurde und nicht von Leuten aus der Wirtschaft. Die Koordinierung von Staatseigentum sehe ich in diesem Modell nicht.

Sie wirken enttäuscht und etwas gekränkt.

Nein, das bin ich nicht. Man ist den Weg des geringsten Widerstands gegangen und hat eine ausschließlich parteipolitische Kompromisslösung gemacht. Diese politische Willenskundgebung ist zu akzeptieren.

Befürchten Sie, dass politische Interventionen fröhliche Urständ’ feiern werden?

Der Geschäftsführer der ÖBIB ist weisungsgebunden, die Aufsichtsräte der Unternehmen werden von den Regierungschefs bzw. deren Vertrauten bestimmt. Da brauchen Sie doch nichts mehr mutmaßen, das ist dann so.

Hat der sich selbst erneuernde ÖIAG-Aufsichtsrat nicht den Fehler gemacht, ständig nur Geschäftspartner und Freunde ins Gremium zu holen?

Und was wird jetzt passieren? Genau das. Wir haben die Aufsichtsräte international gesucht und Hearings gemacht. Jede Entscheidung war mit dem jeweiligen Finanzminister als Eigentümervertreter abgestimmt. Aber man wollte jetzt eben den direkten Einfluss. Kein Wunder, wenn Arbeiterkammer-Direktor Muhm unter den Chefverhandlern sitzt. Bundeskanzler Faymann sagte, er hätte nie steuern können. Den ÖIAG-Aufsichtsrat und das Gesetz gibt’s nicht erst seit gestern. Faymann hätte schon früher etwas verändern können, anstatt plötzlich total erstaunt zu tun.

In der ÖBIB werden im Gegensatz zur ÖIAG keine Betriebsräte aus den Unternehmen mehr vertreten sein. Vernünftig?

Es gibt ja keinen Aufsichtsrat mehr. Wenn Herr Arbeiterkammer-Direktor Muhm bei den Verhandlungen schon so gewichtig mitredet, frage ich mich, warum er auf die Mitarbeiter vergessen hat.

Was sagen Sie dazu, dass Finanzminister Schelling mit einer Abkühlperiode für die Sozialpartner nicht durchgekommen ist.

Siegfried Wolf: "Ich bin ein Auslaufmodell"
Siegfried Wolf,ÖIAG
Ich schätze Minister Schelling sehr, weil er die Wirtschaft kennt. Offenbar musste er einen politischen Kompromiss machen, um nicht das eine oder andere Thema zu gefährden. Leider wurde es ein Kompromiss zulasten einer langfristigen Industrie- und Beschäftigungspolitik.

Wie werden Sie sich bei der letzten Aufsichtsratssitzung verabschieden?

Wir werden eine schriftlich Bilanz ziehen und übergeben, um vorzubeugen, das alles, was bisher war, schlecht gemacht wird. Es ist bedauerlich, dass die Arbeit der Vergangenheit jetzt plötzlich keinen Wert mehr hat und alles dem parteipolitischen Kompromiss geopfert wird. Unsere Bilanz kann sich sehen lassen, denken Sie nur an das Erfolgsbeispiel Voest.

In Österreich wird gerade heftig über Vermögenssteuern diskutiert. Sie sind ein reicher Mann. Würde Sie eine solche Steuer veranlassen, Österreich den Rücken zu kehren?

Ich arbeite in Russland und lebe in Österreich. Ich lebe gerne in einem Land, wo man Achtung vor dem Eigentum der Anderen hat und dieses akzeptiert. Ich hoffe, dass bei der Steuerreform mehr gelingt als bei der ÖBIB.

Ist das ein Votum gegen Vermögenssteuern?

Vermögens- und Erbschaftssteuern bringen im Endeffekt nichts. Ich hoffe sehr, dass sich Finanzminister Schelling durchsetzt. Dass zuerst ausgabenseitig gespart wird, bevor wieder der Verteilungsgedanke aufkommt. Österreich braucht keine neuen Steuern, sondern muss effizienter werden und die Bürokratie abbauen. Dieses "bash the rich" macht mir Sorgen.

Befürchten Sie, dass Reiche aus Österreich abwandern?

Die sind viel schneller weg, als man sich vorstellen kann. Es wäre eine Katastrophe, wenn Investitionen außer Landes gehen. Sogar Frankreich hat sich besonnen und versucht wieder, für Investitionen attraktiv zu werden.

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