Ohne Gummi läuft fast gar nichts

Ohne Gummi läuft fast gar nichts
Weltmarktführer bei Operations-Handschuhen und viel Know-how in Förderbändern und Schläuchen für die Industrie.

Singapur, New Marina Bay, 33. Stock. In der höchstgelegenen Bierbrauerei der Welt genießen die Gäste bei einem „kühlen Blonden“ den atemberaubenden Panoramablick von der Terrasse. Der zugegeben weniger aufregende Blick auf die Brauanlage dahinter zeigt aber ebenso Erstaunliches. Die Anlage stammt vom Wiener Unternehmen Salm Bräu und die Gummischläuche, durch die der Gerstensaft rinnt, hat Semperit geliefert.

Ohne Gummi läuft fast gar nichts
„Schlauchproblemstellungen“ aller Art sind ein Spezialgebiet des niederösterreichischen Industriebetriebes. Egal, ob Bier, Wasser, Fäkalien, Luft oder Kerosin: Semperit hat für beinahe alle Inhalte die passenden Industrie- oder Hydraulikschläuche im Sortiment. Die Sparte Semperflex ist die zweitwichtigste von insgesamt vier Geschäftsbereichen.

Die wichtigste und damit das Kerngeschäft des Unternehmens sind hochwertige Operations-, Untersuchungs- und Schutzhandschuhe. Im Bereich OP-Handschuhe ist Semperit Weltmarktführer und der einzige Hersteller, der noch in Europa produziert. Und das immerhin schon seit 1920.

Alles Asien?

Ohne Gummi läuft fast gar nichts
Weil inzwischen 60 Prozent der weltweiten Handschuhproduktion aus Malaysia kommen, musste auch Semperit umdenken und ließ sich in Fernost nieder. Im Vorjahr wurde die malaysische Firma Latexx Partners in Kamunting gekauft, wo monatliche 500 Millionen Paar Handschuhe für den Massenmarkt in Europa und Asien herstellt werden. Die Hälfte der 2000 Beschäftigten dort sind Gastarbeiter aus Bangladesch oder Nepal, nach und nach soll das Werk aber so weit wie möglich automatisiert werden.

Der Zukunftsmarkt im Handschuh-Geschäft heißt Asien, wo der Hygienebedarf steigt, während er in Europa und den USA eher stagniert. Um den Markt besser bearbeiten zu können, wurde das Sempermed-Headquarter bereits von Österreich nach Singapur verlagert. Am Produktionsstandort Wimpassing/NÖ mit 660 Beschäftigten will man aber festhalten, versicherte Konzernchef Thomas Fahnemann unlängst. In Wimpassing befindet sich auch das F&E-Zentrum für die Entwicklung neuer Materialen für OP-Handschuhe. „Unser Ziel ist es, durch neue Produktionsschritte den Tragekomfort zu steigern und Unverträglichkeiten so weit wie möglich zu reduzieren“, erläutert Firmensprecherin Martina Büchele. So gelang es Sempermed als erstem Anbieter, OP-Handschuhe durch Vernetzung mit UV-Licht ohne allergieauslösende Beschleunigerchemikalien herzustellen.

Ohne Gummi läuft fast gar nichts
Durch den jüngsten Rohstoff-Hunger in China und Nordamerika boomt derzeit auch das Geschäft mit Förderbändern für den Tage- und Untertagebau. Die wichtigsten Kunden sind Braunkohle- oder Eisenerzminen, die das Rohmaterial über bis zu zehn Kilometer lange Transportbänder zur Weiterverarbeitung befördern. Erst kürzlich erteilte der deutsche Energieriese RWE den Österreichern einen Mega-Auftrag für Stahlseil-Förderbänder.

Eine führende Position nimmt der Gummi-Spezialist auch bei Rolltreppen-Handläufen, Seilbahnfutterungen, Skifolien sowie Fenster- und Türdichtungen ein.

2014 wird Semperit 190 Jahre alt und ist somit einer der ältesten Industriebetriebe Österreichs. Gegründet wurde das Unternehmen von Johann Nepomuk Reithoffer, der 1852 in Wimpassing die erste europäische Fabrik für Kautschukprodukte gründete. Schon 1890 erfolgte der Gang an die Wiener Börse. Heute hat Semperit mit der heimischen Beteiligungsgesellschaft B&C einen stabilen Kernaktionär, der sich die „Förderung des österreichischen Unternehmertums“ an die Fahnen geheftet hat.

Historie

Ohne Gummi läuft fast gar nichts
Sempertrans Förderband / Conveyor Belt
Der Name Semperit (lateinisch „es geht immer“) tauchte 1902 zum ersten Mal auf. Er wurde innerhalb kürzester Zeit zum Synonym für Gummi aus Österreich. Zur Hochblüte Anfang der 1970er-Jahre war Semperit der zweitgrößte private Industriekonzern. Eine Zäsur erfolgte im Jahr 1985, als die schwer defizitäre Reifensparte an die deutsche Firma Conti verkauft wurde. Das Semperit-Werk in Traiskirchen mit 3700 Beschäftigten wurde 2002 endgültig zugesperrt.

Obwohl Semperit seit fast 30 Jahren keine Reifen mehr produziert, wird das Unternehmen gerade von älteren Menschen immer noch als „Reifen-Firma“ bezeichnet. „Wir machen alles, nur keine Reifen mehr“, ist Firmensprecherin Büchele darüber wenig glücklich. Denn schließlich sei die Abkehr von der Reifenproduktion durch den damaligen Jobabbau vor allem negativ in Erinnerung. „Seither wurden aber wieder viele Jobs aufgebaut.“

Ohne Gummi läuft fast gar nichts
22 Werke weltweit

Mitarbeiter: ca. 10.000, davon mehr als 7000 in Asien und 750 in Österreich

Standorte: 22 Produktionen, in Wimpassing/Österreich, Ungarn, Tschechien, Polen, Italien, Deutschland, Frankreich, Thailand, China, Indien, Malaysia und USA

Bereiche: Sempermed (OP-Handschuhe), Semperflex (Schläuche), Sempertrans (Förderbänder) Semperform (Handläufe, Skifolien etc.)Exportquote: 96 ProzentBilanz: Umsatz 829 Mio. Euro

Konzernergebnis (EBITDA): 109 Mio. Euro (2012)

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