Selbstständige wollen Kammer umkrempeln

Wer unzufrieden ist, soll aus der WKO austreten dürfen, fordern die Unos.
Mehrheit der Wähler sind Ein-Personen-Unternehmen. Diese fühlen sich aber immer weniger vertreten.

Österreichs Wirtschaft wird immer kleinteiliger. Während die Zahl der Großbetriebe stagniert, ist jene der Klein- und Kleinstbetriebe in den letzten zehn Jahren um 35 Prozent gestiegen. Knapp 267.000 Ein-Personen-Unternehmen (EPU) stellen inzwischen die absolute Mehrheit (58 Prozent) bei den Wirtschaftskammer-Mitgliedern. Aber gerade die "Kleinsten" fühlen sich von ihrer Interessensvertretung immer weniger vertreten und formieren sich.

Selbstständige wollen Kammer umkrempeln

EPU-Lobby

Diese Woche lud die neu gegründete überparteiliche EPU-Lobby "Initiative Neue Wirtschaft" zur Wahlarena ins Wiener Badeschiff. Bei der Diskussion mit den Wiener Spitzenkandidaten für die WKO-Wahl Ende Februar entlädt sich im Publikum großer Unmut über herrschende Kammerstruktur und -politik, die "die wirtschaftliche Realität immer weniger abbildet", wie es heißt. Folgende Themen brennen den EPU unter den Nägeln:

Soziale Absicherung

Höhe und Vorschreibepraxis der Beiträge zur gewerblichen Sozialversicherung (SVA) sind für viele Selbstständige eine große Belastung. "Die SVA ist der größte Insolvenztreiber", behauptet Hans Arsenovic von der Grünen Wirtschaft Wien. "Wer hat sich das komplizierte Vorschreibe-Prozedere eigentlich ausgedacht?", lautet eine Frage ans Podium. Konkrete Antwort gibt es keine. Alle Fraktionen wollen eine bessere soziale Absicherung, wobei der Wirtschaftsbund auf bereits Erreichtes wie Verbesserungen beim Krankengeld oder Anspruch Betriebshilfe verweist.

Fritz Strobl vom sozialdemokratischen Wirtschaftsverband (SWV) pocht auf die Abschaffung des 20-Prozent-Selbstbehalts beim Arztbesuch, den er als "Steuer fürs Kranksein" bezeichnet.

Kammerstruktur

"Die WKO ist wie das alte Traumschiff im Fernsehen. Und jeden Abend gibt’s ,Captain’s Dinner‘", ätzt Markus Ornig, Kandidat der Unos (Neos), über einen "müden, überdimensionieren Apparat", den er zur "wendigen Flotte" abspecken will. Mehrere Fraktionen wollen das "unfaire Wahlrecht" ändern und mehr Einfluss für EPU. So sitzen derzeit im Wirtschaftsparlament zehn Bankenvertreter, aber nur vier EPU. "Die Kammer kümmert sich um Banken und Großkonzerne, dabei haben wir EPU die Mehrheit", schimpft Arsenovic. Die Kammer gleiche einem Zunftwesen.

Pflichtmitgliedschaft

Die Unos setzen sich für eine freiwillige Mitgliedschaft von EPU ein. Wer unzufrieden ist, soll austreten dürfen. Wirtschaftsbund und SWV halten an der Pflichtmitgliedschaft fest. "Sonst kommen die Kleinen unter die Räder", so Strobl. Die FPÖ Pro Mittelstand will sowohl die Zwangsmitgliedschaft als auch das Monopol der WKO abschaffen. Für die Grünen sind 100 Euro Kammerumlage genug. Für eine freie Wahl der Sozialversicherung wie in der Schweiz tritt die parteiunabhängige Wahl-Plattform FreeMarkets.at ein. Weil kein Wettbewerb herrsche, sei das Service schlecht und die Kosten hoch.

Damit sich für EPU etwas ändert, braucht es aber eine höhere Wahlbeteiligung als zuletzt. Unter dem Motto "Change WKO" will die Initiative Neue Wirtschaft daher in den kommenden Wochen mit diversen Aktionen und Kampagnen Kleinstbetriebe motivieren, zur Wahl zu gehen. Der Ausgang wird vor allem in Wien spannend. Dort hält der Wirtschaftsbund aufgrund eines aus Sicht der anderen Fraktionen undemokratischen Wahlrechtes mit nur 50 Prozent der Stimmen zwei Drittel der Mandate.

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