Seestadt Aspern als Großlabor für Energieversorgung der Zukunft

Ein Stadtteil als Versuchslabor
Smart City. Siemens forscht mit Partnern in der Seestadt Aspern, wie Energie völlig neu eingesetzt werden kann.

In der Wiener Seestadt Aspern geben sich Besucher aus aller Welt die Klinke in die Hand. Objekt der Begierde der Vertreter von Stadtverwaltungen und Netzbetreibern sowie von Wissenschaftlern ist das Energieeffizienzprojekt von Aspern Smart City Research (ASCR). Ein ähnliches Projekt dieser Größe gibt es in ganz Europa nicht, ist ASCR-Geschäftsführer Georg Pammer stolz.

Er forscht mit seinem Team an zukünftigen Energielösungen für den urbanen Raum, zum Beispiel wie sich der -Ausstoß und der Energieverbrauch verringern und die Energieeffizienz erhöhen lässt. In Aspern soll das gelingen, in dem der Eigenverbrauch durch Vorausplanung optimiert wird und Gebäude als Stromhersteller am Energiemarkt teilnehmen. Objekte, die dafür beobachtet werden, sind herkömmlich errichtete Gebäude – also keine Passivhäuser oder ähnliches. Darunter befinden sich eine Schule, ein Studentenheimkomplex und ein Bürogebäude.

Beheizt werden sie mit Fernwärme, darüber hinaus werden Fotovoltaik, Solarthermie, Hybridanlagen, Wärmepumpen und elektrische Speicher verwendet. Geforscht wird nicht in Labors, sondern mitten im Alltag. Pammer bringt ein paar Beispiele: Scheint am Sonntag die Sonne und wird am Montag viel Strom gebraucht, werden vorsorglich die Batterien mit Sonnenkollektoren aufgeladen. Scheint die Sonne, und man braucht keinen Strom, wird die Energie in der Erde gespeichert. „Ziel ist, mit den Energiequellen und Energiespeichern besser zu jonglieren“, sagt Pammer. Der Strom kann aber auch am Energiemarkt verkauft werden, wenn der Preis stimmt.

Ständige Kontrolle

ASCR arbeitet an einer Automatisierung all dieser Prozesse. Anders als bei herkömmlichen Netzen, deren Zustand der Betreiber nicht kennt, ist das Versuchsnetz in Aspern gespickt mit Smart-Metern, die es laufend kontrollieren. „Dadurch ist ein ständiges Netzmonitoring, eine rechtzeitige Alarmierung und damit vorausschauende Wartung möglich“, sagt Pammer. Dank der Smart-Meter könne man auch auf völlig unerwartete Probleme oder solche, die man sonst nie entdecken würde, stoßen.

Fehlfunktionen, die über Jahrzehnte nicht entdeckt werden, können von vornherein vermieden werden – etwa eine Luftwärmepumpe, die der Elektriker vergessen hat anzuschließen. Der Arbeit in der Seestadt Wien entspringen auch einige Prototypen, aus denen später Produkte entstehen sollen. So haben Pammer und sein Team mittlerweile elf Patente angemeldet und 15 Prototypen entwickelt. Die neuen Erkenntnisse drehen sich vordergründig um E-Mobilität und, was es für den Netzbetreiber und die Infrastruktur bedeutet, wenn viele Schnellladestationen für Elektroautos in den Garagen gleichzeitig angezapft werden.

Überraschungen

Auch unerwartete Erkenntnisse haben die Forscher gewonnen, etwa dass sich Luftwärmepumpen in Tiefgaragen rechnen. „Wir sind darauf gekommen, dass in den Tiefgaragen viel mehr Wärme enthalten ist, als wir gedacht haben“, sagt Pammer.

Nicht nur Besucher sind auf das Forschungsprojekt aufmerksam geworden. Bereits 2016 wurde es am Smart City Kongress in Barcelona als weltbestes Smart-City-Projekt ausgezeichnet.

ASCR ist ein Joint Venture zwischen Siemens, Wien Energie, Wiener Netze, der Wirtschaftsagentur Wien und der Seestädter Entwicklungsgesellschaft Wien 3420. Sie stellen in der ersten Forschungsphase von 2013 bis 2018 38,5 Millionen Euro zur Verfügung. In der zweiten Phase von 2019 bis 2023 sollen es 45 Millionen Euro sein. Zusätzliche Mittel kommen von externen Partnern, wie der TU, dem AIT und dem BMVIT

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